Unser Sonntag: Der Heilige Gottes
Prof. Dr. Stephan Kampowski
4. Sonntag im Jahreskreis
Lesejahr B
Mk 1,21-28
Der heutige Evangeliumstext schließt unmittelbar an den des vergangenen Sonntags an, in dem wir erfahren, wie Jesus seine Verkündigung beginnt und seine ersten Jünger beruft. Die Jünger sind auch in der heutigen Perikope dabei, auch wenn die hier etwas ungenaue deutsche Übersetzung sie aus dem Blick verliert.
Im Evangelium heißt es nämlich wörtlich: „Und sie kamen nach Kafarnaum, und alsbald ging Jesus am Sabbat in die Synagoge und lehrte sie“. Das erste Verb steht im Plural. „Sie kamen.“ „Sie“ – das sind Jesus und seine Jünger. Das ist ein wichtiges Detail. Wir dürfen uns Jesus nicht als Einzelgänger vorstellen, der allein von Ort zu Ort zieht. Er hatte immer die Jünger bei sich, wenn er seinen Dienst ausübte, und manchmal auch ein größeres, beachtliches Gefolge.
Jesus lehrte mit Vollmacht
Nachdem Markus dies klargestellt hat, formuliert er die folgenden Verben in der Einzahl und lenkt damit die Aufmerksamkeit auf Jesus und sein Wirken. Jesus lehrte, und er lehrte mit Vollmacht. Das ist dem Evangelisten sehr wichtig. In den ersten beiden Versen kommt das Wort „lehren“ dreimal vor. Und am Ende der Erzählung wird dieser Gedanke noch einmal aufgegriffen: Es ist „eine neue Lehre mit Vollmacht“. Die Lehre, von der hier die Rede ist, ist die didache, eine katechetische Unterweisung, die Inhalte vertieft und auf Details eingeht. Sie unterscheidet sich vom kerygma, von dem wir im Evangelium der vergangenen Woche gehört haben und bei dem es nicht um Unterweisung im engeren Sinne geht, sondern um die Verkündigung eines Ereignisses. Erinnern wir uns: Jesus verkündete das Kommen des Reiches Gottes. Im heutigen Evangelium verkündet Jesus nicht, sondern er unterweist, er lehrt.
Was hat er denn gelehrt?
Die naheliegende Frage, die sich dem aufmerksamen und neugierigen Leser gerade wegen der Betonung des Lehrens sofort stellt, bleibt erstaunlicherweise zunächst unbeantwortet: Ja, was hat er denn gelehrt? So wichtig dem Evangelisten die Betonung der Lehrtätigkeit Jesu ist, so wenig scheint es ihm hier um die eigentlichen Inhalte zu gehen. Dafür gibt es im Evangelium natürlich noch 15 weitere Kapitel. Markus geht es hier, im ersten Kapitel seines Evangeliums, weniger um das Was als um das Wie der Lehre Jesu. „Er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, nicht wie die Schriftgelehrten.“ Was könnte nun diese Vollmacht in der Lehre bedeuten, eine Vollmacht, über die die Zuhörer mehr staunen als über den Inhalt? Die Antwort des biblischen Autors auf diese Frage ist nicht eindeutig, aber er gibt uns zwei Hinweise.
Da ist zunächst der Vergleich mit der Lehre der Schriftgelehrten. Diese lehrten in der Regel so, wie es gute Akademiker auch heute noch tun, nämlich mit vielen Fußnoten, also mit Verweisen auf Autoritäten. Sie sprachen davon, was Moses im Pentateuch gesagt hatte oder wie anerkannte Gelehrte den Talmud interpretiert hatten. Niemals würde ein Schriftgelehrter von sich selbst und seiner eigenen Lehre sprechen. Aber genau das hat Jesus in der Synagoge von Kafarnaum wahrscheinlich getan, wenn wir die Bergpredigt des Evangelisten Matthäus mal als Anhaltspunkt nehmen dürfen. Dort formuliert Jesus Sätze, die kein Schriftgelehrter je auszusprechen gewagt hätte: „Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt worden ist ... ich aber sage euch.“ Der aber zu den Alten geredet hat, ist kein anderer als Mose, und wer so redet, maßt sich damit eine größere Autorität an als die des Moses; ja, er beansprucht für sich, mit göttlicher Vollmacht zu reden.
Seine Worte bewirken etwas
Niemand aber ist groß, nur weil er von sich behauptet, groß zu sein. Auch ein Wahnsinniger kann von sich behaupten, er habe göttliche Autorität, und auch ein Dilettant kann ohne Verweis auf Autoritäten sprechen und ohne Fußnoten schreiben, aber nicht, weil er selbst die größte Autorität wäre, sondern weil er einfach die relevanten und wichtigen Quellen gar nicht kennt. Aus der Reaktion seiner Zuhörer erfahren wir, dass sie Jesus weder für einen Wahnsinnigen noch für einen Dilettanten hielten. Sie waren erstaunt, verblüfft. Jesus beanspruchte nicht nur eine Vollmacht für sich, er bewies diese Vollmacht auch und dies gerade in seinem Wort und in seiner Lehre. Sein Wort und seine Lehre sind vollmächtig und wirksam: Sie bewirken etwas. Das sehen wir an dem zweiten Hinweis, den uns der Evangelist dazu gibt, was es mit der Vollmacht Jesu auf sich haben könnte. Dieser Hinweis folgt in den nächsten Versen.
Ein Mensch, der von einem unreinen Geist besessen war, begann zu schreien: „Was haben wir mit dir zu tun, Jesus von Nazareth?“ Jesus wird diesem Geist sofort drohen und ihm befehlen, den Menschen zu verlassen. Aber dieser Geist hat sich nicht aufgrund der Drohung Jesu manifestiert. Was ihn provozierte, war die bloße Anwesenheit Jesu und seine Lehre. Die Lehre Jesu war so mächtig, dass der unreine Geist sich nicht einfach geschickt wegducken und der Konfrontation mit einem Stärkeren aus dem Weg gehen konnte. „Bist du gekommen, um uns ins Verderben zu stürzen?“ Genau. Auch wenn es taktisch nicht klug war, sich in diesem Moment zu zeigen, so war dieser gefallene Engel doch intelligent genug, genau den Grund zu benennen, für den Jesus gekommen war, nämlich „um die Werke des Teufels zu zerstören“, wie es im ersten Johannesbrief heißt (1 Joh 3,8).
Die größere Auseinandersetzung
Interessant ist hier auch, dass der Evangelist von einem unreinen Geist im Singular spricht, während dieser Geist, wenn er Jesus gegenübertritt, von "uns" im Plural spricht. Es geht nicht nur um diesen einen Fall, diesen einen Menschen und diesen einen unreinen Geist. Das geschilderte konkrete Geschehen steht für die größere, allgemeine Auseinandersetzung: Jesu Sendung ist es, die Macht des Bösen zu brechen, dem dunklen Herrscher dieser Welt die Herrschaft zu entreißen, den Starken zu fesseln und sein Haus zu plündern (Mk 3,27), die von ihm Gefangenen in die Freiheit der Kinder Gottes zu entlassen.
Wenn der unreine Geist sagt: „Ich weiß, wer du bist: der Heilige Gottes“, dann sagt er das nicht, um den Sohn Gottes zu ehren, sondern um ihn geradezu herauszufordern. Jesus nimmt das Zeugnis des unreinen Geistes nicht an und befiehlt ihm, zu schweigen und den Mann zu verlassen. Widerwillig, voller Hass und Rebellion, aber unfähig, dem Wort Jesu zu widerstehen, verlässt der Dämon den Mann „mit lautem Geschrei“. „Da erschraken alle.“
Unreine Geister am Werk
Auch wir würden heute bei einem solchen Schauspiel sicherlich erschrecken. Und doch erfahren wir im nächsten Satz, dass der Grund für das Erschrecken der damaligen Zeugen ein anderer war, als der, der uns unmittelbar einleuchten würde. Sie erschraken nicht, weil plötzlich ein Mann mit einer seltsamen Stimme redete und geheimnisvolle Dinge von sich gab, um dann plötzlich laut zu schreien und sich auf dem Boden zu wälzen. Die Menschen damals vermuteten an zahlreichen Stellen unreine Geister am Werk. Es gab noch keine moderne Medizin und viele Krankheiten, deren Ursachen und Mechanismen wir heute gut kennen, wurden sehr oft auf das Wirken böser, übernatürlicher Mächte zurückgeführt.
Jesus sprach nur ein Wort...
Auch Exorzismen waren zur Zeit Jesu in Israel durchaus in Mode. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Leute in der Synagoge von Karfanaum zuvor schon einmal den anerkannten Profis bei ihrer Arbeit zugesehen hatten und genau deshalb erschraken: nicht vor dem unreinen Geist und dem Geschrei und Getöse, das er verursachte, sondern aus Ehrfurcht, aus Ehrfurcht vor Jesus und der Art und Weise, wie er mit diesem unreinen Geist umging. Die rabbinische Literatur erzählt uns, wie Exorzismen damals üblicherweise abliefen. Sie waren langwierig, kompliziert, voller magischer Gesten und Formeln. Jesus dagegen sprach nur ein Wort: „Verlass ihn“, und der unreine Geist gehorchte. So etwas hatten die Anwesenden in der Synagoge noch nie gesehen. Er muss keine Kräuter verbrennen, um den unreinen Geist auszuräuchern, er braucht keine Tänze oder Zauberformeln. Ein kurzer Befehl genügt.
...das nicht gleichgültig lässt
„Eine neue Lehre mit Vollmacht: Sogar die unreinen Geister gehorchen seinem Befehl.“ Hier fasst Markus noch einmal den Sinn der ganzen Perikope zusammen. Die Lehre Jesu ist ebenso vollmächtig wie sein Sieg über den bösen Geist. Für den Evangelisten ist beides ein und dieselbe Offenbarung der göttlichen Vollmacht Jesu. Wenn Jesus spricht, geschieht etwas. Sein Wort bewegt die Herzen, es treibt die Geister aus, es erschüttert die Welt, es lässt uns nicht gleichgültig, sondern hat die Kraft, uns von innen heraus zu verwandeln und zu heilen. Öffnen wir uns diesem Wort, dem Wort, das Jesus spricht, und dem Wort, das Jesus selbst ist. Es ist das Wort, durch das der Vater die Welt erschaffen hat, als er sprach: Es werde Licht, und es ward Licht. Dieses Wort ist in die Welt gekommen. Wenn er etwas sagt, geschieht es. Lassen wir uns von ihm belehren, folgen wir seiner Einladung, in seine Nachfolge zu treten, und tragen wir dazu bei, dass sich sein Ruf „im ganzen Gebiet von Galiläa“ „bis an die Enden der Erde“ ausbreitet.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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