Afrika-Klimagipfel in Nairobi: „Vielversprechende Positionen“
„Der afrikanische Kontinent möchte Verantwortung übernehmen innerhalb der Klimakrise. Und um das zu tun, müssen eben verschiedene Rahmenbedingungen festgelegt werden“, so Wörner mit Blick auf die Erklärung der afrikanischen Staaten, die an diesem Mittwoch nach dreitägigen Beratungen in Nairobi vorgestellt wurde. Dabei zeige sich der afrikanische Kontinent als ebenbürtiger Verhandlungsführer neben „klassischen Akteuren“ wie der EU oder den Vereinigten Staaten von Amerika und lege „ein starkes Selbstbewusstsein“ an den Tag.
„Sie sagen, sie nehmen die Klimakrise ernst. Und Klimaschutz ist eine Entwicklungsstrategie, die sie voranbringen wollen. Sie bekennen sich zu erneuerbaren Energien - und das vor allem durch konkrete Ziele wie beispielsweise, dass es eine Zunahme des Anteils an erneuerbaren Energien um mindestens 300 Gigawatt bis 2030 in Afrika geben muss.“
Klimaschutz als Entwicklungsstrategie
Zur Veranschaulichung: Aktuell stehen 56 Gigawatt zur Verfügung, während Berichte mit Stand 2020 besagen, ein 100prozentiger Zugang zu erneuerbaren Energien wäre mit 190 Gigawatt zu erreichen – mit Blick auf das rapide Bevölkerungswachstum in Afrika müssten also zunächst die G7-Staaten erreicht werden. Ein Hinweis darauf, dass in Afrika Klimaschutz und Entwicklungsfragen zusammengedacht werden, meint Wörner:
„So gibt es eine Forderung nach 600 Milliarden € für den Ausbau von erneuerbaren Energien, um 600 Millionen Menschen, die derzeit keinen Zugang zu erneuerbaren Energien oder allgemein Energiezugang haben, zu erreichen.“
Dies sei „entscheidend“ angesichts der Tatsache, dass von den internationalen Investitionen von 3 Billionen Dollar in erneuerbare Energien „nur“ 60 Milliarden, also unter zwei Prozent der Gesamtsumme, nach Afrika gingen – dem Kontinent mit der größten Energiearmut.
Klare Forderung nach Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen
„Ein anderer Punkt ist die klare Forderung nach Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen und konkreten Investitionen, beispielsweise durch eine neue globale Steuer zur Finanzierung des Klimaschutzes. Das ist ein neuer Aspekt, der durch Staats- und Regierungschefs der afrikanischen Länder aufgebracht wird.“
Insbesondere im Vorlauf zur kommenden Weltklimakonferenz in den Vereinigten Arabischen Emiraten fordert Afrika die Einführung einer globalen Kohlenstoffsteuer, wobei besonders fossile Brennstoffe, der Seeverkehr und die Luftfahrt zur Kasse gebeten werden sollten, um die dabei erhobenen Gelder in den Klimaschutz leiten zu können. Vom 30. November bis zum 12. Dezember wird die Klimaversammlung COP28 in Dubai stattfinden.
„Und noch ein anderer Aspekt ist der Schuldenerlass. Damit wird anerkannt, dass es ein historisch gewachsenes Ungleichgewicht gibt zwischen dem afrikanischen Kontinent, der ja unglaublich reich an Ressourcen und Mineralien und Rohstoffen ist, aber eben arm gemacht wurde. Und da gibt es die Forderung, dass Schulden erlassen werden, außerdem nach einer eigenen Charta zur globalen Klimafinanzierung bis 2025 und auch, dass Staaten, die in einen Zahlungsausfall geraten, neue Konditionen bekommen, beispielsweise eine 10-jährige Tilgung, tilgungsfreie Zeiten oder Laufzeitverlängerungen. Insgesamt würde ich das so einschätzen, dass der afrikanische Kontinent sich hier sehr selbstbewusst zeigt. Es ist unglaublich beeindruckend zu sehen, dass eine gemeinsame Meinung gefunden wird und auch konkrete Forderungen an die Weltgemeinschaft und vor allem die Hochemittenten zur Finanzierung gesetzt werden.“
Wichtige Beteiligung der Zivilgesellschaft
Afrika müsse dabei trotz der Konflikte in einzelnen Regionen als Verhandlungspartner ernst genommen werden, appelliert Wörner, wobei der Dialog auf Augenhöhe und die Einbeziehung der Zivilgesellschaft entscheidend seien.
„Im Vorlauf zu dem Gipfel gab es auch die Africa Renaissance Konferenz, ein African People's Summit, in dem sich tatsächlich einige Partner von Misereor zusammengetan und schon mal überlegt haben, was ihre Forderungen für diesen Gipfel seien. Und da haben sie ganz entscheidende rote Linien gezogen, beispielsweise zur Partizipation, oder eine Absage an Technologien, die sie als riskant einordnen, wie beispielsweise Geo-Engineering, also beispielsweise der Einsatz von Technologien, die Kohlenstoff einfangen und in die Erde zurückbringen oder andere Abfallprodukte produzieren. Und auch, dass es darum geht, den Ausstieg aus dem Fossilen voranzubringen.“
Denn der afrikanische Kontinent stehe in einer gewissen Art und Weise an einem Scheideweg, wo es darum gehe, weiter die fossilen Ressourcen auszubeuten oder den Weg der erneuerbaren Energien zu gehen. Letzteres sei jedenfalls die Forderung der Zivilgesellschaft, die dringend involviert werden müsse, meint Wörner: „Und das ist wichtig: dass sie involviert ist, dass sie gehört wird und auch in den Entscheidungs- und Partizipationsmethoden gesehen wird.“
Konkret hatten sich die Akteure der Zivilgesellschaft direkt am ersten Konferenztag zu einem Streikmarsch organisiert: „Und da hat man wirklich die Vielfalt und auch die Heterogenität der Zivilgesellschaft auf dem afrikanischen Kontinent gesehen. Und es ist wichtig, da zuzuhören, zu involvieren, aber auch in der Umsetzung mit zu unterstützen.“
Und auch die Positionen, die es nun bei dem afrikanischen Klimagipfel in die Abschlusserklärung geschafft hätten, seien „ziemlich vielversprechend“, meint die Energie- und Klimareferentin von Misereor, wobei eine stabile Finanzierung für den Ausbau erneuerbarer Energien und deren Entwicklung unerlässlich sei. „Schuldenerlass ist wirklich auch ein wichtiges Themenfeld, so wie die Abkehr der fossilen Energien, auf die sich die Verfasser der Erklärung geeinigt haben. Sie schreiben, dass sie auf jeden Fall das Ende der fossilen Energien haben möchten und sich auch von Investitionen in fossile Energien trennen möchten. Das ist ja schon mal ein großer Fortschritt. Und ich glaube, da ist es auch wichtig, dass Doppelmoral oder Interessen aus dem Ausland an dieser Stelle nicht falsch intervenieren.“
Verhandlungen auf Augenhöhe
Ein weiterer wichtiger Punkt für die Partner vor Ort: Der Aufbau und die Verankerung von Wertschöpfungsketten, von denen auch die lokale Bevölkerung profitieren könne, wiederholt Wörner eine zentrale Forderung von Misereor und anderen Hilfswerken. So könne beispielsweise eine Solarindustrie geschaffen werden, mit der dem bislang dominierenden Extraktivismus und „Rohstoffhunger“ der großen Produzenten ein Riegel vorgeschoben werden könnte.
„Das ist ein ganz entscheidender Punkt bei diesem Gipfel, der von den hoch emittierenden Ländern spricht, also den Ländern, die hauptsächlich einen Beitrag leisten zur globalen Erderhitzung. Und das sind nämlich nicht nur historische Länder wie beispielsweise Europa oder die Vereinigten Staaten von Amerika, dazu gehören auch China und Indien. Und genau an diese Staaten richtet sich auch die afrikanische Gemeinschaft in ihren Forderungen, dass auch sie beitragen müssen. Dazu gehört beispielsweise die zur Finanzierung, aber gefordert werden auch Partnerschaften und ein Zurücktreten von kolonialer Haltung, Partnerschaften auf Augenhöhe, um genau diesem Extraktivismus und dem Rohstoffhunger, der historisch gewachsen ist, nicht noch mal zu vertiefen.“
APRA: Eine konkrete Initiative
Eine erste konkrete Initiative ist jedenfalls mit der Accelerated Partnership for Renewable Energy in Africa (APRA) direkt auf dem Gipfel entstanden: Partner wie der Solarproduzent Arina und Global Player wie die Vereinigten Arabischen Emirate als Austragungsort des nächsten COP-Gipfels, Kenia, Dänemark und Deutschland haben sich damit auf ein neues Format der Energiepartnerschaften zum Ausbau der erneuerbaren Energien auf dem afrikanischen Kontinent geeinigt.
„Da geht es darum, dass es auf der einen Seite Investitionspakete für erneuerbare Energien und Seltene Erden gibt, technische Unterstützungsmethoden, aber auch Capacity Building, um die Zivilgesellschaft besonders einzubeziehen.“ Bei diesem zentralen Projekt gehe es auch um die Partizipation des Privatsektors, schließlich könnten die für eine flächendeckende Stromversorgung mit erneuerbaren Energien nötigen enormen Summen nur durch massive nicht-staatliche Investitionen zusammengetragen werden, erläutert Wörner abschließend:
„Und deshalb ist es ein wirklich gutes und wirksames Instrument, was da jetzt neu geschaffen wurde. Die konkrete Ausgestaltung ist natürlich in den nächsten Monaten und Jahren zu definieren. Und da zeigt sich natürlich auch noch mal das entscheidende Detail, wie das dann genau aussieht...“
(vatican news - cs)
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