Sr. Neloumta aus Gabun: Afrika verstehen, wie es der Papst tut
Von Antonella Palermo
Gabun im zentralen Westafrika ist eines der sechs Länder im Einzugsgebiet des Flusses Kongo – einem Gebiet, das mit 88 Prozent Bewuchs als eine der am weitesten ausgedehnten grünen Lungen des Planeten gilt. Deshalb fand just Anfang März in seiner Hauptstadt Libreville der One forest summit statt – unter Schirmherrschaft des französischen Präsidenten Macron, der auch die anderen vier Staaten des südlichen Teils von Zentralafrika besucht hat. An dem Gipfel haben Staatsoberhäupter aus Lateinamerika und aus Südostasien teilgenommen.
Dort wurde hervorgehoben, dass der Schutz der Wälder und die wirtschaftliche Entwicklung der Länder der entsprechenden Gebiete nicht zueinander in Kontrast stehen. Dem Zustand nach zu urteilen, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt, scheint es allerdings schwierig, die Lage zu kontrollieren. Es wird also zu Recht befürchtet, dass die Sorgen, die der Papst auf seiner jüngsten Afrikareise geäußert hat, kein Gehör gefunden haben
„Die Kluft zwischen Arm und Reich ist viel zu groß“
Davon scheint auch Schwester Paola Neloumta, Provinzialin der Barmherzigen Schwestern der Hl. Jeanne-Antide Thouret, überzeugt zu sein: „Die Kluft zwischen Arm und Reich ist viel zu groß“, erklärt sie. Sie betont, dass die Missionarinnen in der Schule versuchen, den Jugendlichen zu helfen, indem sie ihnen verständlich machen, „dass man kämpfen muss, dass man eine andere Lösung für die Armut finden muss statt zu resignieren.“
Sr. Paola weist darauf hin, dass Gabun vor zwanzig Jahren unter die bestentwickelten afrikanischen Länder gerechnet werden konnte, „aber in letzter Zeit gab es eine sehr starke Krise.“ Die Bevölkerung ist entlang der Küste konzentriert. Dort lebt auch die winzige Gemeinschaft der Schwestern. Die Mission ist hier 2001 entstanden: die erste Niederlassung war an einer Lagune, an die keine andere Gemeinschaft gehen wollte. Dann zog sie nach Port Gentil um, wo sie eine Gemeindeschule leitet, für die Caritas arbeitet und in einer katholischen Schule unterrichtet.
Die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten
„Der Rückzug der Franzosen hat das Land geschwächt“, stellt sie fest. „Man war nicht auf diese Lücke vorbereitet, und jetzt sind die Chinesen da, auch einige Spanier. Jeder versucht, sich das zu nehmen, was ihm selber dient, ohne Rücksicht auf die ortsansässige Bevölkerung“, klagt sie. „Derzeit ist Gabun nicht in der Lage, auf eigenen Füßen zu stehen. Die Armut ist auf eine gewaltsame Art und Weise hereingebrochen. Meines Erachtens wäre eine Regierung nötig, die sich um das Wohl der Menschen kümmert, unabhängig von jeglicher Korruption gegenüber der Außenwelt“, beanstandet sie.
In ihren Worten ist nicht so sehr eine Form der Nostalgie erkennbar als vielmehr eine Feststellung des fehlenden sozialen Wachstums parallel zum Verschwinden ausländischer Interessensvertretungen. Sr. Paola erzählt uns vom Tschad, ihrer Basis, „wo die Lage auch aufgrund der politischen Instabilität um einiges schlimmer ist.“ Sie erinnert an die tragischen Ereignisse im Oktober des vergangenen Jahres, mit einer verheerenden Überschwemmung und stark unterdrückten Demonstrationen gegen den Machtwechsel im Tschad. Doch sie ist zuversichtlich: „Wir denken, dass Gott uns trotz allem Bösen nicht im Stich lässt.“
Die Stärke der Frauen und die Solidarität der Armen untereinander
Und sie betont, dass „die Stärke in den Frauen und in der Solidarität unter den Armen liegt. So waren beispielsweise diejenigen, die bei der Überschwemmung die Häuser verloren haben, die ersten, die in die Kirche gegangen sind und Bescheid gegeben haben, dass sie bereit sind, Evakuierte aufzunehmen.“
Neue Krisenherde
In Gabun arbeitet die Ordensfrau, die in der Schule unterrichtet, auch in der Jugendpastoral. „Es herrscht eine Krise, die die Familien zerstört, die sehr viel Gewalt freisetzt“, erläutert Sr. Neloumta. „Es gibt viel zu tun, wir sind nur wenige.“ Ihr aufs Wesentliche beschränkter, zugleich aber auch konkreter Bericht rückt auch ein „neues“ Phänomen ins Licht, das viele Fragen aufwirft: „Viele Jugendliche werden ‚verrückt' und leben auf der Straße. Es ist ein Schock, Leute zu sehen, die ganz wörtlich den Kopf verlieren. Die Ordensfrauen versuchen, gemeinsam mit den Laien etwas zu tun, aber es ist schwierig, es scheint tatsächlich das Signal zu sein, dass etwas im Land nicht stimmt.“ Sr. Paola berichtet von Sekten, die präsent sind und die „vor allem bei den Jugendlichen viel Erfolg haben, sie verführen.“
Sie spricht von einem Zustand der Orientierungslosigkeit, der gerade durch Gruppierungen, die das Gewissen manipulieren, angeheizt wird – mit schwerwiegenden Folgen sozialer Destabilisierung. Es handelt sich um ganz heikle Situationen, zu denen noch die Spuren des Menschenhandels hinzukommen, der „eine große Narbe hinterlassen und auch innerhalb des Landes Hass gesät hat zwischen denen, die an der Küste, und jenen, die im Landesinneren leben.“ In diesem Zusammenhang erklärt die Ordensfrau, dass die Menschen, die versklavt werden sollten, von denen, die es geschafft hatten, ‚Freunde' der Menschenhändler zu werden, aus den Binnengebieten des Landes geholt wurden.
Sr. Neloumta: Der Papst hat Afrika verstanden – tun Sie es auch, das ist gut für uns
Die Erinnerung an Papstbesuche in so nahegelegenen Ländern wie der Demokratischen Republik Kongo ist noch sehr lebendig: „Ganz Afrika, vor allem die Teile südlich der Sahelzone, fühlte sich dem Papst nahe“, so die Ordensfrau. „Wir haben gespürt, dass es jemanden gibt, der uns versteht. Jetzt wissen wir besser, dass unsere Bodenschätze uns schaden, es ist ein Paradox. Als er gesagt hat: ‚Hände weg von Afrika', da hat uns dieser Satz sozusagen von jemandem befreit, als hätte er uns die Kraft geschenkt, den Kopf zu heben. Es stimmt, wir waren diejenigen, die ihn willkommen geheißen haben, aber in Wirklichkeit war er es, der uns willkommen geheißen hat. Wir sehen, dass er der Kirche in Afrika viel Aufmerksamkeit schenkt, und das tut uns sehr gut. Wir geweihten Menschen, die Priester, die Bischöfe müssen hier weiter unser Zeugnis für Christus ablegen. Man muss sich auch ein wenig selbst läutern, und das tut uns sehr gut.“
Der Appell, der immer wieder erklingt, lautet: „Sich bemühen, Afrika zu kennen, ein Wort des Trostes zu sagen“, wiederholt sie. „Unsere Medien sagen nicht alles, aber wenn jemand über uns berichtet, dann sehen wir, dass wir nicht allein sind.“
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