Unser Sonntag: Die Rangordnung Gottes
Prof. Marianne Schlosser, Wien
Lk 14, 1.7-14
Ja, heute geht es noch einmal um Demut und um die Rangordnung bei Gott.
Im Evangelium heißt es: Jesus beobachtete, wie die Leute sich die besten Plätze aussuchen. – Wir würden das ja nie tun! Wir empfinden das als unangebracht; gegen den Anstand, gegen die Höflichkeit. Leute, die von sich selbst zu eingenommen sind, sind uns unsympathisch. Und die heutige erste Lesung aus dem Buch Jesus Sirach sagte das auch sehr deutlich: Eingebildete Leute sind nicht beliebt.
Also, wir bemühen uns um Bescheidenheit – jedenfalls nach außen hin. Aber wenn Sie eine Begrüßungsansprache zu halten haben, dann werden Sie überlegen, wer zuerst begrüßt werden muss, und in welcher Reihenfolge dem "Protokoll" gemäß die anderen Persönlichkeiten zu nennen sind. Das gibt es im Geschäftsleben, in der Politik, und auch in der Kirche.
Aber die Rangordnung bei Gott kann eine ganz andere sein.
Soll man sich also „erniedrigen“? Und darauf spekulieren, dass man dann umso höher „gerankt“ wird? Um jeden Preis darauf bestehen, dass man auf den letzten Platz gelassen wird? – Vielleicht denken Sie an den Sketch von Loriot, wo zwei Herren einander um jeden Preis den Vortritt lassen wollen, durch eine Tür zu gehen, durch die eben nicht zwei zugleich gehen können.…
Also was meint Jesus mit: „Wer sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden“? (und umgekehrt: „Wer sich selbst erhöht, werde erniedrigt werden“?)
Wie „erniedrigt“ man sich denn auf richtige Weise? Das griechische Wort, das da gebraucht wird, bedeutet: Niedrig, gering, von der sozialen Stellung her unbedeutend. Aber im christlichen Bereich heißt es auch: demütig. Und das ist nicht einfach nur ein faktischer Stand oder Zustand, sondern es ist eine Tugend. Und was diese Tugend beinhaltet, sieht man am deutlichsten an Jesus selber. Er sagt nämlich, er sei „sanft und demütig".
Demut hat keine Konjunktur
Demut ist ein Wort, das wie viele andere an Konjunktur verloren hat. Wir haben den Verdacht, da könnte was Künstliches dabei sein. Das ist nicht neu. Auch Augustinus wusste das schon, dass ein billiges Kleid ein Zeichen von Demut sein kann, aber wenn es ganz auffällig billig ist, dann ist es zumindest verdächtig! „Was ist vor dem Hochmut sicher, wenn nicht einmal die Demut sicher ist vor dem Hochmut?“ (fragte sich ein Mönchsvater).
Demut ist nicht einfach Bescheidenheit oder Sich-zurücknehmen, wie es der Höflichkeit und dem Anstand geschuldet ist, sondern entspricht der Wahrheit von Gott und dem Menschen, vor allem aber von Gott. Je mehr jemand Gott erkennt und erkennt, was er ihm verdankt, desto demütiger wird dieser Mensch.
Man sieht es zum Beispiel am Magnificat: Maria sagt, er habe auf die „Niedrigkeit“ – und da kommt wieder dieses Wort! –, „die Niedrigkeit“, oder „Demut", „seiner Magd geschaut".
Es ist das Beschenkt-Sein, das diese Form von Demut wachruft. Wer Gnade als Gnade erkennt, das heißt als unverdient, der wird eigentlich erst demütig. Darum gilt diese Eigenschaft als das Kennzeichen für die Echtheit einer mystischen Erfahrung: dass jemand seine eigenen Verdienste nicht zu hoch einschätzt. Und Teresa von Avila erzählt von sich selbst, dass tiefer als jede „Verdemütigung" („Erniedrigung"), und tiefer als jede Erkenntnis ihrer eigenen Schwäche!, die Erkenntnis war, wie sehr sie von Gott beschenkt wurde – „bis zur Beschämung großzügig" sei der Herr.
Frohe und mutige Demut
Diese Art von Demut hat mit Kopf-hängen-Lassen gar nichts zu tun. Es ist eine frohe und mutige Demut. Und das Zeichen davon ist, dass jemand nicht um sich selbst kreist. Also nicht überlegt: Welchen Eindruck mache ich? Wie schaue ich aus? –
Die „falsche Demut" (die nur äußerliche, nicht ganz aufrichtige Demut) enthält oft einen Rest von Ärger oder doch ein „Sich-zurückgesetzt-Fühlen“. Sie ist sozusagen nicht ganz wahrhaftig, weil sie abhängig ist vom Urteil (bzw. der Einschätzung) anderer.
Und es gibt auch eine Selbstverachtung, die nicht mit Demut verwechselt werden darf. Im Evangelium des vergangenen Sonntags war das schon das Thema: eine Selbstverachtung, die Gott nichts zutraut. Die wurzelt zwar in einer sehr klaren Erkenntnis der eigenen Schwäche, ist aber nach Teresa von Avila eine ‚versucherische Demut‘, keine echte. Die echte Demut ist mutig, weil sie sich beschenkt weiß.
In dem Gleichnis von den Einladungen, die man aussprechen soll oder denen man folgen soll, fügt Jesus hinzu, dass man nicht Leute einladen soll, die einflussreich sind, die „etwas zählen", und die einem irgendwie wieder vergelten können, was man ihnen Gutes getan hat.
Heißt das nicht, dass man keine Freunde einladen darf, oder sich nicht um die Familie kümmern soll? Keineswegs. Sondern der springende Punkt scheint zu sein, dass Freunde einzuladen zwar menschlich gut ist, aber noch nicht die ganze Vollkommenheit besagt. Man solle Leute einladen, die nichts haben, um es zu vergelten. Das geschieht nicht, indem man andere herabwürdigt und sozusagen von oben herab beschenkt (und sich dabei großartig vorkommt), sondern – ich zitiere jetzt Franziskus von Assisi: „Die Würde des Armen besteht darin, dass er den Reichen Gelegenheit gibt, sich Gott zum Schuldner zu machen.“
Die Armen sind bekleidet mit dem Bild des Erlösers
Es ist die Haltung, die Jesus lobt, dass man jemandem etwas gibt, mit dem er selbst sich identifiziert. Er identifiziert sich mit denen, die nichts haben. Wie ein berühmter Autor des vierten Jahrhunderts sagt: "Die Armen sind bekleidet mit dem Bild des Erlösers." Er ist derjenige, der tatsächlich auf den letzten Platz gestoßen wurde und in seiner Nachfolge auch die Apostel, wie Paulus das einmal ausdrückt: Wir Apostel sind von allen die letzten geworden, missachtet von allen.
Das, was in dieser Welt nicht vergolten werden kann, das wird Gott belohnen.
Und ich glaube, das ist Vieles.
Gott hat die wahre Rangordnung
Diese Aussage Jesu ermutigt uns, dass wir nicht bereuen sollen, wenn wir etwas Gutes getan haben, nur weil kein Dank zurückgekommen ist. Dass wir nicht verzagen oder in Bitterkeit verfallen sollen, wenn man verkehrt beurteilt wird, wenn einem ein Platz in der öffentlichen Meinung zugewiesen wird, gegen den man sich nicht wehren kann: Dann auch zu wissen, dass die Rangordnung Gottes die wahre Rangordnung ist und dass wir auf sein Wort und seine Platzanweisung warten.
Ich schließe mit dem Tagesgebet dieses Sonntags, das uns noch einmal ausrichtet, darauf hin, wo wir unser Herz richten sollen.
Tagesgebet
Allmächtiger Gott.
Von dir kommt alles Gute.
Pflanze in unser Herz die Liebe zu deinem Namen ein.
Binde uns immer mehr an dich, damit in uns wächst, was gut und heilig ist.
Wache über uns und erhalte, was du gewirkt hast.
Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn, der mit dir und dem Heiligen Geist lebt und herrscht in Ewigkeit.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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