„Bei der Synode liegen alle drängenden Fragen auf dem Tisch“
Weisner ist seit 1995 Mitglied im Leitungsteam von „Wir sind Kirche“ Deutschland. Die Bewegung tritt u.a. für eine Aufwertung der Rolle von Laien, für eine Abschaffung des Pflichtzölibats von Priestern und für eine Priesterweihe von Frauen ein. Papst Johannes Paul II. hat eine solche Frauen-Priesterweihe 1994 in einem Apostolischen Schreiben namens „Ordinatio Sacerdotalis“ ausgeschlossen.
Interview
Herr Weisner, wie blicken Sie auf die Synode, die im Moment läuft?
„Ja, die Synode – allein schon der Vorbereitungsprozess hat die katholische Weltkirche verändert. Das hat es noch nie gegeben, dass ein gestuftes Beteiligungsverfahren erst in den Diözesen, dann in den einzelnen Ländern, dann auf kontinentaler Ebene durchgeführt wurde. Zum Glück sind auch erstmals Frauen mit Stimmrecht dabei, und Laien ohnehin. Da kommt ganz viel zusammen, und es liegen alle Fragen auf dem Tisch.
Die Frage ist jetzt (und das ist die große Verantwortung der Synodalen): Werden wirklich auf die drängenden Fragen der Zeit auch Antworten gefunden werden können? Das ist ein höchst spannender Prozess, den ich bisher hier in Rom am Rande beobachten konnte.“
„Wir sind Kirche“ tritt ja schon sehr lange für Reformen in der Kirche ein – und jetzt auf einmal setzt sich der Dampfer Weltkirche zögernd in Bewegung. Ist das eine Art Rehabilitierung für Ihre Bewegung?
„Ja, das kann man vielleicht wirklich so sagen. Wobei wir als Deutsche – ich lebe im Erzbistum München und Freising – das Kirchenvolksbegehren gar nicht erfunden haben. Es entstand 1995 in Wien angesichts des Skandals um den Wiener Kardinal Hans Hermann Groer. Es waren Schüler und Schülerinnen, die damals vor 28 Jahren einen kurzen Reformkatalog aus fünf Punkten formuliert haben – und diese Punkte sind jetzt angekommen, das kann man schon sagen. Am Anfang wollte niemand darüber sprechen. In Deutschland durften in manchen Diözesen keine Unterschriften für das ‚Kirchenvolksbegehren‘ gesammelt werden, nicht in kirchlichen Gebäuden und auf kirchlichem Gelände; das ist jetzt alles vorbei. Insofern kann man schon sagen, dass diese notwendige, aber auch positive Antwort auf den damaligen Groer-Skandal jetzt gezündet hat.
Der deutsche ‚Synodale Weg‘ ist da sicher auch ein wichtiger Baustein; es sind jetzt fünf Jahre her, dass die deutsche Missbrauchsstudie veröffentlicht worden ist. Darauf haben die deutschen Bischöfe zusammen mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken diesen ‚Synodalen Weg‘ in Deutschland gestartet, der in fünf Sitzungen sehr vieles erarbeitet hat, was aber leider in Rom bisher noch nicht angekommen und nicht angenommen worden ist. Bei der Synode aber liegen, soweit ich hier in Rom jetzt höre, diese Fragen alle auf den Tisch.
Sie haben ja eben das Bild vom Schiff gebracht, und es stimmt: Die katholische Weltkirche ist auf hoher See, und nicht nur die Kirche, sondern, ja, die ganze Welt, wenn man die aktuellen Konflikte, Klimakatastrophen usw. sieht. Wir sind alle auf hoher See, und da stellt sich wirklich die Frage: Hat die christliche Botschaft heute eine Relevanz, und erreicht sie Menschen? Kann sie Menschen Hoffnung und Solidarität, gemeinsames Handeln vermitteln? Das ist für mich eigentlich die existenzielle Frage. Und die katholische Kirche ist im Augenblick sehr in Bewegung – ich kann wirklich nur hoffen, dass diese Bewegung auch anhält und dass das Ganze hier in Rom mehr ist als ein gruppendynamischer Prozess, wo man nur miteinander spricht und sagt: ‚Gut, dass wir miteinander gesprochen haben‘.
Allerdings führen diese kreisrunden Tische wirklich zu einem Dialog auf Augenhöhe von Kardinälen, von Bischöfen, von Ordensfrauen und von ganz normalen Katholiken und Katholikinnen. Es sind vielleicht immer noch viel zu wenig Frauen dabei, und die Jugend fehlt fast ganz, aber es ist ein Dialog auf Augenhöhe. Die allermeisten, habe ich gehört, reden sich auch mit Vornamen an: Also, das ist wirklich die praktizierte Communio-Theologie des Zweiten Vatikanischen Konzils. Taufe und Firmung, das sind die wesentlichen Sakramente, um uns zusammenzubringen.“
Nun ist ja die Kirche nicht nur in Deutschland (aber auch dort immer noch) sehr von inneren Gräben durchzogen, innerlich stark polarisiert. Und Sie erleben sicher auch viele Anfeindungen und Verdächtigungen. Was treibt Sie an? Wo kommt Ihre Hartnäckigkeit, wo kommt auch Ihr Glaube her?
„Ich wurde 1951 geboren und habe das Zweite Vatikanische Konzil in meiner Jugendzeit erlebt, in einer Aufbruch-Gemeinde in einem Neubaugebiet. Dieser jugendliche Aufbruch von mir selber, wenn ich das so sagen darf, mit dem Aufbruch der Kirche des Konzils hat sich eigentlich genau aufeinander abgepasst. Danach war ich in der Studentengemeinde sehr engagiert, anschließend in einer Basisgemeinde – und habe in ganz vielen Kontakten mit Ordensleuten, mit Priestern eigentlich immer eine konziliare Kirche erlebt. Das ist für mich auch von der Familie her immer die Kirche, wie ich sie erlebt und auch mitgestaltet habe. Deswegen ist dieses Engagement für mich eigentlich gar kein Problem, gar nichts Außergewöhnliches.
Ich habe auch (anders als andere) nie mit dem Gedanken gespielt, aus der Kirche bzw. aus der Kirchensteuer-Gemeinschaft auszutreten, sondern habe da einfach eine spirituelle Heimat gefunden – vor allen Dingen aber auch eine Heimat, gemeinsam mit anderen Menschen gute, notwendige Dinge zu tun. Und dass das jetzt gewissermaßen auch in der, wenn man so sagen darf, offiziellen Kirche angekommen ist, freut mich natürlich sehr.“
(vatican news – sk)
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