Erzabt Birnbacher: Orden leben Synodalität
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Herr Erzabt, Ordensgemeinschaften haben einen alten und reichen Schatz des Miteinandergehens, der Synodalität. Wie kann das auf die Weltkirche ausstrahlen?
Erzabt Birnbacher: Der Unterschied zwischen einer Ordensgemeinschaft und einem Betrieb, wenn man so will, oder einer Firma, ist ja der, dass wir eine Lebensgemeinschaft sind. Das heißt, ich muss mit dem Mitbruder, mit der Mitschwester, die anderer Meinung ist, trotzdem unter einem Dach leben und muss sie annehmen, auch wenn ich nicht deren Meinung übernehmen kann, aus Gewissensgründen oder was auch immer. Ich denke, das ist ganz wesentlich, dass man nicht einfach nur auf einer geistig intellektuellen Ebene versucht, ein Problem zu klären und ein möglichst eindeutiges Votum herbeisehnt. Das ist Wunschdenken, aber wir müssen eben mit dem Kompromiss leben, und zwar so, dass der jeweils andere auch leben kann.
Sie waren in Prag Beobachter bei der Europa-Versammlung der Weltsynode. Bei dieser Synode, die Papst Franziskus als Weg konzipiert hat, geht es um das Einüben einer Haltung des Hörens. Nun sind aber in Europa viele Gläubige, denen das Gehörtwerden nicht genügt, sie wollen gerne Bewegung in bestimmten Sachfragen. Ein Spannungsverhältnis?
Erzabt Birnbacher: Etwas, was mir als Benediktiner natürlich sehr vertraut ist: Das erste Wort der Benediktsregel heißt „Höre“, und das letzte Wort der Regel des heiligen Benedikt heißt „Pervenies“, damit du ankommst. Also der Weg vom Hören zum Ankommen, zu einer konkreten Entscheidung. Das müsste natürlich in einem anderen Forum, das auch befugt ist, Entscheidungen zu treffen, diskutiert werden. Im Moment ist es eher die Debatte, die intellektuelle und spirituelle Auseinandersetzung mit einem Thema, das unterschiedlich wahrgenommen wird und bei dem auch legitim ist, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Die Kirche hat ja nicht die Befugnis, etwas einfach durchzusetzen. Wir müssen einen Konsens finden.
Und wie?
Erzabt Birnbacher: Das ist für mich die große Herausforderung, dass das im Geist des Evangeliums, im Geist Jesu Christi und natürlich auch der Tradition der Kirche geschieht. Und damit meine ich nicht die vielen kleinen Traditionen, die uns so dominant und lieb im Wege stehen, sondern das große Ganze: auf das zu hören und das in einer versöhnten Verschiedenheit annehmen zu können. Dass ich niemanden überfordere oder überrolle.
In Österreich sind fast 200 Ordensgemeinschaften vertreten. Sie haben da eine innovative Stiftung gegründet, die auch im Vatikan gelobt wird: das Institut der Orden. Was ist das?
Erzabt Birnbacher: Das ist eine Stiftung, die vor allem den Immobilienbesitz von Klöstern und von Gemeinschaften, die am Aussterben sind, gemeinsam zentral verwaltet. Vom Ertrag, der dort erwirtschaftet wird, werden die eigentlichen Werke, wofür diese Orden einmal gestanden haben, finanziert und ermöglicht. Wir haben vor gut zehn Jahren damit begonnen, das mal durchzudenken, Statuten zu erstellen. Die wurden auf fünf Jahre zunächst von der damaligen Religiosenkongregation zugelassen und vor zwei Jahren mittlerweile schon dann definitiv erlassen. Und wie wir von unseren Gesprächen auch mit dem Kardinal und dem Erzbischof am Dikasterium für das Geweihte Leben rückgemeldet bekommen haben: Das sei ein sehr gutes Modell, das zumindest für Europa, wenn nicht für die ganze Welt, maßgebend sein könnte.
Was ist das Wegweisende daran?
Erzabt Birnbacher: Es ist eine fantastische Sache, dass Kirchenbesitz Kirchenbesitz bleibt, Ordensbesitz Ordensbesitz bleibt, und nicht irgendwelchen Immobilienhaien in den Rachen geworfen wird. Klöster haben ja oft sehr schöne Standorte gehabt und es ist ganz wesentlich, dass diese Klöster – zum Beispiel in den Zentren von Städten – nicht total dem Kommerz unterworfen sind, sondern hier etwas ermöglicht wird, was der Allgemeinheit und natürlich auch der Kirche zugutekommt.
Herr Erzabt, wie erklären Sie sich, dass in einem Land wie Österreich, im säkularisierten Europa überhaupt, Klöster nach wie vor als spirituelle Kraftwerke empfunden werden?
Erzabt Birnbacher: Es sind immer schon besondere Kraftorte gewesen, wo sich klösterliche Gemeinschaften angesiedelt haben und wo auch oft über Jahrhunderte – und im Fall meines eigenen Klosters über 1300 Jahre - gebetet wurde. Das merkt man den Mauern an: Das sind durchbetete Wände. Aber es ist natürlich auch die große Sehnsucht, all derjenigen Menschen, die versuchen, in ihrem Leben Gott zu suchen. Es sind Orte oder Inseln, für manche vielleicht auch Gottesburgen, wo das Christsein exemplarisch gelebt werden kann. Damit meine ich nicht besser oder perfekt, sondern einfach authentischer. Natürlich auch mit Schwächen und mit Defiziten. Aber wo man erkennen kann: Ja, hier ist ein Ort, wo Gott gesucht wird. Und das braucht diese Zeit, diese Gesellschaft, dringender denn je.
(vatican news – gs)
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