Bischof Felix Genn von Münster Bischof Felix Genn von Münster 

Missbrauch: Bischof von Münster bittet um Entschuldigung

Der Bischof von Münster, Felix Genn, hat für den Umgang mit Missbrauchsskandalen in seinem Bistum um Entschuldigung gebeten. Das sagte er an diesem Freitag vor der Presse in seiner Bischofsstadt.

Genn bedankte sich bei allen, die an der Missbrauchs-Studie zum Bistum Münster mitgewirkt haben. Die von Forschern der Uni Münster erstellte Studie, die am letzten Montag vorgestellt wurde, attestiert früheren und heute aktiven Bischöfen große Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen; auch hätten sie zur Vertuschung von Fällen beigetragen. Die Studie spricht von 610 Betroffenen und fast 200 Beschuldigten im Zeitraum von 1945 und 2020. Genn nannte die Studie an diesem Freitag „umfassend, seriös und fundiert“.

„Das, was die Wissenschaftler im Blick auf Beschuldigte und kirchliche Verantwortungsträger darstellen, zeugt von einer massiven Diskrepanz zwischen Predigen und Handeln, zwischen dem, was kirchliche Verantwortungsträger die Menschen lehrten, und den Maßstäben, die sie an sich selbst anlegten.“

Genn räumt Fehler ein

„Habe auch selbst Fehler gemacht“

Der Bischof übernahm auch ausdrücklich die Verantwortung für eigene Fehler im Umgang mit sexuellem Missbrauch. „Als Bischof von Essen hatte ich etwa mit dem Fall des Priesters H. zu tun, der im Gutachten der Erzdiözese München und Freising ausführlich dargestellt wird: ein mehrfacher Missbrauchstäter, der von Essen nach München und Freising versetzt worden war, lange bevor ich Bischof von Essen wurde. In diesem Fall habe ich mich auf das verlassen, was die Verantwortlichen in München mir zugesagt haben. Das war rückblickend ein Fehler.“

Paulusdom von Münster
Paulusdom von Münster

Auch als Bischof von Münster habe er im Umgang mit sexuellem Missbrauch Fehler gemacht. „Insbesondere war ich in den Anfangsjahren als Bischof von Münster bei manchen Auflagen, die ich Beschuldigten gemacht habe, zu milde und habe nicht hart genug durchgegriffen. In einzelnen Fällen waren die Auflagen nicht genau genug formuliert oder wurden nicht hinreichend kontrolliert. Auch habe ich Pfarreien nicht rechtzeitig oder hinreichend über Missbrauchstäter, die bei ihnen im Einsatz waren, informiert.“ Genn beteuerte, er habe aus diesen Fehlern gelernt.

Zum Nachhören: Bischof Genn zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Bistum Münster - ein Bericht von Radio Vatikan

Keine Rücktrittsgedanken

Zurücktreten will der Bischof von Münster allerdings nicht: Er habe nicht vertuscht und habe auch nicht „die Interessen der Institution über die Sorge um die Betroffenen gestellt“. Die ihm verbleibende Amtszeit wolle er nutzen, um „mit höchstem Engagement“ gegen Missbrauch zu kämpfen.

Die Studie wirft nach Genns Eindruck „ein erschreckendes Licht auf die institutionellen und systemischen Faktoren sexuellen Missbrauchs“ und „auf die verheerenden Auswirkungen einer rigiden Sexualmoral, eines völlig überhöhten Priesterbildes, eines geschlossenen Systems, das wesentlich von Männern geprägt und bestimmt war“.

„Bin bereit, Macht abzugeben“

Die Forscher zeigten auch deutlich auf, dass sexueller Missbrauch immer auch Missbrauch von Macht sei. „In der katholischen Kirche wurde er durch ein gänzlich fehlgeleitetes Verständnis von Autorität und Hierarchie, das sich insbesondere in einem überhöhten Priesterbild zeigte, begünstigt. Damit muss Schluss sein.“

Er selbst sei bereit, Macht abzugeben, machte Genn deutlich. „Als Bischof bin ich Seelsorger und ‚Mitbruder‘, zugleich aber auch Vorgesetzter und Richter. Das empfinde ich als problematisch. Und wenn ich es richtig verstehe, sehen die Wissenschaftler das auch so…“ Darum stelle er sich „gern und freiwillig“ den Urteilen kirchlicher Verwaltungsgerichte „und damit einer unabhängigen Kontrollinstanz“. Er habe eine Prüfung in Auftrag gegeben, „wie und unter welchen Umständen eine vorübergehende diözesane kirchliche Verwaltungsgerichtsbarkeit im Bistum Münster jetzt schon eingeführt werden könnte, obwohl es noch keine Festlegungen hierzu aus Rom und auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz gibt“. Ein Ergebnis dieser Prüfung soll bis Jahresende vorliegen.

Missbrauch - Symbolfoto
Missbrauch - Symbolfoto

Genn will sich an Entscheidungen diözesaner Gremien binden

„Weiter möchte ich Macht abgeben, indem ich die Gremienstruktur in unserem Bistum neu ordnen werde… Obwohl kirchenrechtlich die Letztverantwortung in vielen Fragen beim Bischof bleiben wird, bin ich bereit, mich im Rahmen einer Selbstverpflichtung an die Entscheidungen diözesaner Gremien zu binden und das auch verbindlich festzuschreiben.“

Personalentscheidungen im Bistum Münster sollten in Zukunft „transparenter, nachvollziehbarer und partizipativer“ getroffen werden. Dafür setzt der Bischof auf eine geänderte Zusammensetzung der Personalkonferenz, in der bislang nur Männer („überwiegend Priester“) sitzen. Außerdem wird im Bistum ab dem 1. Januar nächsten Jahres eine Person im Einsatz sein, die überprüfen soll, dass die Auflagen gegen beschuldigte Kleriker auch eingehalten werden. Und Genn kündigte an, dass im Bistum eine unabhängige Aufarbeitungskommission eingerichtet wird.

Kein eigener Betroffenenbeirat im Bistum Münster

Mit dem früheren Hamburger Erzbischof Werner Thissen, dem die Studie „ein deutliches Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch im Bistum Münster“ nachweist, habe er in dieser Woche gesprochen, so Genn. „Er bekennt sich, was er bereits öffentlich getan hat, zu diesen schweren Fehlern.“ Der emeritierte Domkapitular Theodor Buckstegen, dem ebenfalls „massives Fehlverhalten“ bescheinigt wird, habe ihn – Genn – gebeten, „ihn als Domkapitular zu entpflichten. Ich werde dieser Bitte nachkommen“.

Einen eigenen Betroffenenbeirat für das Bistum Münster will Bischof Genn nicht. „Stattdessen beschreiten wir den Weg einer völlig bistumsunabhängigen, selbst organisierten Betroffenenbeteiligung.“ Auch der Beraterstab zum Umgang mit sexuellem Missbrauch sei „bereits seit einigen Jahren mit Menschen besetzt, die unabhängig vom Bistum sind“.

(vatican news – sk)
 

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17. Juni 2022, 11:27