Unser Sonntag: Das Prophetenschicksal
Markus Stefan Bugnyár
Mt 16,21-27 22. Sonntag im Jahreskreis A
Petrus weiß sehr wohl, was Jesus ihm und den anderen Aposteln sagen möchte. „Das soll Gott verhüten, Herr, das darf nicht mit dir geschehen.“ Was meint er denn mit diesem „das“, das nicht mit ihm geschehen soll?
Jesus selbst beantwortet die Frage am Beginn dieses Evangeliums. Hier heißt es: „Jesus erklärte seinen Jüngern, was dieses, „das“ denn nun ausmacht.“
Gerade im Land der Bibel lohnt es immer, einen Blick in das Griechische der Bibel zu werfen, das unserer Übersetzung des Evangeliums zugrunde liegt. Denn wir glauben womöglich, dass diese Aussage „Jesus erklärt seinen Jüngern“, eine primär intellektuelle Angelegenheit meine. Etwas wird erklärt, sodass ein vernunftbegabter Mensch Kraft seiner ratio es auch verstehen kann.
Das ist zwar nicht falsch, ganz richtig aber auch nicht, denn, im griechischen Text geht es mehr um ein Demonstrieren, ein Zeigen, ein Hinweisen darauf, dass das Schicksal Jesu, hier auf Erden, dem Schicksal der anderen Propheten des Alten Bundes entspricht, ja entsprechen muss.
Das Prophetenschicksal...
„Er müsse nach Jerusalem gehen.“ Nun, aus den biblischen Texten kennen wir ein sogenanntes Prophetenschicksal.
Prophet, Knecht, Gesandter Gottes; aus dem Griechischen kommend, eigentlich ein Apostel (von „abgesandt werden“ von „Apostello“; gesandt von Gott hin zu den Menschen.) Ein Prophet ist nichts anderes als ein solcher Apostel.
Wenn nun Jesus sich als wahrer Prophet Gottes, ein von Gott Kommender, erweisen möchte, dann liegt es in der Natur der Sache, dass auch sein Lebensschicksal dem der anderen Propheten vor ihm entsprechen muss - mit dem Unterschied, dass er nun nicht ein Knecht, wie die anderen vor ihm, wie die vielen Knechte vor ihm, sondern dass er der Sohn ist, der einzig geborene, der einzig geliebte Sohn, also in einer anderen Qualität von Beziehung zum Vater steht, als es die Propheten vor ihm getan haben.
...erfüllt sich in Jerusalem
Und dennoch aber gibt es eine Matrix des Biblischen, gibt es Kriterien, die dem Volk Gottes helfen, das Erscheinen Jesu Christi richtig einzuordnen: Er müsste nach Jerusalem gehen. Denn hier erfüllt sich das Schicksal aller Gesandten Gottes; hier, in der Hauptstadt des Landes, da wo der Tempel steht, da kommt der Weg eines wahren Propheten immer zu jeder Zeit zur Vollendung.
Zentrum des Reiches
Das mag auch ganz praktische Gründe haben, denn hier in Jerusalem versammelt sich das Volk Gottes immer wieder regelmäßig, anlässlich der wiederkehrenden Wallfahrtsfeste; hier befindet sich das Gros eines intellektuellen Zentrums, das Gros der Schriftgelehrten und des religiösen Establishments. Wenn man also Wirkung entfalten wollte auf das gesamte Volk, dann stellt man sich nicht in irgendein Eck des Landes, sondern ins Zentrum des Reiches.
Ankündigung des Leidens
Jesus müsse also nach Jerusalem gehen und von den Ältesten, den hohen Priestern, den Schriftgelehrten vieles erleiden. Im Nachhinein natürlich, für uns Heutige, die diesen Text lesen und hören, klingt das sehr nach dem Ende des Lebens Jesu hier in Jerusalem, nach dem Prozess Jesu, der ihn rechtskräftig verurteilt, um letztlich am Kreuz zu leiden und zu sterben.
Der Gedanke ist vollkommen richtig. Denn der Text verbindet dieses Leiden des Sohnes Gottes mit seiner Auferstehung. Wobei allerdings hier auffällt: Der Evangelist Matthäus bleibt ganz in den biblischen Denkkategorien, indem er alle Instanzen, die relevant sind, beim Namen nennt die Ältesten, die Hohenpriester, die Schriftgelehrten.
Wenn wir uns die Rückfrage stellen, ob denn alle diese drei Instanzen in den Prozess je so involviert waren, dann wird die Antwort sehr wahrscheinlich „Ja“ lauten, in unterschiedlichem Maß mit unterschiedlicher Verantwortung für das Geschehen.
Hinterfragt von allen Instanzen
Dennoch aber schwingt hier ein Aspekt mit, den es zu bedenken gilt. Denn Jesus ist immer wieder hinterfragt, befragt worden, durch Älteste, Hohepriester, Schriftgelehrte im Laufe seines irdischen Lebens.
Immer wieder hören wir aus den biblischen Zeugnissen, dass man versuchte, ihm eine Falle zu stellen, damit man etwas habe, das man ihm später anhängen könne. Dieses Leiden und erprobt werden kulminiert nicht nur im Leiden und im Akzeptieren des Kreuzes durch den Sohn, sondern es ist ein Prozess durch seinen ganzen Lebensweg hindurch, nicht nur der eine Prozess am Ende seines Lebens. Immer wieder wird er herausgefordert, in Situationen gestellt durch die Menschen der damaligen Zeit, in denen er sich bewähren muss als der Gesandte und Prophet Gottes, der diesen Namen auch zu Recht verdient.
Bewährung bis zum Tod
Bewährung und Leiden sind nicht nur eine Frage am Ende des Lebens, sondern durch das ganze Leben hindurch. Sie kennen möglicherweise diesen Spruch: „Wenn ein Mensch im Sterben liegt in der Stunde seines Todes, kommt die Wahrheit seines Lebens ans Licht“, nämlich: „Wie begegnet er dem Tod? Wie beendet er sein Leben? Wie geht er hinüber in das ewige Leben?“ Das ist durchaus richtig und genauso wahr ist, dass diese letzte aktive Haltung des Menschen ja begründet, vorbereitet sein muss in vielen einzelnen kleinen Entscheidungen jeden Alters, in denen man immer neu sich bewähren muss.
Das „Müssen" gehört dazu
Doch hin zum Text: Jesus müsse vieles erleiden, er müsse getötet werden und er müsse auferweckt werden. All das aus der Perspektive Gottes, der an seinem Sohn handelt.
Auch das gehört mit dazu, zu diesem „Müssen“. Es entspricht dem Heilsplan Gottes, seinen Sohn zu uns Menschen zu schicken, damit er uns aus unseren Leiden befreit, indem er unser Leiden und Sterben auf sich nimmt und stellvertretend für uns zu einem guten, einem heilsamen Ende führt. Petrus nimmt Jesus daraufhin beiseite und weist ihn zurecht, so hören wir in diesem Text.
Die correctio fraterna
Das ist fast schon eine orientalische Handlung, auch heute noch gilt es, dass man als Arbeitgeber einen Mitarbeiter nicht einfach vor versammeltem Publikum, vor seinen Kollegen zurechtweisen muss, das untergräbt die Autorität jedes Vorgesetzten. Man nimmt ihn immer beiseite und spricht diese Zurechtweisung, diese correctio fraterna im kleinen Rahmen, unter vier Augen aus.
Petrus also nimmt ihn zur Seite und sagt „Das soll Gott verhüten, Herr.“ Nun, das ist ja beinahe schon Blasphemie. Und wenn man einen Blick in den griechischen Text wirft, wird man feststellen: Es steht auch gar nicht so da. Da steht im Text sinngemäß: „Das, Herr“, nämlich, Du, Jesus, „mögest du dir selbst ersparen.“ Tu dir das nicht an, das darf nicht mit dir geschehen.
Petrus will die Erlösung "bescheidener"
Nicht Gott solle eingreifen zugunsten seines Sohnes; nicht Gott solle das Schicksal seiner Propheten kleinreden und revidieren auf ein für die Menschen erträgliches Maß, sondern der Menschensohn selbst möge doch Einsicht haben, dass es auch bescheidener ginge, nach Menschenmaß. Jesus aber wandte sich um, hören wir sofort, er bleibt fest in den biblischen Bahnen. Er bleibt Gott treu und sagt zu Petrus: „Tritt hinter mich, du Satan!“ Ein hartes Wort, das sofort erklärt wird. Du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern, was die Menschen wollen.
Wollen wir den Willen Gottes?
Hier also liegt der Unterschied, hier also der Blickwinkel, die Frage der Perspektive: Geht es uns immer darum, was Gott will von uns Menschen oder darum, was wir Menschen gerne hätten, dass Gott für uns tut, ein möglichst entspanntes, unaufgeregtes Leben, in dem Leiden keine Rolle spielt. Jesus wird präzise. Er sagte zu seinen Jüngern: „Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“
Ganz offensichtlich, wenn der Evangelist Matthäus hier vom Kreuz spricht, dann aus dem post festum von Ostern. Er weiß bereits, dass Jesu Schicksal am Kreuz enden wird. Denn, „sein Kreuz auf sich nehmen“, das ist vielleicht in späterer Zeit in unserer Sprache zu einem Sprichwort geworden, um jemanden in seinem Leiden, Schicksal Trost zuzusprechen: „Nimm eben dein Kreuz auf dich“ in einem übertragenen metaphorischen, symbolischen Sinne.
Nachfolge ganz konkret...
Hier aber ist es ganz wörtlich gemeint, denn der Text unterscheidet sogar noch einmal mehr. An erster Stelle steht das Jünger-werden für Jesus, indem man, wie damals im Heiligen Land, seine Jünger im wahrsten Sinn des Wortes physisch hinter ihm her gehen, während er ihnen vorausgeht. Wir folgen ihm nach, wir beobachten ihn bei seinem Lehren, Predigen und Tun und versuchen ihn in unserem eigenen Leben nachzuahmen. Ganz konkret, praktisch gedacht.
...bis zur Lebenshingabe
Wenn aber das Kreuz in unser Leben tritt, dann erreicht die Qualität der Nachfolge ein vollkommen neues Maß. Hier geht es um ein Nachfolgen, das die gesamte Existenz miteinbegreift, einschließlich der Gabe des eigenen Lebens.
Denn „wer sein Leben retten will, wird es verlieren, wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden“. „Um meinetwillen“, um Jesu willen. Das fügt sich mit dem Gedanken davor: Wir sollen im Sinn haben, was auch Gottes Willen entspricht und nicht egozentrisch fokussiert auf das, was wir gerade noch für angenehm und erträglich halten im Maß dessen, wie wir selber Nachfolge gestalten wollen.
Der Mensch hat nichts aus sich selbst
Die Art der Nachfolge, zu der uns Gott und sein Sohn aufruft, ist von ganz entscheidend anderer Qualität. Warum sollten wir uns auf einen solchen Weg der Nachfolge begeben, der die Aufgabe unseres Lebens miteinschließt? Aus einem einfachen Grund: Der Mensch selbst - in seiner Sterblichen, hinfälligen Existenz - hat nichts, hat nichts aus Eigenem, das er selbst anbieten könnte, seinem Gott, damit dieser Gott ihm ewiges Leben schenkt über die Grenze seines physischen Sterbens hinaus.
Nur Gott gibt gerechten Lohn
Und nun verstehen wir auch besser, warum der Text am Ende etwas in den Blick nimmt, was wir für gewöhnlich erst am Ende der Zeit verorten, wenn der Messias, wenn Christus wiederkommt auf den Wolken des Himmels; dann, wenn wir in den letzten finalen Tag des Herrn eingehen und Gericht über Welt und Menschen gehalten wird.
Der Menschensohn wird mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters kommen und jedem nach seinen Taten vergelten. Nicht der Mensch hat aus sich alleine heraus etwas anzubieten, sondern nur Gott kann den gerechten Lohn für rechtes Verhalten geben.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
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