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Stuttgart Stuttgart  (AFP or licensors)

D: Neues Bündnis gegen Armut in Stuttgart gegründet

Stuttgart gilt als Stadt der Luxusautos. Doch auch in der reichen Landeshauptstadt Baden-Württembergs gebe es zunehmend Armut, eher im Verborgenen. Ein neues Bündnis will sich dieser annehmen.

„Stuttgart stellt sich als glänzende Metropole dar“, sagt Julia Friedrich, Regionsgeschäftsführerin des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Baden-Württemberg. „Auch in dieser reichen Stadt leben viele Menschen in Armut.“

„Gemeinsam gegen Armut in Stuttgart“

Ein neues Bündnis mit dem Titel „Gemeinsam gegen Armut in Stuttgart“ ist deshalb am Montag gegründet worden. Der Zusammenschluss von Sozialverbänden, Gewerkschaften, Kirchen und Hilfevereinen will „Armut sichtbar machen“. Die Pressekonferenz dazu fand an einem Ort statt, an dem Armut ins Auge fällt: der evangelischen Leonhardskirche in Stuttgart. Sie ist von Mitte Januar bis Anfang März sieben Wochen lang zur Vesperkirche umgestaltet, in der Bedürftige ein Essen bekommen und sich ausruhen können.

8,9 Prozent an der Armutsgrenze

„Stuttgart sieht sich selbst gerne als die Stadt der Luxusautos und des bürgerlichen Wohlstands“, sagte Friedrich mit Blick auf die Autobauer Porsche und Mercedes-Benz. „Zur Stadt gehört aber auch, dass 8,9 Prozent der Menschen in Armut leben oder armutsgefährdet sind.“ Die Landeshauptstadt steht damit noch relativ gut da: Laut Statistischem Bundesamt ist rund ein Fünftel der Bevölkerung Deutschlands von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Nach den neuesten verfügbaren Zahlen waren das 2022 gut 17,3 Millionen Menschen oder 20,9 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik.

Mietpreise steigen

In Stuttgart werde bezahlbarer Wohnraum inzwischen selbst für Angehörige der Mittelschicht immer knapper. „Die permanent steigenden Mieten fressen immer größere Teile des Einkommens auf - auch ohne Energiepreisexplosion und Renovierungen“, so das Bündnis. Jeder fünfte Einwohner müsse inzwischen mehr als 40 Prozent seines verfügbaren Einkommens für Miete ausgeben.

„Wir registrieren, dass für viele Menschen in den vergangenen zehn Jahren die finanzielle Situation brenzliger geworden ist“, sagte Friedrich der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Zunahme der Armutsgefährdung geschehe also „eher im Verborgenen und schleichend“.

Weniger gesellschaftliche Teilhabe

Hans-Georg Schwabe vom Erwerbslosenausschuss der Gewerkschaft Verdi nennt als Armutsgrund zusätzlich den „immer weiter ausufernden Billiglohnsektor“. Michael Görg von der Katholischen Betriebsseelsorge Stuttgart berichtet: „Immer wieder kommen Menschen in die Beratung, die ihre Arbeit wegen einer körperlichen oder psychischen Erkrankung aufgeben müssen.“ In Teilzeit oder ohne Arbeit, fürchten sie dann, ihre Wohnung in Stuttgart für sich und ihre Familie nicht mehr bezahlen zu können.

Die Folgen erscheinen zunächst banal, Aussagen Betroffener zeigen aber, dass mit zu wenig Geld auch die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben schwindet. Das gemeinsame Bier in der Eckkneipe – „nicht möglich, weil ich zu arm bin“. Einen Badeausflug an den Baggersee – „nicht möglich, weil ich mir kein Auto leisten kann, denn anders kommt man dort nicht hin“.

Im Kampf gegen Armutsfallen

Armut berge auch die Gefahr, das Vertrauen in die Verlässlichkeit demokratischer Verfahren zu erschüttern. „Armutsbekämpfung ist deshalb Arbeit für die Demokratie“, betont das Bündnis. Dazu gehören neben der Vesperkirche das Sozialunternehmen Neue Arbeit, die Straßen-Universität Stuttgart, die Schwäbische Tafel, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), Verdi, der Kirchliche Dienst in der Arbeitswelt (kda), die Katholische Betriebsseelsorge und der Verein „Ambulante Hilfe“.

Miteinander wollen sie mehr Verständnis für Armutsfallen wecken. Gerade in einer Zeit, in der gegen Bürgergeld-Bezieher und Menschen mit Migrationserfahrung „billig Stimmung gemacht“ werde. „Wir beobachten mit Sorge, dass der gesellschaftliche Ton rauer wird.“

Ein ganzes Maßnahmenpaket sei nötig. Trotz der Erhöhung des Bürgergeldes reichten etwa angesichts der hohen Lebenshaltungskosten in Stuttgart die bundesweit einheitlichen Regelsätze nicht aus. Notwendig sei eine kommunale Großstadtzulage wie in München. Außerdem müsse eine niedrigschwellige Beratungs- und Anlaufstelle geschaffen werden, um etwa bei Anträgen an Ämter behilflich zu sein. „Die Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen darf kein Hindernisrennen sein.“

(kna - mg)

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27. Februar 2024, 15:05