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Jesus Christus, König des Universums Jesus Christus, König des Universums  (©paracchini - stock.adobe.com)

Unser Sonntag: Obacht!

Gott mutet uns Freiheit zu, meint Monsignore Erwin Albrecht. „Religio“ - die Bindung an eine Religionsgemeinschaft hilft dabei, für Gottes Gegenwart in der Welt wach zu bleiben.

Monsignore Erwin Albrecht

Joh 17, 6a 11b-19 7. Sonntag der Osterzeit (B) 


In einigen bayerischen Landstrichen, wo ich herkomme, sagen ältere Leute manchmal noch „Gib Obacht!“ und meinen damit so viel, wie „Pass auf! Fall nicht hin! Sei aufmerksam!“ – Wenn das „Obachtgeben“ mit einem Auftrag verbunden ist, dann heißt das so viel wie „Augen auf! - Gib Obacht auf deinen kleinen Bruder! Pass auf, dass er heute nichts anstellt, solange die Eltern weg sind!“

Hier zum Nachhören

Mir ist dieser Begriff eingefallen, als ich die Wort Jesu im heutigen Evangelium gelesen habe. Da geht es ja heute darum, dass Jesus sich von seinen Freundinnen und Freunden verabschiedet. Er weiß, dass er sie zurücklassen muss. Die letzten gemeinsamen Stunden sind gezählt. Und deswegen vertraut er alle, die mit ihm unterwegs waren, seinem Vater an. Er wendet sich an ihn und betet fast fürsorglich: „Vater, ich habe sie behütet!

„Gottes Name klingt, wie ‚Liebe‘, ‚Freiheit‘, ‚Wahrheit‘, ‚Freude‘, ‚Gegenwart‘, oder ‚Leben in Fülle‘.“

Ich habe auf sie Obacht gegeben, auf sie geschaut, auf sie aufgepasst. Ich habe ihnen deinen Namen ins Ohr geflüstert und ihnen erzählt, dass dein Name wunderschön ist, dass er klingt wie  klingt, wie ‚Liebe‘, ‚Freiheit‘, ‚Wahrheit‘, ‚Freude‘, ‚Gegenwart‘, oder ‚Leben in Fülle‘. Und ich habe ihnen gesagt, dass sie darauf achten sollen, dass die Welt deinen Namen mit allem, was er bedeutet nie mehr vergisst!“ Und weiter bittet Jesus seinen Vater: „Ich habe das Meine getan! Bewahre du sie jetzt vor dem Bösen! Gib Obacht auf sie! Ich habe ihnen gesagt, dass es jetzt an ihnen liegt, das weiterzugeben, was ich ihnen von dir erzählt habe. Aber sie brauchen weiterhin dein Wort, auf das sie sich verlassen können, eine Wahrheit, die sie trägt, und einen Glauben, der aus einer tiefen Freiheit kommt, die du allen Menschen ins Herz gelegt hast.“

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Obacht geben bedeutet Verantwortung

Wenn ich Jesus so beten höre, klingen da Gefühle mit, die auch Eltern oft haben, wenn ihre Kinder flügge geworden sind und sie sie hinausziehen lassen müssen in die weite Welt, wenn sie sie nicht mehr behüten, auf sie Obacht geben können, wenn die Kinder selber auf sich und die anderen aufpassen müssen. Und diese Sorge ist ja nicht ganz unberechtigt. Denn wie in der Welt mit ihren Tücken auch viele Gefahren lauern, birgt der Weg in die Freiheit auch immer das Risiko in sich, sich zu verlaufen, sich vom ‚Bösen‘ zum Bösen verleiten zu lassen, wie das ja beim „Sohn des Verderbens“ – wie Jesus seinen Freund Judas bezeichnet - deutlich wurde.
Wer mit dem „Obacht geben!“ beauftragt ist, bekommt eine Verantwortung übertragen. Er muss wach sein und gut ‚be-obacht-en‘.

Freiheit gehört zum Wesen des Menschen

Die Möglichkeit, auch ins Verderben rutschen zu können, hat einen tieferen Grund. Und der ist grundgelegt seit es Menschen gibt. Er liegt im Wesen jedes Menschen, in der Freiheit, die ihm Gott mit seiner Geburt in die Wiege gelegt hat. Davon bin ich überzeugt. Nicht umsonst ist das schon Thema auf den ersten Seiten der Bibel, wenn dort die Rede ist vom Paradies, vom „Garten Eden“. Paradies beschreibt einen Raum, den Gott für seine Geschöpfe geschaffen hat, damit sich dort Leben voll entfalten kann, wo über allem sein Name steht und sein Segen liegt.

Im Paradies ist alles im Lot

Mit Paradies ist ein Zustand beschrieben, bei dem alles ausgewogen und im Lot ist. Hier passt alles gut zusammen, die ganze Schöpfung: Natur, Tiere und Menschen. Mit anderen Worten: Seit Gott Erde und Himmel gemacht hat, ist der Garten Eden gedacht als Ort, an dem der Mensch sich mit all seiner Freiheit entfalten darf.
Denn dort mitten hinein platziert Gott den Menschen als sein Abbild, als sein Ebenbild. Wie Gott aus dem Gesicht geschnitten sollen sie sein, Männer und Frauen. Und es ist unglaublich, welche Vielfalt Gott mit ein paar Augen, Ohren, Nase und Mund über die Jahrtausende hinweg kreiert hat. Für alle gilt: Wer einem/r von seinen Geschöpfen begegnet, soll ahnen dürfen, wie Gott ist.

Adam und Eva verspielen die Freiheit

Gott haucht dem Menschen das Leben ein, bläst ihm den „Odem des Lebens“ ein und stattet ihn aus mit allem, was für das Leben gut ist. Wir leben aus seinem göttlichen „Hauch von Freiheit“.
Gott traut uns Menschen zu, dass wir unserem Wesen entsprechend mit dieser Freiheit achtsam umgehen und seinem Namen alle Ehre machen. Das traut er uns zu. Er ist so frei. Das mutet er uns zu. Und das ist mutig. Denn er riskiert damit, dass wir uns als freie Menschen anders entwickeln, als das seinem Bild entspricht.

Gott meint es ernst

Gott meint es ernst mit der Freiheit und mit allen Konsequenzen. Wer in der Bibel ein paar Seiten weiterblättert, merkt schnell: Die ‚Ureltern‘ Adam und Eva gehen nicht gut um mit ihrer Freiheit. Sie verspielen sie. Sie unterliegen der Versuchung, selber festzulegen und zu wissen, was gut und was böse ist. Und wer das tut, ist dem Tod näher, als dem Leben. Sie essen vom Baum der Erkenntnis. Darin liegt der Kern allen Übels. Das ist mehr, als ein Fastenopfer zu brechen. Ihre Freiheit verleitet sie zu meinen, sie sind so frei, ‚Gott‘ zu spielen und verwechseln dabei, dass sie zwar ‚Bild Gottes‘ aber nicht ‚Gott selber‘ sind.

„Menschen lassen sich versuchen, ihre Freiheit zu missbrauchen“

Das hat Konsequenzen. Mit ihrem Verhalten setzen sie ihr Leben und die Freiheit all ihrer Nachkommen aufs Spiel. Und so nimmt seinen Lauf, was sich im Laufe der Menschheitsgeschichte immer wieder wiederholen wird: Menschen lassen sich versuchen, ihre Freiheit zu missbrauchen. Sie tun so, als wären sie Gott. Und die Folgen sind bitter ernst. Sie nützen ihre Freiheit, um Gott zu spielen und rufen damit den Teufel auf den Plan. Sie reizen aus, was geht, und merken oft erst viel zu spät, dass sie dabei auch noch den letzten Hauch von Paradies ‚verspielen‘. Das ist die nackte Wahrheit, die auch nicht durch ein paar Feigenblätter vertuscht werden kann.

„Die Aufenthaltsgenehmigung für das Paradies ist verspielt - wir sind Flüchtlinge“

Bis heute tragen wir die Konsequenzen der Spielerei von damals. Wir leben nicht mehr im Paradies. Gut, Rom ist schon sehr schön … aber das Paradies? - Die Aufenthaltsgenehmigung für das Paradies ist verspielt. Adam und Eva sind Vertriebene. Und alle ihre Kinder auch … damit müssen wir leben. Wir sind Flüchtlinge auf der Suche nach einer neuen Heimat, nach einer neuen Freiheit, nach einem neuen Paradies.
Viel zu spät aufgegangen waren damals die Augen bei den Urvorfahren, bis sie erkannten, dass sie das Paradies verspielt hatten, bis sie erkannten, dass sie nackt waren, dass sie nichts mehr hatten, was ihnen Schutz gab, woran sie sich halten konnten; denn mit ihren paar Feigenblättern konnten sie auch keine großen Klimmzüge mehr machen.
Ich stelle es mir schwer vor, wenn jemand allein in unserer komplexen Welt unterwegs ist und sich im chaotischen Vorgarten Edens zurechtfinden soll. Er ist zwar frei, aber woran sollen er sich denn orientieren, um in aller Freiheit den richtigen Weg zu wählen und verantwortliche Entscheidungen zu treffen.

Unsere Heimat ist im Himmel

Viele Menschen sind deswegen dankbar für ihren Glauben an Gott. Sie erinnern sich, woher sie kommen. Und sie spüren, wohin es sie zieht, woraufhin sie in ihrem Innersten ausgerichtet sind. Bei all ihrem Suchen nach einem Sinn für ihr Leben finden sie Halt in einer Gemeinschaft, die über Jahrtausende im Namen Gottes diese Erinnerung an ein Paradies wachhält, für das wir bestimmt sind, die an einen Gott erinnert, der mit uns Menschen unterwegs ist und dessen Engel uns durch die Stürme der Zeit tragen, die erinnert an ein Ziel des Lebens, das über alle Grenzen dieser Welt hinausweist: Unsere Heimat ist im Himmel. Solche Sinnsucher erfahren, dass ihr Leben gewinnt, wenn sie sich an Gott festbinden, wenn sie sich einbinden in eine Gruppe von Männern und Frauen, die gemeinsam versuchen, den Willen Gottes besser zu erkennen, wenn sie sich rückbinden an eine Religion, die Werte stabilisiert, ohne die der Diabolos gerade zu machen könnte, was er will.

„Ja, ich bin so frei, dass ich mich auch an eine Religionsgemeinschaft binden kann“

„Religio“ auf Deutsch: „Ich binde mich zurück“, „ich binde mich fest“. - Ja, ich bin so frei, dass ich mich auch an eine Religionsgemeinschaft binden kann, die meine Aufmerksamkeit für Gottes Gegenwart in der Welt wachhält. Sie hilft mir, sorgsam und kritisch zu beobachten und den Mund aufzumachen, wenn Gefahr droht, dass nicht mehr Gottes Atem, Gottes Geist, nicht mehr sein Hauch von Freiheit und Leben durch die Gassen weht, sondern andere ‚Pseudogötter‘ sich aufblasen nach Art der ‚Laubbläser‘, die zwar mit viel Lärm Staub aufwirbeln, aber letztlich nur viel Dreck von einem auf den anderen Haufen blasen, aber in keiner Weise die Puste aufbringen, irgendetwas Kreatives zu schaffen, was auch nur den Hauch eines Paradieses in greifbare Nähe rückt.
Ich bin dankbar für alle ‚rückgebundenen‘ Menschen, die ihr Leben aus einer inneren Freiheit heraus gestalten, die Verantwortung übernehmen für das, was sie tun und auch für das, was ihnen misslingt, und die ‚Obacht‘-geben und mit ihrem Namen dafür einstehen, dass die Welt nicht zum Teufel geht.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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11. Mai 2024, 09:48