Nach Missbrauchsvorwürfen: Auf eigenen Antrag kein Kleriker mehr
Der bisherige Priester sorgte immer wieder für Schlagzeilen, auch weil prominente Kirchenmänner mit dem Fall zu tun hatten, darunter Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising. Die Laisierung hatte der 74-Jährige selbst beantragt, nachdem der Vatikan ihn per Rechtsbelehrung im Zuge eines kirchenrechtlichen Verfahrens über diese Möglichkeit informierte. Das Bistum Essen hatte Bedenken geäußert, weil so keine Kontrolle über den Mann mehr möglich sei.
Zwar sei vor dem Hintergrund der zahlreichen und schwerwiegenden Fälle, für die der Angeklagte verantwortlich sei, die für Priester als Höchststrafe geltende Entlassung aus dem Priesterstand nachvollziehbar und angemessen, erklärte das Bistum. Doch er unterliege damit keiner kirchlichen Weisungsbefugnis mehr. Von der hatte Bischof Franz-Josef Overbeck Gebrauch gemacht, als er den Geistlichen 2020 von Bayern nach Essen zurückbeorderte und ihn dort engmaschig kontrollieren ließ, um weitere Taten zu verhindern.
Auf Dauer nicht überwachbar
Wenn der Angeklagte nicht mehr zum Klerus gehöre, „werden diese Bemühungen in dem Umfang, wie es jetzt geschieht, auf Dauer nicht weitergeführt werden können. Das sehe ich nicht ohne Sorge“, schrieb Overbeck nun laut Mitteilung dem Vatikan. Es gelte, einen verantwortlichen Übergang zu gestalten, sagte der Interventionsbeauftragte des Ruhrbistums, Simon Friede. Das Bistum sei dazu mit dem Angeklagten im Gespräch. Das Erzbistum München und Freising wollte die Entscheidung nicht kommentieren und verwies auf das Bistum Essen.
Der Fall sorgte immer wieder für Schlagzeilen. 1980 wurde er vom Bistum Essen in das Erzbistum München-Freising versetzt, nachdem er zuvor übergriffig geworden war. Damals war Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., Erzbischof in München. In seiner Einlassung zum Münchner Missbrauchsgutachten im Januar 2022 hatte er zunächst erklärt, an einer entscheidenden Sitzung nicht teilgenommen zu haben, in der es um den Umzug des Priesters ging. Diese Angaben korrigierte Ratzinger später. Der Emeritus bestritt jedoch, damals von der Vorgeschichte des Priesters gewusst zu haben.
An mindestens vier Orten in NRW und Oberbayern
Der Angeklagte habe sich an mindestens vier Orten in Nordrhein-Westfalen und Oberbayern an Minderjährigen vergangen, heißt es in der Anklage. Trotz gerichtlicher Verurteilung im Erzbistum München und Freising und eines Gutachtens, das vor der Arbeit mit Kindern warnte, wurde er erneut mit der Gemeindeseelsorge beauftragt. Dies geschah während der Amtszeit von Kardinal Friedrich Wetter als Erzbischof. Erst 2010 wurde der angeklagte Täter von Kardinal Reinhard Marx von dieser Tätigkeit abberufen. Als zuständiger Diözesanbischof untersagte ihm Overbeck in der Folge die Ausübung der priesterlichen Dienste.
Bereits 2016 wurde in München ein Strafdekret gegen den Angeklagten erlassen. Kritiker hielten die Strafe damals für zu milde, weil der Geistliche nicht aus dem Klerikerstand entlassen wurde. Der damals zuständige Kirchenrechtler Lorenz Wolf erklärte, er habe wegen Vorgaben aus Rom nicht selbst ermitteln dürfen. Auch wegen des schlechten Zustands der Akten zum Fall sei mehr nicht drin gewesen.
(kna – mg)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.