D: „Führt es uns näher zum Evangelium?“
Stefan von Kempis – Stuttgart
Herr Bischof, was sind denn Ihre ersten Eindrücke vom Katholikentag?
„Also, ich habe mich beim Reinfahren in die Stadt mit dem Auto gewundert, dass so wenig äußere Zeichen zu sehen waren, also Fahnen oder Plakate - das merkt man doch. Das ist ein für uns kirchliches Großereignis, aber es wird nicht unbedingt von der Öffentlichkeit so wahrgenommen, wie wir das früher manchmal erfahren haben. Das ist mir als erstes aufgefallen…“
Und dann?
„Ich war heute Morgen in einem Gottesdienst: Sehr schöne Eucharistiefeier, mit jüngeren und älteren Leuten, wo sie ganz besonders darum gebetet haben, dass uns die Wachsamkeit für die Würde des Lebens erhalten bleibt. Wir haben ja in unserem Land diese Diskussionen über assistierten Suizid… Ich fand es nicht schlecht, dass das auch mal in die Fürbitte reingenommen wurde, auch für die Politiker, und dass wir als Christen unsere Stimme entsprechend erheben.
Jetzt bin ich ein bisschen unterwegs, und heute Nachmittag werde ich in einem Podium mitwirken, wo es um den Blick nach Osten geht, Osteuropa. Wir sehen jetzt durch die kriegerischen Auseinandersetzungen noch mal stärker dorthin – aber vielleicht haben wir zu wenig auch dort hingeschaut.
Bei den Leuten, die ich hier treffe – auch aus der Heimat – herrscht eine, wie ich finde, frohe und zuversichtliche Stimmung, das merkt man schon.“
Was denkt man denn als Diaspora-Bischof, wenn man hier einen so etablierten, irgendwie gesetzten Katholikentag erlebt?
„Ja, ja - wir sind ja demnächst wieder mal dran. (In zwei Jahren wird der Katholikentag vom Bistum Erfurt ausgerichtet.) Und wir haben damals schon in Leipzig immer gesagt: Wir könnten es vielleicht ein bisschen kleiner machen, kleinere Brötchen backen… Manches ist aus unserer Sicht groß, und wir fragen uns, ob alles, was man hier sieht, oder diese vielen Veranstaltungen - ob es nötig ist. Meine Frage ist immer bei so einer Großveranstaltung, das ist die wichtigste Frage: Führt es uns näher zum Evangelium? Stärkt es den Glauben der Leute? Das muss der Maßstab sein.
Natürlich ist der Katholikentag auch ein Ort, wo wir nach außen sichtbar werden und wo auch mal Politiker eingeladen sind; das ist nicht unwichtig. Aber es muss eine gute Balance geben zwischen der Wirklichkeit in unserer Kirche, die ja im Augenblick nicht ganz einfach ist, wie wir alle wissen, und dem, was wir nach außen verkündigen.
Wir in der Diaspora könnten ja solche großen Veranstaltungen gar nicht alleine machen. Von daher hoffe ich immer, dass unsere Leute, die hierherkommen, die Bandbreite der Kirche in Deutschland erleben - auch das einordnen, was wir manchmal in den Medien hören.“
Spannend wäre natürlich mal ein Görlitzer Katholikentag über die Grenze rüber nach Polen…
„Das wäre spannend, und das ist ja auch die Aufgabe unseres Bistums. Johannes Paul II. hat 1994 das Bistum Görlitz gegründet und in die Gründungsurkunde ausdrücklich hineingeschrieben, dass wir den Auftrag haben, immer wieder die Brücke nach Polen zu bauen, die Versöhnungsarbeit zu vertiefen. Also, das wäre natürlich eine spannende Sache. Die Polen kennen so etwas nicht - einen landesweiten Tag, wo sie alle mal zusammenkommen; die haben eher einen Wallfahrts-Stil, aber ohne diese politische Seite. Es gibt bei ihnen auch nicht so ein Zentralkomitee.
(vatican news – sk)
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