Unser Sonntag: Viele Wege führen zu Gott...
Monsignore Erwin Albrecht
Mt 28, 16-20 Dreifaltigkeitssonntag (B)
„Viele Wege führen zu Gott. Einer geht über die Berge.“ – Jedes Mal, wenn ich selber auf einem Berg stehe und fasziniert bin, von der Weite und Schönheit der Natur, kommen mir diese Gedanken in den Sinn, die der langjährige Bischof von Innsbruck, Reinhold Stecker, vor vielen Jahren einmal gesagt hat. Die Erfahrung, auf einem Berg dem Himmel ein Stückchen näher zu sein, durften in unzählige Menschen im Laufe der Geschichte immer wieder machen. Deswegen sind in vielen Religionen die Gipfel von Bergen „hoch und heilig“.
So werden auch in der Bibel oft Berge als Orte benannt, an denen die Wege Gottes und der Menschen sich kreuzen. Auf dem Sinai offenbart Gott seinen Namen ICH-BIN-DER-ICH-BIN-DA.
Auch im Neuen Testament ereignen sich ganz wesentliche Begegnungen im Bergland von Judäa beim Gipfeltreffen der beiden Schwangeren Elisabeth und Maria. Auf dem Tabor erkennen die Jünger Jesu sein wahres Wesen. Der Evangelist Matthäus komponiert zentrale Sätze der Botschaft Jesu zu einer großen Rede zusammen, die wir unter dem Begriff „Bergpredigt“ kennen. Am Ölberg begreift Jesu mit allem Schmerz, was ihm bevorsteht. Am Kalvarienberg öffnet sich sein Weg durch das Reich des Todes hindurch in den Himmel hinein.
Und heute begegnet uns im Evangelium ein ganz bestimmter Berg in Galiläa, den Jesus den Jüngern als Treffpunkt nach seiner Auferstehung angibt. Wir erfahren nicht näher, wie der Berg heißt. Aber er wird zum Ort, an dem der Evangelist Matthäus sein ganzes Evangelium gipfeln lässt in der Aussage: „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt!“. Das ist wie ein großer Schlussakkord, der für alle Zeit und Ewigkeit weiterklingen und nachhallen soll, damit die Welt das nie wieder vergisst. Das ist die Fortsetzung zu dem, was Jesus schon einmal formuliert hat als Quintessenz seiner göttlichen Hoffnungsbotschaft für uns Menschen: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben!“
Was kann einem mit so einer Zusage noch abgehen? Mit dieser Nachricht lässt es sich leben und am Ende auch einmal gut sterben.
Lebens-Tipps - Leben in Fülle
Damit es sich nachhaltig gut leben lässt und diese himmlischen Hoffnungsklänge auf dem Berg in Galiläa nicht ungehört verklingen, hat Jesus seinen Freunden nahegelegt: „Sorgt dafür und lebt so, dass alle Völker, dass alle Menschen, dass die ganze Welt hellhörig wird für das Liebeslied Gottes. Dass Frauen, Männer, Kinder, und Erwachsene, Junge und Alte aller Hautfarben und egal, wo auf dieser Welt sie leben, diese Schwingung aufnehmen und selber zum Resonanzkörper werden. Lasst sie eintauchen in das Geheimnis der Liebe, für das ich hier stehe, zusammen mit meinem Vater und dem Heiligen Geist. Lasst die Menschen etwas spüren von dem, wofür wir mit unserem Namen stehen. Bringt sie mit dem Wasser in Verbindung, das Leben in Fülle ermöglicht, und dem Wort, auf das sie sich für immer und ewig verlassen können. Öffnet ihnen eine Quelle der Liebe, die niemals wieder versiegt!“
Jesus weitet den Horizont
Auf dem Berg in Galiläa will Jesus den Horizont seiner Freunde und aller, die sich nach Leben sehnen, weiten. Und er tut das ganz konkret. Er erinnert dabei an etwas, mit dem er selber groß geworden ist, was ihm selber eine Stütze war, und was er deswegen allen weiterhin als Lebenshilfe ans Herz legt. Der Berg, auf dem Gott seinen Namen preisgibt und seine dauerhafte Gegenwart bestätigt, ist der Sinai. Dort erfährt Mose, was er und seine Leute brauchen, damit das Leben gelingen kann, dass es gut wird, nämlich die 10 Gebote, die 10 Weisungen.
Vom Sinai spannt sich der Bogen bis zum „Berg in Galiläa“. Am Ende des Matthäusevangeliums legt Jesus seinen Jüngern ans Herz: „Tut das, was ich euch getan habe! Sagt das weiter, was ich euch gesagt habe! Befolgt das, was ich euch geboten habe. Zusammengefasst: Liebt einander, wie ich euch geliebt habe! Das ist mein Testament!“
Für Jesus und für das ganze Volk Gottes gehört es zu einer der wichtigsten Glaubenserfahrungen, dass Gott sein Volk nie verlässt und alles daransetzt, es immer wieder aus allen Zwängen, in die es sich selbst gebracht hat, zu befreien. Spektakulär befreit Gott sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten. Aus einem Bereich des Todes führt er es wieder ins Land des Lebens. Das bedeutete eine neue Zukunft für alle Frauen, Männer, Kinder, Junge, Alte, … Alle sollen als Befreite leben.
GOD first
Und die Parallele zu Jesus liegt doch nahe. Er bekräftigt diese Erfahrung mit seinem ganzen Leben und sagt: „Ich führe euch heraus aus allen Verstrickungen des Lebens und den Untiefen des Todes. Ihr alle sollt als Geliebte leben!“
Im bin mir sicher, dass da unausgesprochen auch die ganz konkreten und bewährten lebenspraktischen Regeln mitschwangen, die man an den 10 Fingern der Hände abzählen kann, und die jeder vernünftige Mensch nachvollziehen kann. Wenn du eine Atmosphäre bewahren möchtest, die von Liebe geprägt ist, in der du und deine Familie und alle anderen gut leben können, dann …
- wirst du dafür sorgen, dass nichts und niemand Gottes Stelle einnimmt, sondern ER die Mitte eurer Gemeinschaft bilden kann; m.a.W.: „GOD first!“
- wirst du genügend Raum lassen, der nicht von der Arbeit belegt ist, sondern das Ruhen vor Gott und das zweckfreie Dasein mit deinen Mitmenschen ermöglicht
- wirst du einen Blick dafür entwickeln, was deine Eltern von dir brauchen
- wirst du das Leben anderer nicht kaputt machen und töten
- wirst du nicht in Lebens- und Liebesbeziehung einbrechen und sie zerstören
- wirst du dich nicht am Eigentum oder an der Partnerin deines Nachbarn vergreifen
- wirst du nicht die Wahrheit verdrehen
10 Gebote: Uralte Erkenntnisse
Uralt sind diese Erkenntnisse, wie das Zusammenleben in einer Gesellschaft gut gelingen kann. Über Jahrhunderte hinweg haben diese 10 Weisungen daran erinnert: Sei verantwortlich für das, was du tust und was du lässt! Es hängt an dir und an jedem Einzelnen, wohin sich eine Gesellschaft bewegt, wie sie mit dem Leben umgeht, welche Werte in ihr wichtig sind, worauf auch zukünftige Generationen weiterbauen können.
Konkret ließen sich alle 10 Erkenntnisse, Überlegungen, Weisungen, Beobachtungen, Gebote (…wie immer wir sie nennen wollen) abklopfen, wie sie uns unterstützen, zukunftsfähig zu bleiben und Gottes Gegenwart aufscheinen zu lassen. Oder wie es sich auswirken kann, wenn wir ihnen keine Bedeutung zumessen. Ich greife heute aber nur eine Beobachtung davon auf, weil sie mich momentan umtreibt.
Lügen spaltet
In der Bibel heißt es da so prägnant und knapp wie nur möglich formuliert, als Grundlage für ein gutes Leben: „Du wirst nicht lügen!“ Das ist einsichtig, meistens auch für jemanden, der jetzt nicht an Gott glaubt. Denn jeder kennt das: Wenn mich einer anlügt, dann verliere ich das Vertrauen zu ihm. Wenn sein ‚Ja‘ kein ‚Ja‘ und sein ‚Nein‘ kein ‚Nein‘ ist, dann glaube ihm nicht mehr. Er hat bei mir sein Vertrauen verspielt. Wenn jemand die Wahrheit verdreht oder mit Halbwahrheiten daherkommt, werde ich ärgerlich und glaube ihm auf Dauer ebenfalls nichts mehr.
Lügen spaltet, zerstört Vertrauen, vergiftet die Atmosphäre. Lügen im kleinen alltäglichen Bereich erschweren das Zusammenleben. Und das wird im großen Stil noch gefährlicher.
Vor allem wenn das Lügen zu einer Strategie wird, wenn nicht nur Einzelne auf ihre Lügenwelle sich durchs Leben mogeln, sondern wenn ganze Strömungen ein Land überfluten, wenn Fake-News die Runde machen, wenn „alternative Fakten“ gegen „reale Tatsachen“ aufgefahren werden, wenn mit „Täuschung“ gearbeitet wird und „Wahrheit“ mit „vermeintlicher Wahrheit“ ver’tausch‘t wird. Wenn man einfach mal die Einen als „Lügenpresse“ ausmacht und wenn sich Andere als die „Aufklärer“ ausgeben, und jeder mit seinem Smartphone kräftig mitmischen kann, das geht so leicht … und: macht so viel kaputt.
Unsere Verantwortung
Ich bin dankbar für das heutige Evangelium, das mich an meine Taufe erinnert, mir meine Verantwortung für die Welt in Erinnerung ruft und mich aus der Zuversicht leben lässt: Es stimmt und ich darf mich darauf verlassen, weil es der Gottessohn höchstpersönlich verspricht: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.
(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)
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