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Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus im Garten der Christuskirche in Rom Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus im Garten der Christuskirche in Rom 

D/Ukraine: „Sie kämpfen um ihr Leben“

Waffenlieferungen an die Ukraine sind nicht die Lösung, um Frieden zu schaffen, doch im Augenblick gibt es kaum eine Alternative. Das sagt im Interview mit Radio Vatikan die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, die am Sonntag in Rom an der 100-Jahr-Feier der lutherischen Christuskirche teilnahm.

Mario Galgano – Vatikanstadt

Es sei „in der Tat“ etwas Besonderes, eine evangelische Kirche in Rom zu haben, so Kurschus. Rom sei nicht irgendeine Stadt. „Da verdichtet sich ganz viel, was die Geschichte der Christenheit im innersten Kern ausmacht, eben auch die Geschichte - die gemeinsame Geschichte - der evangelischen und der katholischen Kirche und auch die Geschichte der Trennungen“, so Kurschus.

Und dafür stehe in besonderer Weise die Christuskirche. „Sie hat ja ihren Namen von dem Christus, der über dem Eingangsportal zu sehen ist, flankiert von Paulus auf der einen und Petrus auf der anderen Seite, die jeweils symbolisch stehen für die beiden Kirchen, Petrus für die römisch-katholische Kirche. Und Paulus als der Gewährsmann für die evangelische Kirche, da Martin Luther seine Grunderkenntnis beim Studium der Briefe des Paulus gewonnen hat, dass Gott einer ist, der rechtfertigt, der also Menschen ins Recht setzt, ihnen nicht ihre Sünden anrechnet, sondern sie aufrichtet, in denen er ihnen Gnade schenkt und zurechnet.“

„Keiner kann sagen: Ich bin näher dran“

Der Clou an dieser Darstellung über dem Eingangsportal sei, dass die beiden Apostel auf beiden Seiten in derselben Nähe zu Christus stünden. „Also keiner kann da sagen: ich bin näher dran oder ich bin weiter weg“, so Kurschus. Sie sieht die derzeitige ökumenische Lage positiv; allerdings erlebten die Christen in Deutschland jetzt eine Zeit, „in der Ökumene wieder etwas fragiler wird, weil wir gemeinsam in unserer Gesellschaft derzeit schon einen massiven Vertrauensverlust erleiden“.

Nach einem Luftangriff auf Kiew, am 5. Juni
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Krieg in der Ukraine: Die kämpfen um ihr Leben

Zum Krieg in der Ukraine äußerte Kurschus:

„Wir sind uns im Kern ganz gewiss einig, dass noch niemals eine Waffe allein Frieden geschaffen hat. Wir haben ja beide Erklärungen veröffentlicht, sowohl die Deutsche Bischofskonferenz als auch die Kirchenkonferenz aller evangelischen Landeskirchen. Deren Kernbotschaft heißt: Unsere große Botschaft ist, den Frieden in die Welt zu bringen. Und der kommt durch Christi Botschaft, also auf Gewalt zu verzichten. Und wir müssen in diesem Falle anerkennen, dass zur Verteidigung der Ukraine auch Waffen nötig sind. Sie kämpfen da um ihr Leben! Und da werden wir über unsere Gebete hinaus zu sagen haben: Die brauchen jetzt auch tatkräftige Waffen. Und wir wissen dabei zugleich, dass das ein echter Kompromiss ist, von dem wir nicht sagen, dass das jetzt die Lösung ist. Durch Kampf gewinnt man keinen Krieg, sondern wir stehen gemeinsam im Zeugnis für den gewaltlosen Frieden, denn Waffenstillstand heißt ja noch lange nicht Frieden.“

„Wir werden und wir dürfen nicht die Brücken abbrechen zu den orthodoxen Geschwistern“

Und da fange die Arbeit der Kirchen an - in der zivilen Friedensarbeit. Es sei dann auch dafür zu sorgen, dass Menschen wieder miteinander reden.

„Und da haben wir unterschiedliche Kontakte. Auch das muss ja gesagt sein. Die katholische Kirche ist anders im Kontakt oder nicht im Kontakt mit der katholischen, mit der orthodoxen Kirche in Russland und auch in der Ukraine. Dann nutzen wir die jeweiligen Kommunikationskanäle, um da in Kontakt zu bleiben. Denn auch das ist mir wichtig. So fremd manches Zeugnis ist, das wir da hören, etwa eines Kyrill, und so verurteilungswürdig das in meinen Augen auch ist: Wir werden und wir dürfen nicht die Brücken abbrechen zu den orthodoxen Geschwistern, die so vielstimmig in ihrem Glauben sind.“

Wir bräuchten, „wenn hoffentlich irgendwann Frieden ist“, wieder Brücken, über die wir gehen könnten, und Wege, die wir zueinander beschreiten könnten, schließt Kurschus ihre Überlegungen zum Ukraine-Krieg ab.

(vatican news)

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27. Juni 2022, 12:26