Lackner zum Synodalen Prozess: Die Gottesfrage lebendig halten
Zugleich habe es keine Konfrontationen mit Gewinnern und Verlierern gegeben. Das hätte aber auch dem Wesen der Synode widersprochen. Ein Stimmungsbild für die Weiterarbeit liege jedenfalls vor. Eines sei ihm aber bei allen Reformdiskussionen besonders wichtig: „Wir müssen die Gottesfrage lebendig halten“, betonte der Erzbischof. Vielleicht sei es gerade seine Aufgabe, immer wieder mahnend darauf hinzuweisen.
Im Blick auf das Spannungsfeld zwischen jenen, die auf Reformen drängen und jenen, die zurückhaltend sind oder gar davor warnen, verwies Lackner einmal mehr auf das bekannte Fresko in der Basilika San Francesco in Assisi, welches ein Traumbild von Papst Innozenz III. zeigt: Die Lateranbasilika - Mutter aller Kirchen - ist dem Einsturz nahe, doch ein armer und bescheidener Mann - der hl. Franziskus - stütze sie mit seiner Schulter, damit sie nicht zusammenfällt. Dieser Akt des Stützens sei auch ein Akt des Dagegenhaltens und umgekehrt, betonte Lackner. Es gehe beim Dagegenhalten nicht um ein Verhindern, sondern um ein Stützen für die Zukunft der Kirche. Das habe er auch in Prag so erlebt.
Auf die anstehende Weltsynode in Rom im kommenden Herbst mit Papst Franziskus setze er jedenfalls große Hoffnungen. Allein schon die europäische kirchliche Vielfalt und Bandbreite, die in Prag zutage kam, sei beeindruckend gewesen. Um wie viel mehr werde dies dann erst in Rom sein.
Europa als Teil der Weltkirche sehen
Was er schon vor der Europa-Synode gesagt habe, gelte nach wie vor: Österreich wie auch Europa seien nur ein Teil der Weltkirche. Für Österreich wie auch Europa gelte deshalb: „Wir müssen andockfähig und ergänzungsbedürftig bleiben. Wo sind wir mit unseren Anliegen andockfähig auf Ebene der Weltkirche, wo können wir andererseits von anderen Regionen lernen?“ Die Frage stelle sich allerdings auch umgekehrt: „Wo ist Rom andockfähig und ergänzungbedürftig. Was können Landeskirchen einbringen, was Rom nicht hat?“
Lackner unterstrich auch einmal mehr, dass er persönlich vom Synodalen Prozess zutiefst überzeugt sei. Nicht nur auf Kontinental- oder Weltebene, sondern auch im Bereich der Diözesen oder auch bis in die Pfarren hinein. Er habe den bisherigen Prozess auf lokaler Ebene, auch in seiner Erzdiözese Salzburg, als sehr bereichernd erlebt.
Dass nun im zweiten Teil der Synodalversammlung die Bischöfe nochmals eine Extra-Runde drehen, sei eigentlich selbstverständlich. Die Kirche sei sowohl synodal als auch hierarchisch verfasst. Beides gehöre zusammen. Und so brauche es letztlich auch Verbindlichkeiten. Anders ausgedrückt: „Das Hören muss auch zum Gehorsam werden.“
Synode ist kein Kirchenparlament
Eine Synode sei kein Kirchenparlament, so der Erzbischof weiter. Dies widerspreche auch dem Wesen der Kirche bzw. dem Christentum. Nachsatz: „Wenn ich auf den Heiligen Geist vertrauen, dann muss man schon die Frage stellen, ob nicht auch die Minderheit recht haben kann.“ Freilich könnte es auch andres herum sein.
Auf die Glaubwürdigkeit der Kirche angesprochen, wies Erzbischof Lackner auf zwei Dimensionen hin. Zum einen gehe es darum, Glaubwürdigkeit, die etwa auch durch die kirchliche Missbrauchskrise verloren ging, wiederzugewinnen. „Das ist eine wesentliche Aufgabe auch für uns Bischöfe.“
Ihn dränge aber genauso die Frage nach der „Glaubwürdigkeit des Evangeliums“. Anders gesagt: „Für viele Menschen hat das Evangelium heute an Glaubwürdigkeit verloren. Die Menschen haben gelernt, über weite Strecken ganz gut auch ohne Gott auszukommen. Wer hat noch Sehnsucht nach der Auferstehung?“ Und noch drastischer formuliert: „Der Nihilismus steht vor der Tür.“ Er habe Sorge vor dieser Entwicklung, „dem müssen wir uns stellen“, so der Vorsitzende der Bischofskonferenz. Lackner verwies in diesem Zusammenhang auch auf besorgniserregende Entwicklungen in der Gesellschaft wie den assistierten Suizid. Für ihn ist klar: "Wir müssen die Erinnerung an Gott wachhalten.“
Österreichische Kirche kann viel einbringen
Die österreichische Kirche habe in die Weltsynode etwa durchaus bedeutsame Erfahrungen im Blick auf die Säkularität einzubringen, so Lackner weiter. Freilich teile er nicht die Meinung einiger Teilnehmer in Prag, wonach Gott die Säkularität liebt. Jedoch: „Er lässt sie zu“, so der Erzbischof in Anspielung auf das biblische Gleichnis vom verlorenen Sohn. Der Vater lasse den Sohn ziehen und warte sehnsüchtig auf dessen reumütige Rückkehr. Nachsatz: „Auch wir müssen den Weg zurück finden.“
Er stehe möglichen Reformen in der Kirche durchaus offen gegenüber, zugleich gelte es aber immer, das Ganze zu bedenken, so Lackner; vor allem, wenn schwere Einschnitte in das Lehrgebäude der Kirche angedacht werden. Der Erzbischof Lackner verwies in diesem Zusammenhang auf ein Bild, das der emeritierte Bischof von Graz, Egon Kapellari, verwendete: Es könne durchaus sein, dass man in einen großen Teppich auch eine Öffnung machen muss, aber zugleich müsse man auch die Reißfestigkeit des Ganzen neu bedenken. Das fehle ihm in so manchen aktuellen Reformdebatten, so der Erzbischof, gehöre aber ebenso zur Synodalität.
Und nochmals zurück zur Gottesfrage: Lackner erinnerte an seinen Besuch in der Ukraine im vergangenen Sommer. Auf einem Soldatenfriedhof in Lemberg habe er eine Frau getroffen, die das Grab ihres gefallenen Sohnes besuchte. Eines von unzähligen Gräbern. Der Anblick dieser Frau im Regen am Grab habe ihn innerlich zutiefst erschüttert und zugleich die tiefe Sehnsucht nach der Auferstehung erlebbar gemacht, so Lackner.
Erzbischof Lackner nimmt noch bis Sonntag am zweiten Teil der europäischen Kontinentalversammlung in Prag teil. Die 39 Vorsitzenden aller Bischofskonferenzen in Europa beraten nochmals über die bisherigen Ergebnisse der Synode.
(kap – mg)
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