Christen in Karakosch Christen in Karakosch  (AFP or licensors)

„Kirche in Not“ erinnert an Flucht der Christen vor zehn Jahren

Vor zehn Jahren, im Juni 2014, begann der Vormarsch des sogenannten „Islamischen Staates“ (IS) in die christlichen Siedlungsgebiete der Ninive-Ebene im Irak. Tobias Lehner von der Hilfsorganisation „Kirche in Not“ schildert im Interview mit dem Kölner Domradio die dramatische Situation, als der IS die Stadt Mossul eroberte und am 6. August die Tore der christlichen Gemeinden erreichte.

„Es begann das Bombardement, es begannen Morde an Christen,“ erinnert sich Lehner. Der brutale Angriff zwang tausende Christen zur Flucht, viele suchten Zuflucht in Erbil, wo sie auf Hilfe der Kirche hofften.

Hier hören Sie das Interview von unseren Kollegen des Kölner Domradio

Hilfe in der Not

„Kirche in Not“ war eine der ersten Organisationen, die den verzweifelten Flüchtlingen zur Seite stand. Lehner beschreibt die chaotische Situation, als der chaldäisch-katholische Bischof von Erbil einen Tag nach dem Angriff um dringende Hilfe bat: „Er habe Zehntausende Menschen, die bei ihm im Garten campieren.“ In Reaktion darauf wurden Zeltstädte errichtet, medizinische Stationen aufgebaut und sogar ein Krankenhaus eingerichtet. „Das waren Lebensmittelhilfen, Medikamentenhilfen, also ein ganzes Bündel von Maßnahmen,“ erläutert Lehner. Insgesamt unterstützte die Organisation mehr als 500 Projekte im Wert von rund 60 Millionen Euro.

Rückkehr und Wiederaufbau

Seit der Befreiung der Ninive-Ebene im Jahr 2017 sind viele Christen in ihre zerstörten Heimatorte zurückgekehrt. Die Schäden waren verheerend: „Jedes zehnte zivile Gebäude war zerstört,“ berichtet Lehner. Der Wiederaufbau begann mit den Kirchen und Gemeindezentren, da diese Orte als zentrale Anlaufstellen für die Menschen dienten. Lehner betont die Bedeutung dieser Einrichtungen: „Wo es eine Kirche gibt, wo es ein Gemeindezentrum gibt, da kommen die Menschen, da versammeln sie sich, da finden sie Hilfe.“

Unsichere Zukunft

Trotz des Wiederaufbaus bleibt die Lage angespannt. Die Christen in der Region fühlen sich weiterhin als Bürger zweiter Klasse und sind mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Dazu gehören ausstehende Entschädigungen für die Zerstörungen, Eigentumsfragen und mangelnde Gleichberechtigung. „Es bleibt natürlich auch die politische Unsicherheit,“ sagt Lehner. Zudem sorgen die anhaltende Gewalt im Nahen Osten und die Präsenz radikaler Gruppen für Besorgnis.

„Kirche in Not“ setzt sich auch heute noch für die christliche Minderheit im Irak ein, sei es durch den Aufbau von Infrastruktur oder die Schaffung von Arbeits- und Studienplätzen. Trotz aller Schwierigkeiten bleibt die Hoffnung auf eine bessere Zukunft für die christlichen Gemeinschaften im Irak bestehen.

(domradio – mg)

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06. August 2024, 09:56