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Schafe ohne Hirten Schafe ohne Hirten 

Unser Sonntag: Wir sind gesandt

Nach der Aussendung sucht Jesus einen stillen Ort, so Pater Lukasz, und sieht dann die vielen Menschen, die schon da sind und auf ihn warten. Und was nun? Wie reagiert er? Lässt er sie warten? Letzendlich geht es um den Rhythmus von Aussendung und Zurückkehr zum Herrn.

Pater Lukasz Strytz-Steinert OCD, Rom

Sechzehnter Sonntag – im Jahreskreis

Evangelium Mk 6, 30–34


Am letzten Sonntag hat Jesus die zwölf Apostel ausgesandt, damit sie an verschiedenen Orten das Evangelium verkünden und die unreinen Geister austreiben. An diesem Sonntag kommen sie von ihrer Mission zu Jesus zurück. Sie berichten Ihm von dem, was sie erlebt haben, als sie in seinem Namen unterwegs waren.

Hier zum Nachhören

„Jesus ist mir großer Selbstverständlichkeit für die Menschen da. Er hat Mitleid“

So steigt Jesus aus dem Boot, sieht die vielen Menschen, die schon da sind und auf ihn warten. Und was nun? Wie reagiert er? Lässt er sie warten? Weist er sie verärgert zurecht, dass sie nicht einmal seine Privatsphäre respektieren?
Davon ist im Evangelium nichts zu lesen. Es wird berichtet, dass Jesus mir großer Selbstverständlichkeit für die Menschen da ist. Er hat Mitleid mit ihrer Not. Er sieht, dass sie Ihn brauchen, „denn sie waren wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mk 6,34). Und so bleibt er lange mit ihnen.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Jesus kam, um zu dienen 

Darin zeigt sich, wer Jesus ist, was er will und wozu Er in diese Welt gekommen ist: Um zu dienen. Er wurde vom Vater in diese Welt gesandt, um diese Welt zu lieben und den Menschen in dieser Liebe zu dienen. Und er beruft Menschen, damit sie an dieser Sendung und an diesem Dienst teilhaben. Das ist das Wesen des Christentums, das Wesen der Kirche. Sehr prägnant hat es Joseph Ratzinger in seiner „Einführung in das Christentum“ formuliert. „Wer kann schon einem Fragenden fassbar in einiger Kürze sagen, was das eigentlich ist: ‚Christ-sein‘?“, fragte der damals junge Theologe.

„Ratzinger: Christsein ist seiner ersten Zielrichtung nach nicht ein individuelles, sondern ein soziales Charisma. Man ist nicht Christ, weil nur Christen ins Heil kommen, sondern man ist Christ, weil für die Geschichte die christliche Diakonie Sinn hat und vonnöten ist“

Die Antwort lautet: „Christsein ist seiner ersten Zielrichtung nach nicht ein individuelles, sondern ein soziales Charisma. Man ist nicht Christ, weil nur Christen ins Heil kommen, sondern man ist Christ, weil für die Geschichte die christliche Diakonie Sinn hat und vonnöten ist“.
Wir sind Christen, um in dieser Welt einen Dienst zu verrichten. Nein, nicht irgendeinen Dienst: wir sind berufen, mit dem ganzen Leben die Haltung Jesu verkörpern, der gekommen ist, um in Liebe für alle da zu sein.
Das will aber keineswegs eine kopflose oder womöglich zerstörerische Selbstaufgabe bedeuten! Die Religionspsychologie kennt verschiedene Typen von angeblich heroischem Dienst, der jedoch nicht in echter Liebe geschieht, sondern in unreiner oder ungesunder Motivation wurzelt. Echter Dienst im Namen Jesu geschieht in Liebe und Wahrheit.

Echter Dienst in Liebe und Wahrheit 

Die Berufung der Zwölf kennt nämlich zwei Momente, die unzertrennbar zusammengehören. Im dritten Kapitel des Markusevangeliums heißt es, Jesus hat die Apostel eingesetzt, „damit sie mit ihm seien und damit er sie aussende“ (Markus 3,14). Bei Jesus sein und von ihm ausgesandt werden. In seiner Liebe bleiben und sie durch Wort und Tat bezeugen gehören zusammen.
Das betrifft nicht nur die pastoralen Berufe, die in der Regel eine Zeit der spirituellen und intellektuellen Vorbereitung kennen, auf die eine Aussendung oder Weihe folgt. Diese zwei Momente sollen jedes christliche Leben, jede Berufung prägen. Ausgesandt werden zum Dienst und zurückkommen, um bei Jesus zu sein.

Rhythmus: Aussendung und Rückkehr

Nicht als ein Nacheinander, sondern als ein Rhythmus: Jesus sendet mich, ich komme zu ihm zurück. Natürlich, um wieder neu ausgesandt zu werden. Wie wichtig ist es, dass wir alle so einen Rhythmus entdecken, der in die jeweilige Lebenssituation und Berufung passt und mir hilft, als Christ, also als Zeuge zu leben.
Die Heilige Edith Stein gibt uns inspirierende Ratschläge, wie man einen Tag in diesem Rhythmus gestalten kann. Diese Ratschläge formuliert sie nicht nur für Priester oder Ordensleute, sondern für Laien, die im Familien- und Berufsleben stehen.

Ratschläge der Hl. Edith Stein

„Wenn wir morgens erwachen, wollen sich schon die Pflichten und Sorgen des Tages um uns drängen (falls sie nicht schon die Nachtruhe vertrieben haben)“, schreibt die Heilige. Wer kennt solche Sorgen und Fragen nach dem Aufwachen nicht: „Wie soll das alles in einem Tag untergebracht werden? Wann werde ich dies, wann jenes tun? Und wie soll ich dies und das in Angriff nehmen?“ Es mag sein, dass wir manchmal immens viel zu tun haben, dann wieder weniger. Aber das Risiko, das Edith Stein hier anspricht, besteht darin, dass wir in den Tag nicht als Berufene gehen, sondern als Gehetzte und Getriebene in den Tag losstürmen.
Kann man etwas dagegen tun? Ihr Ratschlag ist, an dieser Stelle bewusst einen Akzent gegen die sich aufdrängenden Gedanken und Sorgen zu setzen und am Tagesbeginn zu Jesus zu kommen: „Meine erste Morgenstunde gehört dem Herrn. Das Tagewerk, das Er mir aufträgt, das will ich in Angriff nehmen, und Er wird mir die Kraft geben, es zu vollbringen“.

„Edith Stein: Die Seele, befreit von dem, was sie zu hetzen und entmutigen drohte, wird „groß und weit“

Sie empfiehlt, bei Ihm zu sein und sich mit Ihm zu vereinigen: „Und was ich nach stiller Zwiesprache als nächste Aufgabe vor mir sehe, - schreibt Edith Stein - daran werde ich gehen“. Die große Hoffnung besteht darin, dass es nach dieser stillen Zeit mit Jesus, „still in mir sein wird“ und die Seele, befreit von dem, was sie zu hetzen und entmutigen drohte, wird „groß und weit […], weil sie aus sich herausgegangen und in das göttliche Leben eingegangen ist.“
Können wir uns vorstellen, die ersten Minuten des Tages, seien es nur wenige, so zu gestalten? Vielleicht gehören dazu ein bisschen Übung und Disziplin. Es soll keine neue Last werden und noch eine weitere religiöse Pflicht, die untergebracht werden muss. Es geht um die Verheißung: Wir können als von Gottes Liebe Berufene und nicht als von Arbeit und von Sorgen Getriebene in den Tag gehen.

Immer wieder beim Herrn einkehren

Dann folgt der ganze Tag mit seinen verschiedenen geplanten oder ungeplanten Aufgaben und Beschäftigungen. Ist es mir möglich, all dies als Dienst zu begreifen? Ich kann immer wieder für kurze Momente beim Herrn einkehren, Ihn um Kraft bitten und daran denken, dass Er als guter Hirt für mich und für andere da ist und meine Sorgen ernst nimmt.
Und so geht der Tag vorbei und wir stehen an der Schwelle der Nacht. Was nun? Vielleicht kann ich den Tag kurz Revue passieren lassen, Jesus davon erzählen.

Jesus spricht von uns als Gesandte

Edith Stein schreibt: „Und wenn die Nacht kommt und der Rückblick zeigt, daß alles Stückwerk war und vieles ungetan geblieben ist, was man vor hatte, wenn so manches tiefe Beschämung und Reue weckt: dann alles nehmen, wie es ist, es in Gottes Hände legen und Ihm überlassen. So wird man in Ihm ruhen können, wirklich ruhen und den neuen Tag wie ein neues Leben beginnen.“
Liebe Schwestern und Brüder, wenn wir am heutigen Sonntag dieses Evangelium hören, dann spricht uns Jesus als Gesandte, als von ihm Berufene an: „Kommt mit an einen einsamen Ort, wo wir allein sind, und ruht ein wenig aus!“ Jesus, der sich als guter Hirt um alle kümmert, kümmert sich auch um seine Jünger. Er kümmert sich auch mich.

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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20. Juli 2024, 10:48