Österreich: Hilfsorganisationen fordern Maßnahmen gegen Teuerung
Die allgemeine Inflationsrate in Österreich liegt aktuell bei 8,7 Prozent - der höchste Wert seit 40 Jahren. Die Teuerung ist besonders für Menschen mit geringen Einkommen ein Problem, denn konkret bedeutet das für sie, „dass der durchschnittliche wöchentliche Einkauf bereits um 15,4 Prozent teurer geworden ist", erklärte Caritas-Österreich-Generalsekretärin Anna Parr bei der Pressekonferenz in Wien. „Das heißt, dass Menschen, die ohnehin im Supermarkt sehr genau mitrechnen und abwägen müssen, ob sich das Kilo Brot am Ende des Monats noch ausgeht - diese Menschen können sich das Alltäglichste aktuell schlichtweg nicht mehr leisten." Mehr als ein Drittel der Haushalte in Österreich könnten inzwischen die durchschnittlichen Kosumausgaben nicht mehr decken, so die Caritas-Generalsekretärin. Und wiederum mehr als ein Viertel dieser Menschen sei erwebstätig. „Das heißt, sie arbeiten - und trotzdem reicht das Einkommen nicht aus, um die Konsumausgaben begleichen zu können."
Politik muss jetzt handeln
Die Teuerung mache sich jeden Tag und bei jeder Zahlung bemerkbar und sie treffe Armutsbetroffene und Menschen mit geringen Einkommen und ihre Kinder ungleich härter. Aber längst nicht nur sie leiden unter der Inflation. Caritas Österreich hat in den vergangenen Monaten laut Generalsekretärin Anna Parr einen massiven Anstieg der Hilfesuchenden erlebt:
„Es geht hier nicht nur um Menschen, die schon lange in einer Armutssituation sind. In allen Sozialberatungsstellen kommen sehr viele neue Menschen zu uns, Leute die nie gedacht hätten, dass sie Hilfe von einer Hilfsorganisation brauchen. Es sind Leute im unteren Einkommensdrittel, die jetzt nicht mehr über die Runden kommen."
Caritas, Diakonie und Volkshilfe befürchten, dass sich die Situation im Herbst und Winter noch einmal dramatisch zuspitzen werde. Für den Herbst müsse mit weiteren gravierenden Verschlechterungen gerechnet werden. Gefordert werden deshalb weitere Überbrückungshilfen. Einmalzahlungen reichten einfach nicht aus, erklärte die Caritas-Generalsekretärin. Sie forderte die österreichische Regierung nachdrücklich dazu auf, ein Anti-Teuerungs-Paket gezielt für die am stärksten betroffene Gruppe auf den Weg zu bringen - „und zwar jetzt."
Die Teuerung macht keine Ferien
Betroffen sind auch hier mehr Menschen als gedacht. Bei einer von der Volkshilfe durchgeführten österreichweiten Umfrage gaben fast drei Viertel der Befragten an, dass die Teuerung die Planung von armutsbetroffenen Kindern und Jugendlichen stark beeinflusse. „Und das bei einer Zielgruppe, deren soziale Teilhabe ohnehin schon eingeschränkt ist", gab Volkshilfe-Direktor Fenninger zu bedenken.
Wenn Armut krank macht
Die Direktorin der - evangelischen - Diakonie Österreich, Maria Katharina Moser, sprach von einem „Teufelskreis" aus existenziellen Geldnöten, Bildungsbenachteiligung und Entwicklungsverzögerungen, der durch Kinderarmut ins Laufen komme:
„Wir können sagen, die armutsbetroffenen Kinder von heute sind die chronisch Kranken von morgen. Und diesen Teufelskreis aus Geldnöten, schweren gesundheitlichen Belastungen und Bildungsbenachteiligungen gilt es zu durchbrechen."
Es brauche neben der direkten finanziellen Unterstützung für die Familien und einer Erhöhung der Sozialleistungen auch psychosoziale Unterstützung, Bildungsförderung und kassenfinanzierte Therapieplätze.
Eine Milliarde zusätzlich für Kindergesundheit
Moser forderte daher von der Politik eine zusätzliche Milliarde Euro für Kindergesundheit. Dies würde sich nicht nur durch spätere Einsparungen für Sozial- und Gesundheitsausgaben rechnen, sondern sei auch eine Frage der Würde und der Kinderrechte, so die Diakonie-Direktorin.
Einig sind sich die Organisationen, dass es ein Auffangnetz für armutsbetroffene und einkommensschwache Menschen und Familien mit Kindern geben muss. Sie fordern von der Politik treffsichere kurz- und langfristige Maßnahmen, die alle Menschen und besonders Familien und deren Kinder vor Armut schützen und es nachhaltig ermöglichen, Armutssituationen zu entkommen.
Abschaltestopp bei Strom und Gas
Ebenso forderten die Hilfsorganisationen für den Winter einen gesetzlich verankerten Abschaltestopp bei Strom und Gas als Sicherheit für alle Menschen in Österreich. Auch die Sozialleistungen müssten aufgrund der Inflation angehoben werden. Wichtig sei weiter der Ausbau von Bildungs- und Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche sowie eine finanzielle Grundsicherung für Kinder. Die Regierung sei die von ihr angekündigte Halbierung der Armut nach wie vor schuldig. Es gehe darum, jetzt mit den Planungen zu beginnen, um die soziale Krise zu verhindern, die sich für Herbst abzeichne.
*Redaktioneller Hinweis: Die Töne und Informationen zu diesem Beitrag stellte die Agentur Kathpress zu Verfügung.
(kap-sst)
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