Sr. Giannas Einsatz für die AIDS-Kranken in der Villa Glori in Rom
Vorurteile überwinden
Von Sr. Gianna Raumer
Die Wohngruppe für Aids-Kranke wurde am 5. Dezember 1988 in Rom ins Leben gerufen, im Stadtviertel Parioli, im Park der Villa Glori. Sie war die erste ihrer Art in Italien und löste einen Mordskrawall von Gegendemonstrationen aus, mit hitzigen Debatten in Bürgerversammlungen und Anzeigen beim Regionalen Verwaltungsgericht der Region Latium.
Die Konfrontation mit einer Krankheit wie Aids rief zu einer Zeit, als es noch keine genau definierten Therapien gab und die Kranken marginalisiert wurden, weil man sie für eine Art von Pestkranken hielt, sehr viel Angst und Befürchtungen hervor.
Erste Jahre mit AIDS: Angst und Befürchtungen
Die ersten Jugendlichen kamen auch von außerhalb Roms (Roberto aus dem Cardarelli-Krankenhaus in Neapel, Ciro aus Apulien) oder von der Straße oder aus römischen Krankenhäusern, wo sie seit Monaten stationäre Patienten gewesen waren, einer sogar ein ganzes Jahr lang, weil bei ihrer Entlassung niemand da war, der sie aufgenommen hätte.
Sherrys Ankunft um sieben am Morgen mit dem Krankenwagen ist mir unvergesslich, so wie jene von Vincenzo, dem weisen Landstreicher. Er kam um zehn am Abend, bei Dunkelheit, um der Zudringlichkeit der Journalisten, dem Ansturm der Fotografen oder der Bedrohung durch ins Gesicht geschleuderte Tomaten seitens einiger »Pariolini« (Einwohner des eleganten Stadtviertels Parioli) zu entgehen. Ein bekannter Politiker sprang sogar über das Gittertor! Demonstrationen, aber auch Gegendemonstrationen, Fackelumzüge und Gebetsmärsche zugunsten der Kranken.
Rührende Solidarität und Anfeindungen
Rührend war die Solidarität der umliegenden Pfarrgemeinden, jener von Piazza Euclide und von San Roberto Bellarmino, aber auch von einigen benachbarten Schulen, die Briefe schrieben, und dann: Läden, Restaurants, die uns die verschiedensten Lebensmittel oder Speisen sandten, sowie unzählige unbekannte Freunde, die sich in einer herzlichen Umarmung mit uns vereint haben und Hilfsangebote jedweder Art machten.
Anfangs waren die Freiwilligen zahlreich und kamen aus allen Gesellschaftsschichten und religiösen Bekenntnissen. Man setzte Termine für Ausbildungen an und legte die unterschiedlichen Aufgaben fest: Küchenarbeit, Begleitungen zu Kontrollterminen in Krankenhäusern, Besuche, um Gesellschaft zu leisten und Freundschaft zu pflegen, Ausfahrten, und später die Herausgabe der Zeitschrift Dark Side. Die Feste, die auf jenem Hügel gefeiert wurden, bleiben unvergesslich: kirchliche Feiertage, Geburtstage, Karnevalsfeste, Frühlings- oder Mittsommerfeste. Es gab immer Grund zum Feiern, weil das Leben schön ist und es wert war, intensiv bis zum letzten Augenblick gelebt zu werden.
Freiwillige lassen nach
Mit der Zeit wurden die Freiwilligen immer weniger, und es blieben die, die am meisten motiviert waren sowie jene, die sich am besten in »Unentgeltlichkeit« trainiert hatten, auch weil in den ersten Jahren die Berührung mit dem Tod und dem »Verlust« der Personen ausgesprochen häufig stattfand (bis zu zehn in einem Jahr). Wir haben uns bis zu ihrem Tod um sie gekümmert, indem wir uns abgelöst haben, und der Trennungsschmerz war wirklich herzzerreißend.
Eines der wichtigsten Ziele der Wohngruppe bestand darin, die Kontakte zu den Herkunftsfamilien wieder herzustellen, die in einigen Fällen aufgrund der für »antikonformistisch« gehaltenen Lebensentscheidungen seit Jahren kaputt und abgebrochen waren. In der überwiegenden Mehrheit der Fälle konnte die Beziehung wieder gekittet werden und die friedensstiftende Beziehung begünstigte ein friedliches Leben bis zum Tod.
Ich erinnere mich insbesondere an einen Gast, der, nachdem er die Kontakte zu seiner Ex-Frau und den vier Töchtern wieder aufgenommen hatte, die Freude erlebte, seine jüngste Tochter zu Schuljahrsbeginn in die Schule zu begleiten.
Die Bitte, an der Leitung des Hauses mitzuwirken, war von Msgr. Luigi Di Liegro (dem damaligen Direktor der römischen Caritas) an unsere Ordensfamilie gerichtet worden, der zufällig eine unserer Schwestern kennengelernt hatte, die zu jener Zeit einmal wöchentlich die Novizinnen zur Mensa am Oppio-Hügel begleitete, die unzählige Notleidende mit einer Mahlzeit versorgte. Wir wurden zu dritt ausgewählt: ich, die damals in Venedig im Frauengefängnis der Giudecca Dienst tat, eine Ordensfrau aus der Toscana, die als Krankenschwester arbeitete, und eine dritte Ordensfrau, die in Rom bei der Union der Generaloberinnen Italiens im Bereich der Berufungspastoral tätig war.
Unserer kleinen Gruppe gesellten sich sogleich noch zwei Junioratsschwestern hinzu, die an Päpstlichen Fakultäten studierten. Mit Luigi Di Liegro zu arbeiten war eine große Gnade. Seine menschliche Art: er war uns gegenüber ganz bescheiden und brüderlich. Oft erzählte er uns bei den Mahlzeiten von seinen Mühen und mangelndem Verständnis, und gleichzeitig war er so mutig und anspruchsvoll den staatlichen Institutionen gegenüber, wenn es darum ging, die Rechte der ärmsten und marginalisiertesten Menschen zu verteidigen. Ein wahrer Mann Gottes und ein Prophet unserer Zeiten!
Für meine Ordensgemeinschaft, die »Barmherzigen Schwestern vom Kinde Maria«, bot das die konkrete Gelegenheit zur Umsetzung des Charismas, das unseren in Lovere bei Brescia geborenen Gründerinnen, den heiligen Bartolomea Capitanio und Vincenza Gerosa, anvertraut worden war. Jede Begegnung, jede neue Beziehung war ein wichtiger Termin mit Gott, der uns etwas von sich offenbarte: sein Liebesplan, seine Schönheit, das Drama aus Schmerz und Zärtlichkeit.
Weil wir das Alltagsleben der Menschen teilten, die wir aufgenommen hatten, haben wir gelernt, dass jeder Augenblick wichtig ist und als solcher intensiv erlebt werden muss, dass nichts banal ist… Jedes frohe oder traurige Ereignis muss wesentlich, in der Wahrheit und ohne Masken durchlebt werden. Wir »Gesunden«, die so an den Schein gewöhnt sind, haben gelernt, uns gegenseitig die Masken abzunehmen, um unser Leben wieder zur Wahrheit des Seins zurückzubringen.
Die Schwesterngemeinschaft wurde ganz allmählich zu einer Großfamilie, zu der alle gehörten, die Teil unseres Kreises wurden und bei uns lebten: Aids-Kranke, Pflegepersonal (darunter auch einige Strafgefangene im Freigang), freiwillige Helfer, Freunde aus jeder Altersstufe, Gesellschaftsschicht, Religionszugehörigkeit oder politischer Ausrichtung. Die Vielfalt der Probleme brachte uns dazu, gemeinsam nachzudenken und zu arbeiten, uns ständig miteinander auszutauschen, Richtlinien zu überprüfen, Wünsche, Zweifel und Hoffnungen zu verifizieren.
Wir haben gelernt, was es heißt, sich im Hinblick auf die allereinfachsten Dinge des Alltags umeinander zu kümmern, Tag für Tag, jeden Tag bis zum allerletzten Augenblick des Lebens: sich um die Menschen kümmern, das Haus putzen, Essen machen, bügeln, Körperpflege und Fürsorge für die verletzte Seele. Nicht nur Professionalität und Kompetenz, sondern vor allem eine tiefe und umfassende emotionale Beziehung.
Ein großes Dankeschön
Ich muss all denen Danke sagen, die mit mir zusammen dieses menschliche Abenteuer erlebt haben, und ein spezielles Dankeschön an Msgr. Luigi Di Liegro, einen wahren Bruder und Freund im Herrn, ein mutiges Werkzeug in den Händen Gottes, der diese unvergessliche Erfahrung der »armen Kirche an der Seite der Armen« möglich gemacht hat. Wie glücklich wäre Papst Franziskus gewesen, hätte er Don Luigi begegnen können, und wie viel Freude und Trost hätte dieses Lehramt Don Luigi doch geschenkt. Sicherlich wird er all das von oben im einhüllenden Licht des Vaters genießen.
(vatican news - aufgezeichnet von Valentina Angelucci)
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