Schweiz: Bischof bei Mahnwache für jüdisches Opfer von Messerattacke
„Ich bin hier, um meine Solidarität mit allen zum Ausdruck zu bringen, die Antisemitismus verurteilen", sagte Bischof Joseph Maria Bonnemain bei der Mahnwache für den 50-jährigen orthodoxen Juden, der am Samstagabend durch eine Messerattacke in Zürich schwer verletzt worden war. Die Kantonspolizei geht derzeit von einem antisemitischen Tatmotiv aus.
Auch für den Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund (SIG) besteht aufgrund von Zeugenaussagen in den Medien wenig Zweifel, dass der Angriff antisemitisch motiviert war, wie die Organisation am Sonntag schrieb. Es handle sich um ein „antisemitisches Hassverbrechen". Der Anstieg des Antisemitismus in den letzten Monaten habe eine „neue erschreckende Eskalationsstufe" erreicht.
Friedensgebete
Bei allem Entsetzen über die Tat denkt der Churer Bischof auch an den erst 15 Jahre alten Tatverdächtigen. Für ihn hofft Bonnemain, dass ihn die Botschaft der Fastenzeit erreiche. „Tu Buße und kehre um." Antisemitische Taten dürften nie wieder toleriert werden, weder in Zürich, noch sonst irgendwo. „Die Zivilcourage und das besonnene Handeln der Passanten, die dem Opfer beistanden, zeigen dieses Bewusstsein deutlich; darüber bin ich sehr froh und dankbar", fügte Bischof Bonnemain an. Trotz allem hoffe er immer noch, dass in Israel und Palästina Juden, Christen und Muslime endlich miteinander in Frieden leben könnten.
Dafür werde auch im Abendgottesdienst in der nahegelegenen Pfarrkirche St. Peter und Paul gebetet, sagte der Zürcher Synodalrat und Vikar der Gemeinde Martin Stewen. Die jüdische Gemeinde habe Psalmen geschickt, die dort in Solidarität gesprochen würden.
Antisemitismus auch in der Schweiz
Zur Mahnwache aufgerufen hatte die Organisation „Yellow Umbrella". Das Wort ergriff auch der Rabbiner der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich, Noam Hertig. Er sei mit seiner Kippa noch wenige Stunden vor dem Angriff zusammen mit seinen Kindern genau hier vorbeigelaufen, sagte Hertig den mehreren hundert gekommenen Zuhörern. Und stellte dann fest: „Ich dachte – vielleicht naiverweise, dass wir im Gegensatz zu Paris, London oder Paris hier in Zürich sicher sind. Ich glaubte an eine friedliche Koexistenz." Die Angst, dass das friedliche und sichere Zusammenleben akkut gefährdet ist, sie war am Sonntagabend deutlich zu spüren.
Europäische Rabbiner schockiert
Auch die Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER) reagierte schockiert. Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel gebe es einen „sehr gefährlichen Trend", die palästinensische Sache als Rechtfertigung für Angriffe auf Juden zu missbrauchen, erklärte CER-Präsident Pinchas Goldschmidt. Die feige Tat in seiner Geburtsstadt Zürich mache ihn auch deshalb traurig, weil der mutmaßliche Angreifer ein Jugendlicher sei, so der frühere Oberrabbiner von Moskau.
„Dieser traurige Vorfall ist ein weiterer Beweis für die wachsende Bedrohung durch den zunehmenden Antisemitismus seit dem Massaker vom 7. Oktober." Die Tat sei eine eindringliche Warnung an die Politik und Sicherheitsbehörden in der Schweiz und in ganz Europa, noch entschiedener gegen jene Personen, Gemeinden und Organisationen vorzugehen, die mit ihren „toxischen Narrativen" Menschen zu terroristischen Taten aufwiegelten.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) zeigte sich in einer Mitteilung „zutiefst erschüttert, dass ein Gemeindemitglied Opfer einer solchen Attacke wurde". Körperliche Übergriffe auf jüdische Menschen seien in der Schweiz sehr selten. „Seit dem 7. Oktober musste aber eine deutliche Zunahme solcher physischen Übergriffe registriert werden", so der SIG mit Blick auf den Terrorangriff der Hamas gegen Israel vor fünf Monaten und den Beginn des Gaza-Kriegs. Der SIG rechne nicht mit einer akuten Gefährdung jüdischer Menschen und Einrichtungen, rufe die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft aber zu vorsichtigem Verhalten auf.
Antisemitische Vorfälle haben sich in der Schweiz seit Beginn des Gaza-Kriegs gehäuft. Kürzlich veröffentlichte die Westschweizer Fachstelle gegen Antisemitismus und Diffamierung Zahlen, wonach antisemitisch motivierte Vorfälle in der Westschweiz 2023 um 68 Prozent zunahmen. Fast die Hälfte davon ereignete sich nach dem 7. Oktober.
(kath.ch/kap - sst)
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