Deutsches Forschungsprojekt ergründet Frage christlicher Identität
Ausgangspunkt ist die Beobachtung, dass biblische Texte offenbar zwischen der christlichen Botschaft einerseits und dem gesellschaftlichen Umfeld ihrer (und jeder anderen) Zeit andererseits vermitteln. Angesiedelt ist das Projekt „Culture - Bible - Identity“ an der TU Dortmund, verantwortlich ist die dort lehrende Professorin für Neues Testament Beate Kowalski. Wir sprachen mit ihr.
Beate Kowalski: Es geht bei diesem Projekt um die Sichtweise auf Bibeltexte aus verschiedenen Kulturen. Wir arbeiten zusammen mit Exegeten, Exegetinnen und Fachleuten der Bibelpastoral aus verschiedenen Kulturen, um herauszuarbeiten, was christliche Identität ausmacht, und gerade der Blick aus den verschiedenen kulturellen Perspektiven wird die Vielfalt der Auslegungen noch einmal deutlich machen.
Welchen kulturellen Horizont hat das Projekt? Gibt es konkrete Standorte oder Kulturen, die in Ihrem Forschungsvorhaben involviert sind?
Beate Kowalski: Das Projekt ist global angelegt. Wir werden mit Kolleginnen und Kollegen aus Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika, Australien, Amerika, aus allen Kulturen, zusammenarbeiten, die Interesse haben, bei uns dabei zu sein.
Welche Bedeutung kann das Nachdenken über christliche Identität und Bibel heute haben? Vor allem, wenn wir auf die Anliegen der Weltsynode schauen?
Beate Kowalski: Aus weltkirchlicher Sicht gibt es ja ganz unterschiedliche pastorale und theologische Schwerpunkte. Eigentlich ist diese Diversität die Norm. Es gibt ja keine Einheitstheologie oder Einheitspastoral, weil Menschen in so verschiedenen Kulturen und Kontexten leben. Und da stellt sich dann natürlich umso mehr die Frage, was christliche Identität ausmacht. Gibt es so etwas wie eine Einheitsidentität? Gibt es Gemeinsamkeiten? Und wir haben da als Bibelwissenschaftlerinnen und Bibelwissenschaftler ganz schnell festgestellt: Das sind Fragen, die schon im Neuen Testament von Anfang an dabei gewesen sind.
Was wäre denn Ihre Arbeitshypothese zum Thema? Gibt es denn so etwas wie eine christliche Identität, die unabhängig ist von Kulturen, die also Kulturen übersteigt oder vereint?
Beate Kowalski: Ich würde die Frage mit Nein beantworten. Wenn ich zum Beispiel die Apostelgeschichte im Neuen Testament lese, dann kann ich eine Dynamik erkennen. Dann kann ich vielfältige Antworten auf die Frage erkennen: Was macht christliche Identität aus? Wenn man etwa das Pfingstereignis liest mit den Menschen aus den verschiedensten Kulturen oder die Begegnung des Philippus mit dem Äthiopier oder das Apostelkonzil, dann kann man sehen, wie durch Konflikte hindurch und durch immer wieder neue Herausforderungen die christliche Identität erst geformt wird. Insofern würde ich nie von einer Einheitsidentität sprechen, sondern von Identitätsmarkern, von Identitäten, die im Wachsen sind und nie vollständig ausgebildet sind.
Und was ist dann das, was christliche Glaubende in aller Welt vereint?
Beate Kowalski: Ich denke, das ist das Kern-Kerygma, die Frage nach Jesus Christus, die Frage nach seiner Passion und Auferstehung, die Frage nach der Christologie: Das ist etwas, das uns sicherlich eint. Aber auch da müssen wir klar haben, dass es unterschiedliche Sprachen und unterschiedliche Antworten gibt auf die Frage: Wer ist dieser Jesus?
Die Fragen stellte Gudrun Sailer.
2024 wird den Planungen zufolge eine Internationale Konferenz zum Thema stattfinden, deren Beiträge in einer wissenschaftlichen Publikation gebündelt werden. Während der Konferenz sollen Arbeitsgruppen entstehen, die dann auf der Grundlage der wissenschaftlichen Beiträge online bibelpastorale Materialien für interkulturelles Lernen erarbeiten. Die Ergebnisse werden im Open Access weithin zugänglich gemacht.
(vatican news – gs)
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