Unser Sonntag: Gebt dem Kaiser...
Dekan Pfarrer Kurt B. Susak, Kath. Kirchgemeinde Davos
29. Sonntag im Jahreskreis A
Evangelium Mt 22, 15–21
Was gehört dem Kaiser oder in heutiger Sprache dem Staat? Diese Frage ist wie eine Falle. Sie erinnert uns unweigerlich an das Finanzamt und all die Steuern, die der Staat einbezieht. So eine Steuererklärung kann tatsächlich wie eine Falle sein.
Und: was gehört Gott? Auch diese Frage ist wie eine Falle in die wir tappen können. Denn die Antworten darauf sind wohl so unterschiedlich richtig und falsch wie die Menschen es sind.
Heute soll Jesus in eine Falle gelockt werden. Die Pharisäer haben allen Grund dazu. Denn nach der öffentlichen Auseinandersetzung mit den Hohepriestern und Schriftgelehrten im Jerusalemer Tempel, wie wir in den vergangenen Sonntagsevangelien gehört haben, spitzt sich die Situation in den Tagen der Karwoche zu.
Hass der Eliten
Jesus hat in mächtigen Gesten und Worten die Menschen hinter sich versammelt und das religiöse Establishment anhand von Gleichnissen gegen sich aufgebracht. Was in Wahrheit der Umkehr zu Gott hin dienen sollte, wandelt sich nun bei den Eliten in Hass und tiefste Verachtung.
Im öffentlichen Diskurs kommen sie Jesus nicht bei. Das haben sie begriffen.
Die Situation muss allerdings schnell gelöst werden. Doch wagt die Tempelaristokratie nicht direkt gegen Jesus vorzugehen. Sie müssen zu einer anderen Taktik, einer List schreiten, um ihre Vorherrschaft öffentlich zu bestätigen.
Jesus soll die Gunst der Volksmenge verlieren
Jesus muss vor den Leuten unglaubwürdig gemacht werden, sodass er die Gunst der Volksmenge verliert - oder sie müssen ihn zu einer Aussage verleiten, die ihn vor der römischen Besatzung offen als Rebell erscheinen lässt, sodass die Römer das Problem für sie erledigen. Jesus soll also in eine Falle gelockt und beseitigt werden. Nacheinander werden nun Vertreter von drei Gruppen an Jesus herantreten.
Als erstes sind es die Pharisäer mit der Frage nach der Steuer, das heutige Evangelium. Ihnen folgen die Sadduzäer, die eigentliche Tempelaristokratie, die den Tempelschatz verwalten. Sie werden versuchen, Jesus mit einer Frage nach der Auferstehung in die Falle zu locken. Schließlich wird noch ein Gesetzeslehrer auftreten, der nach dem wichtigsten Gebot im Gesetz des Moses fragen wird.
Herodes: Marionette der Römer
Diese Textperikope werden wir am kommenden 30. Sonntag im Jahreskreis hören, wenn es dann heißt: „Als die Pharisäer hörten, dass Jesus die Sadduzäer zum Schweigen gebracht hatte, kamen sie am selben Ort zusammen. Einer von ihnen, ein Gesetzeslehrer, wollte ihn versuchen“.
Heute wurde uns also die erste dieser drei Attacken präsentiert, die durch die Pharisäer geschieht.
Dabei geschieht nun etwas Überraschendes. Wir lesen, dass sie ihre Jünger schicken, aber zusammen mit den Anhängern des Herodes. Die Pharisäer jedoch hassen eigentlich Herodes und seine Anhänger zutiefst. Herodes galt ja nicht als rechtmäßiger König der Juden. Er war gar kein Jude. Er war eine Marionette der Römer und die Anhänger des Herodes galten als Volksverräter.
Trotzdem schließen sich die beiden Gruppen jetzt zusammen, denn die Pharisäer werden die Anhänger des Herodes noch brauchen für ihre List, wie wir später gleich sehen werden. Angesichts des gemeinsamen Feindes verbünden sich hier also die Gegner, damals wie heute.
Sie eröffnen das Geschehen mit einer heuchlerischen Verbeugung. Sie reden ihn an: Meister – Lehrer, so heisst es wörtlich hier, nur die Gegner Jesu sprechen ihn höhnisch mit diesem Titel an.
Sie sprechen dann sogar eine Wahrheit aus: „Meister, wir wissen, dass du die Wahrheit sagst und wahrhaftig den Weg Gottes lehrst und auf niemanden Rücksicht nimmst, denn du siehst nicht auf die Person.“
Der lateinische Ausdruck captatio benevolentiae «Haschen nach Wohlwollen» beschreibt ihr rhetorisch heuchlerisches Vorgehen, indem sie Lüge und Wahrheit vermischen. Jesus erkennt ihre Strategie genau.
Die Falle
„Sag uns also: Was meinst du? Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht?“ Was hier mit dem Wort «Ist es erlaubt…“ übersetzt wird, ist ein einziger Begriff im Griechischen und könnte auch so wiedergegeben werden: „Ist es gesetzlich…, entspricht es dem Gesetz des Mose, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht?“
Das ist jetzt die Falle.
Denn wir wissen: Seit dem Jahr 6 nach Christus herrscht ein römischer Prokurator in Galiläa, wir erinnern uns an Pontius Pilatus, und seit damals müssen alle Juden im Alter zwischen 12 und 65 Jahren eine Kopfsteuer zahlen. Seit der Einführung dieser Steuer gab es zahlreiche Aufstände dagegen und viele sahen es gar als ihre religiöse Pflicht an, sich gegen diese Steuer aufzulehnen. Denn sie bedeutete, einen anderen Herrn neben Gott anzuerkennen.
Erklärt sich Jesus zum Rebellen?
Jesus hat also jetzt ein Problem. Sagt er, dass es nach dem religiösen Gesetz erlaubt sei diese Steuer zu zahlen, bringt er die Juden gegen sich auf. Er verliert die Gunst der Leute. Das wollten die Pharisäer letztlich ja erreichen. Sagt er hingegen, diese Steuer ist nicht erlaubt, dann erklärt er sich selbst zum Rebellen und Gegener der Römer, und dazu haben die Pharisäer - die Anhänger des Herodes mitgenommen, damit sie für den Fall, dass Jesus sagt, die Steuer sei unerlaubt, ihn sofort verhaften können. Das Problem wäre für sie damit erledigt.
Jesus jedoch lässt die Fallensteller selbst in die Falle gehen. Wir erinnern uns hier an das Buch Kohelet und der Sprichwörter: Wer anderen eine Grube gräbt fällt selbst hinein.
Mit Vollmacht erwidert Jesus: «Ihr Heuchler, warum versucht ihr mich? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denár hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten ihm: Des Kaisers.
Die treffende Antwort Jesu sind nun jene berühmten Worte, die auch als wesentliche Grundlage für die spätere Trennung von Kirche und Staat hergenommen werden: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört!“ So steht es in der deutschen Übersetzung.
Allerdings müssen wir uns diesen Schlüsselsatz genauer ansehen. Am Beginn fragen die Pharisäer: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen…“ Wörtlich steht aber: „Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben…“ Dabei wird das griechische Wort „doynai“ verwendet. Jetzt aber, wo Jesus sagt: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört,…“ steht nicht der Begriff „doynai“, sondern „apodote“, das heisst: gebt zurück. Gebt dem Kaiser zurück, was dem Kaiser gehört. Das ist doch ein wichtiger Unterschied. Sie sollen also zurückgeben, was dem Kaiser gehört. Was gehört dem Kaiser? Es ist das Geld, das er hat prägen lassen – ihm gehört es, gebt es ihm zurück.
Gebt Gott das Volk Gottes zurück
Und gebt Gott zurück, was Gott gehört! Was ist damit gemeint?
Dazu müssen wir wieder den größeren Zusammenhang sehen. Denn im zweiten Gleichnis, das Jesus den Leuten erzählt hat, redet er von den bösen Winzern, die dem Erben den Weinberg wegnehmen wollen, um ihn selbst zu besitzen. Damit sind jetzt die religiösen Eliten gemeint, die sich des Gottesvolkes bemächtigt haben - die jetzt im Namen Gottes über das Volk herrschen, die es unterdrücken, die im Namen Gottes sogar den Menschen drohen, aber nicht den Willen Gottes erfüllen.
Gebt das Volk Gott zurück. Lasst die Menschen frei. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu beherrschen. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu besitzen. Kein Mensch hat das Recht, im Namen Gottes andere Menschen zu unterdrücken. Gebt Gott zurück, was Gott gehört! Gebt Gott das Volk Gottes zurück!
Was gehört der weltlichen Autorität?
Darum geht es hier in diesem Zusammenhang. Wir erkennen, der neue Bund, das Reich Gottes bricht an. Die Erlösung ist nahe. Und der Bund den Gott in seinem Sohn schließt ist der neue Bund der Liebe, die entsprechende Früchte hervorbringen soll.
Das heutige Evangelium lässt leider den Schlusssatz dieses Abschnittes weg. Dort heisst es nämlich: „Als sie das hörten, staunten sie, liessen ihn stehen und gingen weg.“ Jesus hat mit seiner verblüffenden Antwort einen Schlusspunkt gefasst und die religiöse Welt ins Staunen versetzt.
Liebe Schwestern und Brüder,
Was im Leben gehört Gott und was der weltlichen Autorität? Immer wenn also der jährliche Steuerbescheid bei ihnen ins Haus flattert, regen Sie sich nicht auf, tappen sie nicht in die Falle. Geben Sie dem Staat was dem Staat auf der Basis immer auch veränderbarer Gesetze gehört.
Es gibt ein höheres Gut, das über jeder vergänglichen Steuer steht. Gott! Geben Sie Gott was Gott gehört – sich selbst! Wir gehören letztlich Gott. Und diese Gemeinschaft hat Ewigkeitscharakter.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.