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Wandmalerei in Homs, Syrien Wandmalerei in Homs, Syrien 

„Syrien ist ein wunderbarer Ort, um als Jesuit zu leben"

In Syrien, wo der junge Jesuit Gerald Baumgartner von 2021 bis 2023 lebte und wirkte, hat er erstmals am eigenen Leib erfahren, was Not wirklich bedeutet. Zugleich war die Arbeit vor Ort „wohl die sinnvollste, die er bisher leisten konnte“, berichtet Baumgartner in der aktuellen Folge des Podcast „Orden on Air“.

Der Ordensmann erklärt dabei wörtlich: „Dafür bin ich ja Jesuit geworden: Dass ich dorthin gehe, wo die Not am größten ist. Deswegen war das ein wunderbarer Ort, dort als Jesuit zu leben.“

Plötzlich Nothilfe-Koordinator

Baumgartner lebte zwei Jahre in Homs und war im örtlichen Jesuitenkloster vor allem für die Jugendarbeit zuständig. Im Februar 2023 ereignete sich dann allerdings das verheerende Erdbeben in Nordsyrien und der Türkei. Damals übernahm der Jesuit von einem Tag auf den anderen die Koordination der Nothilfe in Mittelsyrien.

Über die Erlebnisse in Syrien, über seinen ganz persönlichen Weg zum Jesuiten und die umfangreiche und anspruchsvolle Ausbildung zum Jesuiten berichtet Baumgartner in der neuen Podcast-Folge.

„Unterwegs mit einem orthodoxen, einem sunnitischen und einem alawitischen Freund“

„Der 6. Februar 2023 war ein völlig regnerischer, leiser Tag. Es war eine Totenstille, eine Schockstarre“, erinnert sich Baumgartner an den Tag nach dem verheerenden Erdbeben. Nach dem ersten Schock begannen damals sofort die Aufräum- und Hilfsarbeiten. Gerald Baumgartner schnappte sich einen Kleinbus und fuhr mit einem orthodoxen, einem sunnitischen und einem alawitischen Freund zu den Familien in Homs, um zu helfen. Sie begannen für die Menschen zu kochen. „Zu Beginn waren es 20 Portionen, nach wenigen Tagen kochten wir 780 Mahlzeiten, die wir im Hof der Jesuiten-Kommunität verteilten“, erinnerte er sich. Alles rein provisorisch; mit großen Gaskartuschen, Feldöfen und Riesentöpfen.

Unvorstellbares Leid

„Am dritten Tag habe ich mich dann mit den anderen Kirchen - insgesamt waren sieben Konfessionen in Homs - abgesprochen, und wir haben ein Hilfswerk für Homs gegründet. Und obwohl ich der einzige Ausländer in der Gruppe war, wurde ich zum Koordinator bestimmt“, erzählte der Jesuit. Man organisierte Unterkünfte, Matratzen, Nahrung, Kleidung und Medikamente. Die Menschen konnten im Jesuitenkloster ihre Handys aufladen und Baumgartner übernahm auch die Koordination der psychosozialen Betreuung der Menschen vor Ort: „Die Geschichten, die mir dort erzählt wurden, sind für uns unvorstellbar: Es sind Geschichten vom Krieg, von Fluchterfahrungen, von Vergewaltigungen, von ermordeten Familienmitgliedern.“

Wenn Strom und Wasser fehlen

Der gebürtige Oberösterreicher hat in Syrien auch persönlich erfahren, was Kälte eigentlich heißt, dass es Luxus ist, 24 Stunden am Tag Strom und Warmwasser zu haben oder auch jederzeit reines Trinkwasser trinken zu können. Die Situation in Homs schilderte Baumgartner so: „Strom kommt alle sechs Stunden und man weiß nie, für wie lange. In den ersten paar Monaten habe ich zehn bis 15 Kilo abgenommen, weil ich das verunreinigte Wasser trinken musste. Es gibt kein Warmwasser - bei sechs Grad im Zimmer dann auch noch kalt zu duschen, ist eine Herausforderung.“

Zugleich hielt er fest: „Es war schon hart, aber ich fand die Arbeit, die ich dort gemacht habe, so unglaublich sinnvoll. Dafür bin ich ja Jesuit geworden: Dass ich dorthin gehe, wo die Not am größten ist. Deswegen war das ein wunderbarer Ort, dort als Jesuit zu leben.“

Herausfordernde Ausbildung

Am Beginn des Weges im Jesuitenorden steht ein zweijähriges Noviziat. In dieser Zeit finden auch die ersten 30-tägigen Exerzitien statt. - Ein ganzer Monat Schweigen und Meditieren. Nach dem Noviziat folgen meist das Philosophie- und Theologiestudium, die für jeden Jesuiten Pflicht sind. Später folgt oft noch ein drittes Aufbaustudium. Zwischen den Studien erfolgt im Magisterium - einem mehrjährigen Auslandsaufenthalt - die Praxisphase nach dem Motto „Hauptsache nah an und mit den Menschen“. Während der gesamten Ausbildung stehen auch verschiedene weitere Praktika - sogenannte „Experimente“ - auf dem Plan. Gerald Baumgartner hat seine „Experimente“ in einem Krankenhaus in Wien, in einem Jugendzentrum in Innsbruck, bei Straßenkindern im Kosovo und auch in einem Jugendgefängnis gemacht.

„Das Ende der breitgefächerten und internationalen Jesuitenausbildung bildet das Terziat - eine weitere Reflexionsphase“

Nach erfolgreichem Abschluss der beiden Studien und Absolvierung des Magisteriums folgen die Diakon- und Priesterweihe. Das Ende der breitgefächerten und internationalen Jesuitenausbildung bildet das Terziat - eine weitere Reflexionsphase. In diesem Jahr geht es darum, in fremder Umgebung noch tiefer in die Berufung zum Jesuit-Sein und in die Christus-Nachfolge hineinzuwachsen. Dazu gehören neben der praktischen Arbeit auch nochmals 30-tägige Exerzitien. Nach dem Terziat legen Jesuiten die letzten Gelübde ab und sind damit „Vollmitglieder“ der Gesellschaft Jesu.

Auf diesem langen Weg hin zum „fertigen Jesuiten“ steht Baumgartner gerade am Ende des Theologiestudiums und bereitet sich auf die Priester- bzw. Diakonweihe vor. Er sei mit voller Überzeugung Jesuit: „Jeden Tag freue ich mich wieder, ein Jesuit zu sein. Ich erfahre die letzten acht Jahre, seitdem ich im Orden bin, wirklich als Geschenk.“ Das sei auch zu einem guten Teil seinen Oberen zu verdanken, „die mir mehr zugetraut haben, als ich mir selbst zutrauen würde. Ich bin in jeder Aufgabe gewachsen.“

Mehr zum Podcast

Der Podcast „Orden on Air“ der Ordensgemeinschaften Österreich holt Ordensfrauen und -männer vor den Vorhang bzw. vor das Mikrofon. Ziel ist es, interessante Persönlichkeiten und besondere Talente vorzustellen sowie das Engagement von Ordensleuten in den vielfältigen Bereichen des Lebens zu zeigen. Der Podcast der Ordensgemeinschaften Österreich ist auf allen größeren Audioplattformen zu finden.

(kap – pr)

 

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31. Juli 2024, 15:57