D: Sant'Egidio kritisiert Anwendung der Todesstrafe
Einmal im Jahr dokumentiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International die Situation mit Blick auf die Todesstrafe weltweit. Die aktuellsten Zahlen stammen aus dem Jahr 2021. Demnach ist die Zahl der Hinrichtungen 2021 um rund 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen - ein Grund dafür sind auch Lockerungen von Corona-Beschränkungen. Für welche Delikte werden Menschen zum Tode verurteilt?
Pfarrer Matthias Leineweber: Das ist sehr unterschiedlich. In Demokratien sind das überwiegend Kapitalverbrechen. Aber es gibt auch viele Länder, die ganz andere Vergehen mit dem Tod bestrafen. Regimekritische Äußerungen können das sein, Drogendelikte, im Iran kann auch Homosexualität mit dem Tod bestraft werden. Die Palette ist sehr umfangreich.
Bei sehr schlimmen Verbrechen gibt es bei dem einen oder anderen auch den Impuls einen Mörder oder einen Vergewaltiger mit dem Tod bestrafen zu wollen. Die Kirche lässt da aber keine Luft für Spielraum und der Papst ist auch klar positioniert, oder?
Leineweber: Die Kirche positioniert sich ganz klar gegen die Todesstrafe. Das hat sich in den letzten Jahrzehnten immer deutlicher abgezeichnet, auch wenn die Todesstrafe im Katechismus noch vor Jahren vorgesehen war. Jetzt ist das nicht mehr so. Papst Franziskus hat das jetzt noch mal, ganz eindeutig klar gemacht, dass die Todesstrafe nicht mit zulässig ist, in keiner Weise und unter keinen Umständen.
Die Methoden sind sehr unterschiedlich, wie die Leute getötet werden. Gerade kam aus den USA, wo die Todesstrafe auch noch vollzogen wird, die Meldung, dass dort jemand erstickt worden ist.
Leineweber: Das ist der Fall von dem Herrn Kenneth Smith, ein Mörder aus dem US-Bundesstaat Alabama. Er wurde vor 35 Jahren zum Tode verurteilt und sitzt seitdem im Todestrakt.
Er sollte im vergangenen Jahr mit der „üblichen Todesspritze“ hingerichtet werden. Das hat bei ihm aber versagt. Also hat er diese Hinrichtung überlebt. Jetzt hat man die Erstickungsmethode mit Stickstoff vorgesehen. Das ist etwas sehr Inhumanes. Dagegen gibt es auch einen weltweiten Protest. Auch Sant'Egidio protestiert dagegen. Diese Methode ist nicht einmal zulässig, um Tiere einzuschläfern.
Welchen Erfolg gibt es auf dem Weg zur Abschaffung der Todesstrafe?
Leineweber: Wir sind seit 25 Jahren aktiv. Die Initiative gegen die Todesstrafe „Cities for Life“ gibt es seit 2002. Und die Tendenz hat sich ins Positive verändert. Mittlerweile haben 144 Länder, über zwei Drittel aller Länder, die Todesstrafe im Gesetz entweder abgeschafft oder seit zehn Jahren niemanden mehr hingerichtet. Ein Land, dass seit zehn Jahren niemanden mehr hingerichtet hat, gilt als Land, in dem die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. In nur einem Drittel der Länder, in 55 Ländern, wird die Todesstrafe noch praktiziert. Das sind deutlich weniger als noch vor zwei Jahrzehnten. Und wir hoffen, dass das auch so weitergeht.
An diesem Donnerstag ist der Tag der Abschaffung der Todesstrafe weltweit. Welche Aktionen wird es da geben?
Leineweber: In Rom, das ist auch das Zentrum von Sant'Egidio, wird es am Kolosseum eine große Kundgebung geben, mit ehemaligen Todeskandidaten und Aktivisten der Allianz gegen die Todesstrafe. Es gibt ein internationales Aktionsbündnis und es gibt weltweit in vielen Städten kleinere Aktionen der Initiative „Cities for Life“, Infostände, Beleuchtungen von Denkmälern wie zum Beispiel in Würzburg, wo die Festung angestrahlt wird. In Berlin wird der Rathausturm grün angestrahlt, um auch die Öffentlichkeit darauf aufmerksam zu machen.
Das Interview führte Tobias Fricke.
(domradio - -mg)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.