D: Herz-Verehrung hat eine lange spirituelle Tradition
DOMRADIO.DE: An diesem Freitag ist das Hochfest Heiligstes Herz Jesu, im Kölner Dom ist die Priesterweihe mit drei Priesteramtskandidaten, am Samstag ist der Gedenktag „Unbeflecktes Herz Mariä“. Und ganz frisch hat Papst Franziskus für September ein neues Dokument über die katholische Herz-Jesu-Verehrung und die Liebe von Jesus Christus angekündigt.
Das menschliche Herz wird heute vor allem medizinisch gesehen und doch sprechen wir nach wie vor von „Herzensanliegen“ oder sagen beispielsweise: „Da hängt mein Herz daran“. Warum begeht die Kirche am Freitag das Hochfest „Heiligstes Herz Jesu“ und am Samstag den Gedenktag „Unbeflecktes Herz Mariä“?
Prof. Dr. theol. Manuel Schlögl (Lehrstuhlinhaber Dogmatik und Ökumenischer Dialog an der Kölner Hochschule für Katholische Theologie): Wie Sie sagen: das Herz ist bis heute ein bedeutungsvolles Symbol in unserer Alltagswelt - man denke nur an die vielen Schlösser in Herzform an der Hohenzollernbrücke, mit denen Liebespaare ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht haben.
In der Bibel ist das Herz nicht nur der Sitz der Gefühle, sondern der Sitz des Lebens überhaupt, die Personmitte - und damit auch ein Ort der Gottesbegegnung. Gott kennt und prüft das Herz des Menschen, und er wendet uns sein Herz zu.
In Jesus Christus steht uns das Herz Gottes in einmaliger Weise offen, in ihm wird uns Gottes Liebe unwiderruflich zugesagt. Das Hochfest „Heiligstes Herz Jesu“ wurde erst 1856 in der katholischen Kirche eingeführt, aber es hat schon eine lange Tradition, in der mittelalterlichen Mystik und in zahlreichen Ordensgründungen zu Beginn der Neuzeit.
Geschichtlich sehr eng verbunden damit ist der Gedenktag „Unbeflecktes Herz Mariä“ - hier steht das Herz für die Haltung des Menschen Gott gegenüber, für das Vertrauen und den Glauben, die es braucht, um Gott nahe zu kommen. Man könnte sagen: die beiden Festtage stehen zueinander wie Ruf und Antwort, Schloss und Schlüssel.
DOMRADIO.DE: Schauen wir auf die einzelnen Tage. Warum gibt es für das Herz Jesu sogar ein Hochfest?
Schlögl: Das Herz Jesu-Fest markiert die erfahrbare Seite des Christus-Glaubens der Kirche, es ist Ausdruck einer spirituellen Christologie. Es gehört zu den sogenannten „Herrenfesten", also Christus-Festen, und genießt im Kirchenjahr als Hochfest eine besondere Verehrung.
Die Krise des Glaubens liegt in Deutschland auch daran, dass wir uns zu sehr mit uns selbst beschäftigen und an innerkirchlichen Problemen abarbeiten, statt wieder einmal die große Frage nach Gott zu stellen. Dagegen weitet das Herz-Jesu-Fest den Blick, indem es uns sagt: Gott hat sich uns in Jesus Christus wirklich zugewandt und uns sein Gesicht gezeigt. Gut, dass es dieses Fest gibt!
DOMRADIO.DE: Die Herz Jesu-Verehrung hat den Karfreitag im Blick. Woher kommt die Verbindung zum Herzen Mariens?
Schlögl: Das ist richtig, das Herz-Jesu-Fest wurde im Mittelalter zunächst als Fest der Heiligen Lanze oder der fünf Wunden Jesu gefeiert, es hat also einen starken Bezug zur Passion. Das Johannesevangelium berichtet ausdrücklich von der Öffnung des Herzens Jesu am Kreuz und sieht darin eine Prophetie aus dem Buch Sacharja erfüllt: „Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben.“ Das „Schauen“ bedeutet hier auch das Erkennen, dass uns der Gekreuzigte von Sünde und Tod erlöst hat.
Im Herzen Mariens ist sozusagen das erste „Echo“, die erste liebende Antwort auf den Kreuzestod erfolgt, weil sie direkt unter dem Kreuz ihres Sohnes stand. Durch ihr Mitleiden und Mitlieben nimmt sie teil am Erlösungsgeschehen, und diese innere Größe verehrt die Kirche im Herzen Mariens.
DOMRADIO.DE: Vor anderthalb Jahren hat Papst Franziskus die Welt und insbesondere Russland und die Ukraine dem Unbefleckten Herzen Mariens geweiht. Warum hat er das ausgerechnet in Bezug auf das Herz Mariens getan?
Schlögl: Papst Franziskus hat sich mit der Marienweihe in eine Gebetstradition gestellt, die schon Pius XII. und Johannes Paul II. im Blick auf Russland und die ganze Welt praktiziert haben.
Die Marienweihe ist einfach ein Akt besonderer Bitte in Zeiten der Not, im Bewusstsein, dass unsere menschlichen Möglichkeiten sehr begrenzt, aber Gottes Möglichkeiten unendlich sind. Maria reicht gewissermaßen unser Anliegen an Gott weiter, ihre Haltung des bedingungslosen Vertrauens gilt es immer wieder einzuüben, weil wir doch in einer Welt leben, die stark von dem geprägt ist, was wir Menschen machen können. Wo wir an unsere Grenzen stoßen, reicht uns Maria die Hand und hilft weiter. Diese Erfahrung wird bei einer Marienweihe wieder lebendig.
DOMRADIO.DE: Die Frömmigkeit um das Herz Mariens oder das Herz Jesu erscheint heute Gläubigen vielleicht etwas fremd. Wie kann man diese Frömmigkeitsform den Menschen von heute nahe bringen?
Schlögl: Von Blaise Pascal, dem genialen Philosophen und radikalen Christen am Beginn der Neuzeit, stammt der wichtige Satz: „Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht versteht.“ Im französischen Original sind „Gründe“ und „Vernunft“ dasselbe Wort.
Das heißt, wenn wir auf unser Herz hören, erkennen wir manchmal mehr als mit der bloßen Vernunft. In unserer so durchorganisierten, so zweckmäßig eingerichteten Welt brauchen wir Menschen „Herz-Räume“, in denen wir uns einer inneren Erfahrung öffnen, in denen spirituelles Leben sich entfalten kann. Das Gebet der Herz Jesu-Litanei oder des Rosenkranzes in einem bestimmten Anliegen kann dabei eine große Hilfe sein.
Insofern erinnern uns die beiden Festtage an etwas, das wir nicht vergessen dürfen: dass wir Menschen nicht nur Kopf und Verstand, sondern auch Herz und Liebe sind und beides im christlichen Glauben zusammengehört.
Das Interview führte Mathias Peter.
(domradio – mg)
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