WEF in Davos: „Menschen warten auf Lösungen“ - print - Vatican News
53. Ausgabe des World Economic Forum in Davos 53. Ausgabe des World Economic Forum in Davos 

WEF in Davos: „Menschen warten auf Lösungen“

Erstmals wieder nach zwei Jahren findet im Schweizer Skiort Davos das World Economic Forum (WEF) im Winter und in Präsenz statt. Diesmal ist zwar keine offizielle vatikanische Delegation dabei, doch eine katholische Stimme gibt es bei dem Treffen allemal: Der Pfarrer von Davos Kurt Susak freut sich über die Zusammenkunft der Politiker, Wirtschaftsleute und Kunstschaffenden.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Nach der Pandemie wieder in Präsenz - dieser Umstand und vor allem eine komplett veränderte globale Situation prägten das diesjährige WEF in Davos, sagt Pfarrer Susak in unserem Interview. „Überall hört man von Krisen. Die Welt befindet sich auch irgendwie im Krisenmodus.“ Angesichts von Herausforderungen wie Klimakrise, Finanzkrisen, Energiekrisen oder Lieferengpässen habe er den Eindruck, dass die Teilnehmer „ganz bewusst“ auf die Konferenz dieses Jahres setzten, „um Lösungen zu präsentieren“. Susak wörtlich: „Die Menschen warten hoffnungsvoll auf Lösungen in den weltweiten Konflikten und Krisen“.

Zum Nachhören - was der Pfarrer von Davos zum WEF sagt

„Dieses Weltwirtschaftsforum würde irgendwie auch seine Glaubwürdigkeit und seine Legitimation verlieren, wenn aus dieser Versammlung jetzt nicht spürbar auch Lösungen präsentiert werden, die für die Menschen erkennbar zu einer Verbesserung der vielen Konflikte und Herausforderungen führen“, meint der Pfarrer von Davos. Und dafür bete die katholische Gemeinde in dem Bündner Dorf auch während dieser Woche.

„Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt“

Das Motto des Weltwirtschaftsforums lautet „Zusammenarbeit in einer zersplitterten Welt“. Diese Zersplitterung erlebten wir alle „global und persönlich“, erläutert der Pfarrer. „Wir erleben auch Ängste, Zukunftsängste.“ In Bezug auf den Krieg Russlands gegen die Ukraine stehe die „reale Gefahr eines Dritten Weltkriegs“ im Raum. „Und von daher hat die Kirche hier eine ganz wichtige, zentrale und hoffnungsvolle Botschaft“, fügt Susak an. Es sei nämlich die Kirche, die sage: „Wir sollen die Einheit in Vielfalt leben, aber auch die Vielfalt dann in einer Einheit“. „Und dieses Ideal, dies begleiten wir von der Kirche in Davos auch mit unserem Gebet, das dringender notwendig ist denn je“, so Susak.

Vor 25 Jahren hatte eine damalige Davoser Pastoralassistentin ein „wunderbares Format“ ins Leben gerufen: das sogenannte Schweigen und Beten. „Es haben sich Menschen zusammengefunden, die genau in den Anliegen um gute Entscheidungen für eine gerechtere Welt im Frieden gebetet haben“, erläutert Susak. Und heute findet dieses Format „Schweigen und Beten“ unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Davos statt. „Katholiken, Reformierte und Freikirchen laden gemeinsam ein, an den Abenden zu beten, gemeinsam, um aus dem Evangelium heraus Lösungen zu suchen.“ Die Kirche in ihrer Vielfalt, in ihrer Moraltheologie, in ihrer Sozialethik habe in der Vergangenheit immer wieder „wunderbare Antworten“ auf die Herausforderungen der Zeit gefunden. „Die gilt es nur immer wieder auch ins Bewusstsein zu rufen“, sagt Susak.

WEF in Davos
WEF in Davos

Jedes Jahr hatte der Vatikan bisher zum Weltwirtschaftsforum auch Vertreter der Kirche entsandt. So waren die letzten Jahre während des WEF in Davos Kardinal Peter Turkson oder Kardinal Michael Czerny, einmal auch Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin dabei. In diesem Jahr ist es das erste Mal, dass der Vatikan keine offiziellen Vertreter oder Kardinäle nach Davos entsandt hat. „Das, finde ich, ist irgendwo auch ein Statement, das Rom hier dem Weltwirtschaftsforum entgegen bringt“, sagt Susak. „Vielleicht hängt es damit zusammen, dass Papst Franziskus in einer seiner letzten Botschaften an das WEF gesagt hat: Es ist alles gesagt, jetzt handelt, und darum geht es.“

Auch kritische Stimmen

Pfarrer Susak ist klar, dass das Treffen von Davos auch von kritischen Stimmen begleitet wird. Es sei alles überteuert; es gebe ein enormes Verkehrsaufkommen mit Staus, mit Wartezeiten; das übliche Leben, wie man das eigentlich hier gewohnt sei, finde während der WEF-Zeit wirklich „sehr, sehr eingeschränkt statt“.

„Zum anderen werden auch diese enormen Kosten in Frage gestellt, die ja mit dem Weltwirtschaftsforum verbunden sind - für den Bund, den Kanton, für die Gemeinde. Das große Sicherheitskonzept, das mit dem Weltwirtschaftsforum verbunden ist... ob sich das alles überhaupt lohnt, ob das notwendig ist und was denn letztlich das Ergebnis dieses jährlichen großen Treffens in Davos sein soll“, so Susak weiter.

Es werde kritisiert, dass vieles nicht transparent geschehe, dass vieles hinter verschlossenen Türen behandelt, diskutiert, besprochen werde und sehr wenig letztlich nach außen dringe. „Befeuert hat das Ganze sicher auch die Bucherscheinung The Great Reset. Dort gibt es Thesen, Meinungen, Theorien, die den Widerstand gegen die Elite, die sich beim WEF versammelt, befeuern“, erläutert der Pfarrer von Davos.

Die guten Seiten des WEF

Für einen Teil der örtlichen Bevölkerung habe das Ganze aber auch etwas Gutes. Das seien nämlich die Schulen, die während der Woche mehrere Tage Skifahren auf dem Stundenplan hätten. „Das macht den Schülerinnen und Schülern immer recht große Freude. Ich bin immer wieder begeistert, was die Davoser während des Festes auf die Beine stellen“, sagt Susak. Zuvor sei ja Weihnachten mit dem Weihnachts- und Skitourismus verbunden gewesen. „Vorher wird gearbeitet, wird vorbereitet, werden die ganzen Sicherheitsmaßnahmen organisiert, durchgeführt. Die Hotellerie, die Gastronomie, die Handwerksfirmen, alles arbeitet auf Hochtouren. Und das zeugt vom großen Zusammenhalt, den Davos hier präsentiert.“

Vom WEF zur „Economy of Francesco“: Pfarrer Susak erinnert daran, dass es bei dem Franziskus-Projekt unter anderem darum gehe, dass „eine Wirtschaft“ gefördert werde, die „dem Frieden dienen soll und nicht dem Krieg“. „Die Schöpfung bewahren und sie nicht ausplündern, also eine Wirtschaft, in der die Sorgfalt an die Stelle des Wegwerfens und der Gleichgültigkeit tritt“, erläutert Susak. In der das Finanzwesen ein Freund und Verbündeter der Realwirtschaft und der Arbeit und nicht ihr Feind sei, fügt er an. Dies sei keine Utopie. „Wenn jeder Einzelne das Seine dazu beiträgt, dann kann die Wirtschaft von heute und morgen eine Wirtschaft des Evangeliums werden“, so Pfarrer Susak. „Ich wünsche mir, dass dies in diesem WEF, in diesem herausfordernden Jahr, in dieser Zeitenwende bei all den Krisen möglich wird.“

(vatican news)

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18. Januar 2023, 10:59