Nach ad-limina-Besuch: „Erleichterung und Sorge“
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
„Ich bin erleichtert, dass alles angesprochen wurde, wirklich alles“; Themen wie die Rolle der Frau in der Kirche und ihr Zugang zu Ämtern lägen jetzt auf dem Tisch und seien nicht mehr zum Verschwinden zu bringen. Zugleich spüre er Sorge, „weil ich noch nicht abschätzen kann, welche Dynamik die synodalen Prozesse entfalten“. Insgesamt kennzeichnete Bätzing die Gespräche, die die deutschen Bischöfe in dieser Woche mit dem Papst und der Kurie führen konnten, als einen „Arbeitsbesuch von hoher Nachdenklichkeit“.
Alle Themen auf den Tisch gekommen
„Das war mein erster Ad-limina-Besuch – andere Bischöfe hatten da ganz andere Erfahrungen, für einige war es bereits der vierte Besuch. Ich kann ehrlichen und erleichterten Herzens sagen: Ja, es war ein herausfordernder Besuch. Und ja, es sind alle, wirklich alle Themen auf den Tisch gekommen – und zwar an ganz verschiedenen Orten, sei es beim Papst, sei es in den Dikasterien oder beim interdikasteriellen Treffen zu einigen Fragen des Synodalen Weges der Kirche in Deutschland.“
Die Gespräche mit den Dikasterien seien „gut, wenn auch unterschiedlich“ verlaufen. „Am theologischsten“, so erläuterte die ebenfalls anwesende Generalsekretärin der Bischofskonferenz Beate Gilles, sei es beim Besuch im Ökumene-Dikasterium von Kardinal Kurt Koch zugegangen: eine Visite, an der Bätzing nicht teilgenommen hat.
„Der Papst hat uns mal untereinander als Brüder ringen lassen“
„Das Gespräch mit Papst Franziskus hat uns ermutigt“, berichtete Bischof Bätzing. „Auch da sind die unterschiedlichen Positionen in unserer Bischofskonferenz vorgebracht worden. Der Heilige Vater hat uns deutlich gemacht, dass Spannungen notwendig sind, unter welchen Spannungen er steht und dass zur Lösung Mut und Geduld notwendig sind.“
Über den Synodalen Weg hätten die Bischöfe bei ihrer Audienz beim Papst nicht gesprochen – und zwar, weil sie laut Bätzing davon ausgingen, dass Franziskus an ihrem Treffen mit Kurienvertretern teilnehmen würde. Tatsächlich war die Teilnahme des Papstes zuvor angekündigt worden. Doch Franziskus sei ja „ein schlauer Jesuit“, so Bischof Bätzing: „Der hat uns mal untereinander als Brüder ringen lassen“.
„Wir haben in Rom hart in der Sache und verbindlich im Ton diskutiert und dabei gespürt, dass Dialog auf diese Weise gelingen kann und gelungen ist. Das interdikasterielle Treffen war wichtig, und auch da sind alle Themen vorgebracht worden… Diese Begegnung war – wie es einer unserer Bischöfe ausdrückte – „der Ernstfall von Synodalität… Ich bin dankbar, dass die Bedenken, die es in Rom gibt, offen vorgetragen wurden. Und ebenso dankbar bin ich, dass die Sorgen und Auffassungen aus unserer Bischofskonferenz – quer durch alle Themen – gehört wurden. Das interdikasterielle Treffen war für mich ein Zeichen, dass wir – trotz widersprechender Auffassungen – gemeinsam auf dem Weg bleiben.“
Seitens der Kurie seien „klare Ansagen“ gemacht worden; eine „rote Linie“, die aus Roms Sicht nicht überschritten werden dürfe, sei die Frage der Priesterweihe von Frauen. Zur geplanten Schaffung eines Synodalen Rats hingegen habe es in diesen Tagen vom Vatikan keine Ansage gegeben, obgleich einige Bischöfe aus Deutschland danach gefragt hätten.
„Wir sind katholisch und bleiben es“
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz hob hervor, dass die Kirche in Deutschland „keinen Sonderweg“ gehe und auch keine Entscheidungen treffen werde, die nur im universalkirchlichen Kontext möglich wären. „Wir sind katholisch und bleiben es“, bekräftigte er.
„Aber die Kirche in Deutschland will und muss Antworten geben auf jene Fragen, die die Gläubigen stellen. Das erleben wir bei unserem Synodalen Weg und das haben wir versucht, in Rom zu vermitteln. Mir war es wichtig, deutlich zu machen, dass durch die Aufdeckung von Missbrauch und Missbrauch begünstigenden Strukturen in der Kirche das Vertrauen so erschüttert und die Autorität der Bischöfe so in Frage gestellt ist, dass neue Wege notwendig sind, um dieser Krise der Kirche zu begegnen.“
Papst will über Kardinal Woelki nicht unter Druck befinden
Den Brief von Papst Franziskus an das „pilgernde Volk Gottes“ von 2019 nannte Bätzing „eine wichtige Orientierung, die einer weiteren Vertiefung bedarf“. „Wir wollen die Anliegen, die wir Bischöfe in der Ortskirche umsetzen können, auf den Weg bringen und die Fragestellungen, die das Lehramt betreffen, in den weltweiten synodalen Prozess einspeisen.“
Während des ad-limina-Besuchs sei auch die Lage im Erzbistum Köln angesprochen worden – auch dem Papst gegenüber. Franziskus habe erneut deutlich gemacht, dass er über das Schicksal des Kölner Erzbischofs, Kardinal Rainer Maria Woelki, nicht unter Druck entscheiden wolle. Der Präfekt des Bischofsdikasteriums, Kardinal Marc Ouellet habe sich, auf Woelki angesprochen, „sehr zurückgehalten“, so Bätzing.
„Sie spüren: Zum Abschluss des Ad-limina-Besuchs lege ich keinen Ergebniskatalog vor, das war von unserer Seite auch an keiner Stelle erwartet oder formuliert worden. Es endet ein Arbeitsbesuch von hoher Nachdenklichkeit, einer Vielzahl von Themen und der Tatsache, dass wir in wichtigen theologischen Fragen – gerade mit Blick auf den Synodalen Weg – keine einheitliche Auffassung haben. Das entmutigt mich nicht und es ist auch falsch, vom sogenannten ‚Showdown‘ in Rom zu sprechen. Es geht jetzt an die Phase der Nacharbeit und der Vertiefung des Gesagten und Gehörten: unsere Anliegen, die wir in Rom platziert haben und die Überlegungen, die Rom uns mit ins Gepäck gegeben hat.“
Kommt jetzt der Runde Tisch?
Bischof Bätzing setzt auf eine „gute Fortsetzung dieses Dialogs“ – und zwar „bald noch verstärkt auch mit jenen, die den größten Teil des Volkes Gottes ausmachen - den Laien“. In welcher Form das geschehen werde, dazu habe man in diesen Tagen in der Ewigen Stadt „noch keine Nägel mit Köpfen gemacht“. Vorstellbar sei zum Beispiel ein „Runder Tisch“.
„Ein erster Moment der Reflexion wird im Ständigen Rat der Deutschen Bischofskonferenz am kommenden Montag in Würzburg stattfinden und dann wenige Tage später im Erweiterten Präsidium des Synodalen Weges. Natürlich müssen die Themen mit allen im Synodalen Weg besprochen werden.“
Brief an Benedikt
Wichtig sei nach den Gesprächen zwischen Rom und den Deutschen, das gegenseitige Vertrauen zu stärken: „Das braucht Verstetigung“. An den emeritierten Papst Benedikt XVI. haben die deutschen Bischöfe einen gemeinsamen Brief geschrieben, um ihm ihre Nähe und ihr Gebet zu versichern.
Bätzings Referat vor Kurienspitze veröffentlicht
Die Deutsche Bischofskonferenz veröffentlichte am Samstag auch die Einführung, die Bischof Bätzing am Freitag beim Treffen mit den Leitern der einzelnen Einrichtungen der römischen Kurie gehalten hat. Darin beteuert er, die Kirche in Deutschland habe sehr wohl den Brief des Papstes von 2019 intensiv gelesen und sich von ihm anregen lassen.
„Ich sage aber auch ehrlich, dass es Verwunderung ausgelöst hat, dass der Brief des Papstes auf den eigentlichen Ausgangspunkt des Synodalen Weges, nämlich den sexuellen Missbrauch, den mangelhaften Umgang damit durch kirchliche Autoritäten, die Vertuschung durch Bischöfe und auch die anhaltende Intransparenz in der Bearbeitung durch römische Stellen keinen Bezug nimmt.” Gerade die Missbrauchsskandale seien für die Katholiken in Deutschland der Anlass gewesen, einen synodalen Prozess zu starten.
„Für die meisten von uns Bischöfen ist nach der MHG-Studie von 2018 deutlich: Alle Bemühungen um Evangelisierung werden wenig fruchten, wenn nicht zuvor radikale Ehrlichkeit über Fehler und systemische Mängel in unserer Kirche dazu führen, konsequent, strukturell und bis hinein in die kirchliche Praxis und Lehre nach Umkehr und Erneuerung zu suchen. Nicht zuletzt haben nämlich bisherige Strukturen zum verheerenden Skandal sexuellen Missbrauchs an Minderjährigen geführt. Mich erstaunt schon der Eindruck aus einigen Gesprächen der vergangenen Tage, dass dies nicht alle unsere Gesprächspartner teilen.“
In dem Redetext wehrt sich Bischof Bätzing gegen den Vorwurf, die katholische Kirche in Deutschland habe das Thema Missbrauch instrumentalisiert, um eine „Reformagenda“ durchzusetzen. „Ich kann diese Kritik nicht verstehen und frage zurück: Müsste es uns nicht vielmehr beschämen, dass es erst der Aufdeckung des sexuellen und geistlichen Missbrauchs bedurfte, damit wir uns mit jenen Aspekten der Verkündigung und des kirchlichen Lebens ernsthaft befassen, auf deren Problematik uns viele Gläubige und die theologischen Debatten schon seit Jahrzehnten aufmerksam machen?“
„Anliegen und Spannungen in weltkirchlichen synodalen Prozess einbringen“
Bätzing beteuert, der Synodale Weg suche „weder ein Schisma noch führt er in eine Nationalkirche“. Den Vergleich mit einer „guten evangelischen Kirche“ halte er für „recht unzutreffend“: „Er trifft leider nicht die Intention und Zielrichtung unserer Bemühungen. Denn wir suchen eine bessere katholische, aus der sakramentalen Dimension heraus lebendige Kirche.“ Die deutschen Bischöfe wollten die „Anliegen und Spannungen in den weltkirchlichen synodalen Prozess einbringen“. Das römische Arbeitsdokument für die Synode mache doch deutlich, „dass der Synodale Weg der Kirche in Deutschland als Teil einer synodalen Dynamik zu verstehen ist, die die ganze Kirche ergriffen hat“. Bätzing: „Die Themen, mit denen wir uns in den vier Foren und auf den Synodalversammlungen (des Synodalen Wegs) befassen, werden auch in anderen Teilen der Kirche erörtert.“
(vatican news – sk)
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