Studie: Junge Priester kommen aus meist volkskirchlichen Strukturen
„Wer wird Priester? Ergebnisse einer Studie zur Soziodemografie und Motivation der Priesterkandidaten in Deutschland“ heißt das Dokument, das an diesem Freitag vorgestellt worden ist. Die Studie war von der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der Deutschen Bischofskonferenz in Auftrag gegeben worden. Ziel der Studie war es, die sozial-religiösen Herkünfte und Motivlagen neugeweihter Priester zu erforschen, um mit den Ergebnissen personalstrategische Entscheidungen treffen zu können. Für die Studie wurden alle 847 Priester, die von 2010 bis 2021 geweiht wurden, angefragt, ebenso wie alle 1.668 Männer, die in diesem Zeitraum das Priesterseminar verlassen haben. Von den jungen Priestern nahm insgesamt eine repräsentative Stichprobe von 17,8 Prozent teil, während 18 Seminarabbrecher die gestellten Fragen beantworteten. Insgesamt waren 2.515 Personen angefragt, die Studie kann in voller Länge beim Echter-Verlag bestellt werden.
Umsteuern notwendig
„Ich sehe in den Ergebnissen eine starke Notwendigkeit zum Umsteuern in Berufungspastoral und Priesterausbildung“ sagte der Direktor des zap:bochum, Matthias Sellmann, bei der Vorstellung der Studie am Freitag. In der Berufungspastoral sei bisher kirchen- und gesellschaftsöffentlich wenig zu erkennen, dass man vor dem Hintergrund der anstehenden Herausforderungen an „neuen und überraschenden“ Priesterbildern arbeite, so Sellmann. Von römischer Theologie her werde der Priester abgegrenzt und sakral idealisiert. Die Missbrauchsskandale hätten das allgemeine Bewusstsein für Klerikalismus geschärft. Es bedürfe also „einer entschlossenen, konsistenten und sowohl geistlich wie theologisch gut begründeten Willensbildung zum Umsteuern“, betonte er.
Bei der Vorstellung fasste Sellmann die wichtigsten fünf Herausforderungen der Berufungspastoral aus pastoraltheologischer Sicht zusammen: „Priesterberufungen haben genau in jenen Konstellationen die größte Wahrscheinlichkeit, die demografisch, gesellschaftlich und innerkirchlich austrocknen.“ Zu diesen Konstellationen gehörten unter anderem eine kinderreiche Familie, Präsenz katholisch prägender Personen und viele Möglichkeiten liturgischer Fremd- und Selbsterfahrung vor Ort.
Vor allem spirituell orientiert
Die meisten Priester sähen sich zudem selbst nicht als „gestalterische Führungskräfte; ohnehin scheinen sie in der Mehrzahl mit den Settings und Werten der modernen Gesellschaft zu fremdeln“. Dazu gehörten auch die Anliegen von Kirchenreform wie dem Synodalen Weg. Daraus ließe sich schließen, dass sie „wenig dazu beitragen werden, Kirche und Gegenwartsgesellschaft miteinander kreativ zu erschließen“.
Priester strebten außerdem ein Kompetenzprofil an, das auf „Person“ und „Spiritualität“ setze. Die meisten Aspekte rund um „Organisation“ und „Rolle“ würden ausgeblendet, so Sellmann. Das könne zu Problemen führen, denn auf Dauer würden sie „als Führungskräfte von immer größeren und ressourcenreicheren Komplexen eingesetzt werden.
Ihre Überforderung im Ausfüllen von Führungspositionen ist vorprogrammiert“, auch könne man bei der Besetzung von Positionen „aus einem immer geringer werdenden Pool von Kandidaten schöpfen“ kann: „Und die, die Priester werden wollen, haben nicht den Anspruch, neue Gebiete zu erschließen und eine Führungsrolle zu übernehmen, um es mal salopp zu sagen“, so Sellman bei der Vorstellung.
Die Erwartungen an die Amtsausübung seien großteils auch konträr zu dem der Gemeinde, während sie die sie inspirierenden Orte dort nicht fänden: „Um ein starkes Bild zu benutzen: Die jungen Priester laufen in das ,offene Messer‘ normaler Gemeindesituationen in Deutschland“. Hier müsse Arbeitgeberfürsorge sehr aufmerksam sein.
Konkrete Hinweise für die Zukunft
Der Vorsitzende der Kommission für Geistliche Berufe und Kirchliche Dienste der DBK, Bischof Michael Gerber von Fulda, würdigte die Studienergebnisse, weil sie unter anderem praktische Hinweise für die Arbeit in der Berufungspastoral gäben. So habe unter anderem eine Mehrheit der Befragten angegeben, dass das „stille Gebet“ der Ort gewesen sei, an dem sie ihre Berufung erfahren hätten. Solche Räume zu schaffen, sei eine der Herausforderungen, mit denen sich die Pastoral im Nachgang der Studie beschäftigen müsse. Die Studie gebe außerdem wichtige Erkenntnisse für den Bereich der Seminarausbildung und der Persönlichkeitsbildung der Priesterkandidaten.
„Der starke Wunsch der Befragten etwa nach der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung (71 Prozent) und einer Einübung in die eigene Spiritualität (63 Prozent) kann vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit sexualisierter Gewalt und Geistlichem Missbrauch in unserer Kirche nur nachdrücklich begrüßt und gefördert werden“, so Gerber. Die Bedeutung der menschlichen Reife sei allerdings für den Priesterberuf auch deshalb zentral, „weil er immer auch als eine Rolle in einer Institution und als ein Seelsorger in oftmals komplexen sozialen Gefügen ausgeübt wird, in denen er nicht selten als Pfarrer leitend oder moderierend tätig“ sei: Hier kommen persönliche Bedürfnisse und berufliche Erfordernisse zusammen“, betonte Bischof Gerber.
In künftigen Erhebungen müssten allerdings mit Blick auf die aktuelle Seminaristensituation mehr Kandidaten mit Migrationshintergrund einbezogen werden. Ähnlich wie in den USA, wo ähnliche Erhebungen die aktuelle Studie inspirierten, sollten die Ergebnisse auch in Deutschland konkret zur Ausgestaltung der Berufungspastoral herangezogen werden.
Zölibat und negatives Image der Kirche Abschreckungsgründe
Angesprochen auf die Rolle, die der Zölibat in ihrem eigenen Leben spiele, stimmten knapp 39 Prozent der Teilnehmer an der Studie der Aussage zu, dass es Zeit brauche, ihn zu erfüllen. Über 21 Prozent sehen ihn demnach als Herausforderung, an die sie sich aber halten wollen. Rund 17 Prozent gaben an, ihn problemlos erfüllen zu können, 15,8 Prozent antworteten, dass es ihnen nicht immer gelinge, sich daran zu halten, während 6,5 Prozent ihn ihrer Aussage hingegen als nicht relevant beachteten und somit auch nicht befolgten.
Gerber, der auch stellvertretender Vorsitzende der Bischofskonferenz ist, warnte in diesem Zusammenhang jedoch davor, die Diskussion über den Priester-Beruf auf den Zölibat zu beschränken. „Die Gleichung: Zölibat fällt und die Zahl der Priesteramtskandidaten steigt, geht so nicht auf“, erklärte der Fuldaer Bischof. Der gleichzeitige Rückgang in anderen pastoralen Diensten sowie bei der evangelischen Kirche zeigten, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielten.
Neben Zölibat und Ehelosigkeit bewerteten viele der Befragten (82 Prozent) auch das negative Image der Kirche als wichtigen Grund, warum junge Männer nicht in das Priesterseminar einträten. Die Missbrauchskrise ist nach Meinung von etwa drei Viertel der Befragten ein wichtiges Hindernis. Mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten (15,3 Prozent) und schlechte Bezahlung (12,6 Prozent) spielten hingegen nur für eine Minderheit eine Rolle.
(pm/kna - cs)
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