Österreich/Schweiz: Bioethikerin kritisiert Sterbehilfe
Das geht aus aktuellen Daten des Schweizer Bundesamts für Statistik hervor, auf die sich das Wiener Bioethikinstitut Imabe in einer Mitteilung beruft. Deutlich werde dabei aufs Neue, „wie sogenannte 'Sterbehilfe'-Organisationen mit ihrem Angebot de facto eine effektive Suizidprävention unterlaufen“, erklärte bei diesem Anlass Imabe-Direktorin Susanne Kummer.
Mit insgesamt 2.223 Fällen, in denen sich in der Schweiz Wohnhafte im Jahr 2020 das Leben frühzeitig nahmen, komme das Land somit eigentlich auf eine Suizidrate von 25,6 pro 100.000 Einwohner.
Sterbehilfe um 350 Prozent zugenommen
Das sei mehr als das Doppelte der Rate Österreichs von 12,5 (2021). Diese Zahl sei laut Kummer „erschreckend“, finde jedoch in der Öffentlichkeit kaum Widerhall. Vielmehr werde der schrittweise Rückgang „harter Suizide“ als Erfolg gemeldet – „und gleichzeitig ausgeblendet, dass in der Schweiz in nur zehn Jahren die Zahl der Selbsttötungen mithilfe Dritter um mehr als 350 Prozent gestiegen ist“, so die Ethikerin.
„Ein Suizid bleibt ein Suizid“
Kritik übte die Imabe-Direktorin auch daran, dass assistierte Suizide in der Schweiz nicht zur Suizidrate zählen, was die Fakten verzerre. „Ein Suizid bleibt ein Suizid – auch wenn Dritte nach Absprache die Tötungsmittel zur Verfügung stellen. Prävention und nicht Angebote müssen oberstes Gebot bleiben“, betonte Kummer.
Die jüngst präsentierten Schweizer Zahlen erhärten auch die internationalen Daten: Von sogenannten „harten“ Suizide sind vor allem Männern unter 65 Jahre betroffen. Die gefährdetste Gruppe für Selbsttötungen mithilfe Dritter seien hingegen ältere Frauen und Senioren.
Um an diese neue Zielgruppe besser heranzukommen, machen Sterbehilfe-Vereine auf die Politik Druck. Sie wollen direkten Zugang zu Altersheimen, um dort für Suizidangebote zu werben und ältere Menschen damit zu „versorgen“.
Zürich: Private Heime dürfen Zutritt verbieten
Zumindest für Zürcher Alters- und Pflegeheime in privater Trägerschaft wurde dies nun abgewehrt. Während Alterseinrichtungen mit einem Leistungsauftrag einer Gemeinde nun gezwungen sind, Sterbehilfe-Vereinen wie Dignitas und Exit Zutritt zu gewähren, hat der Zürcher Kantonsrat nun entschieden, dass private Träger Suizidhilfe in ihren Räumlichkeiten weiterhin verbieten können.
„Exit“ wirbt in Bus und Straßenbahn
Empörung über die Wende im Kantonsparlament äußerte unter anderem der für neue Klientel werbende Verein Exit. Der Sterbehilfe-Betreiber wirbt derzeit in Basel, Bern und Zürich in Bussen und Straßenbahnen für seine Suiziddienstleistungen. Angesichts erster Beschwerden von Fahrgästen berief sich ein Sprecher des Verkehrsunternehmens Bernmobil darauf, dass die Werbeflächen verpachtet und das Unternehmen somit nicht selbst für die Anzeigen zuständig sei. Dennoch behalte man sich vor, „beispielsweise Werbung für Alkohol, diskriminierende Werbung oder Werbung, die gegen andere rechtliche Vorschriften oder die guten Sitten verstößt, abzulehnen“ – wozu offenbar Werbung für Suizid-Beihilfe nicht zählt.
„Ursachen zu wenig im Blick“
Dass auch in Deutschland in der Sterbehilfe-Debatte die Prävention von Suiziden vernachlässigt werde, hat jüngst auch der Präsident der Bundesdeutschen Ärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, kritisiert. Zu einseitig sei die derzeitige politische Debatte auf die Verwirklichung eines Suizidwunsches ausgerichtet, erklärte Reinhardt in einem Bericht des Deutschen Ärzteblattes.
Die Hauptursachen von Suizidalität würden zu wenig in den Blick genommen, mahnt die BÄK. Etwa 90 Prozent der Suizide und Todeswünsche lägen psychische Erkrankungen zugrunde – insbesondere Depressionen. Untersuchungen zeigten, dass Depressionen und Vereinsamung einen starken Einfluss auf einen Suizidwunsch hätten.
Um diese Menschen müsse man sich speziell mit regionalen Angeboten kümmern, betonte Reinhardt. Anlässlich der bevorstehenden gesetzlichen Regelung zum assistierten Suizid in Deutschland dürfe keinesfalls Suizidprävention hinter Suizidhilfe zurückstehen.
(kap/kath.ch - mg)
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