D: Bischöfe fordern Waffenstillstand im Nahen Osten
Bei einem Pressegespräch am Mittwoch pochte Weltkirchebischof Bertram Meier erneut auf die Zwei-Staaten-Lösung als einzigen Weg zur Lösung der Krise: „Die internationale Gemeinschaft, einschließlich der Bundesregierung, muss ihren Druck auf die israelische Regierung erhöhen und auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinwirken. Nur sie kann die Freiheit und Sicherheit für Israel und Palästina und eine dauerhafte Stabilität für die Region des Nahen Ostens gewährleisten. Dazu bedarf es dringend des Dialogs, der politische, ethnische und religiöse Grenzen überwindet“, so der Augsburger Bischof in seinem Statement vor Journalisten.
Luftanschläge haben Anklänge an terroristische Aktionen
Bei der Pressekonferenz erinnerte er auch an die Hamas-Verbrechen vom 7. Oktober 2023: „Die Terrororganisation Hamas hat mehr als 1.200 israelische Zivilisten, die meisten von ihnen Jüdinnen und Juden, brutal ermordet." Doch die von den deutschen Bischöfen immer wieder geforderte Verhältnismäßigkeit der militärischen Gegenreaktion Israels auf den Terroranschlag der Hamas vom 7. Oktober 1023 sei angesichts der unzähligen Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen nicht mehr gegeben. „Es sind Luftanschläge, die aber durchaus auch Anklänge an terroristische Aktionen haben“, sagte Meier mit Blick auf die israelischen Angriffe. Er wolle den von ihm verwendeten Begriff „Luftanschläge" in diesem Sinne in der Schwebe lassen.
„Dabei wird der Krieg im Gazastreifen nicht nur auf Kosten der palästinensischen Zivilbevölkerung geführt, viele sehen in ihm auch eine Gefährdung der noch verbliebenen israelischen Geiseln, um deren Schicksal die Angehörigen bangen“, mahnte Meier laut Redemanuskript, das er nicht vollständig wiedergab.
Besonders wies er darauf hin, dass auch die Christen unter den kriegerischen Handlungen im Heiligen Land litten und auf beiden Seiten des Konfliktes stünden.
Bericht aus der Region
Zu Gast war der lateinische Patriarch von Jerusalem, der noch am Vortag an einem Runden Tisch zur Krise im Nahen Osten in Rom teilgenommen hatte. Er überreichte den anwesenden Journalisten ein zehnseitiges intensives Statement zur Lage in seiner Region und ging nach einer kurzen Bestandsaufnahme auf die Fragen der Anwesenden ein. „Wir kennen hier Kriege, aber einen solchen bislang nicht. So viel Leid und Hass auf allen Seiten hat es hier noch nicht gegeben“, zeigte sich der Kardinal aus dem Nahen Osten ratlos. Dies habe auch negative Auswirkungen auf den interreligiösen Dialog. Zwar habe er die Hoffnung, dass bis Weihnachten wenigstens die schlimmste, kriegerischste Phase der Konflikte zu Ende sein könnte. „Aber leider sehe ich derzeit noch keine Hinweise auf einen Frieden. Es wird ein sehr langer Weg werden.“
Ein Weg, der insbesondere nach der jüngsten Verschärfung des Krieges zwischen Israel und libanesischer Hisbollah immer steiniger werde. „Die Kosten dieser Kämpfe tragen erneut die Schwächsten der Bevölkerung. Zehntausende müssen fliehen. Auf beiden Seiten, in Nordisrael wie in Südlibanon", sagte Pizzaballa.
Für wenig realistisch hält es der Kardinal, dass Kirchen oder Papst im Heiligen Land direkt als Vermittler für eine politischen Lösung der erbitterten Konflikte auftreten könnten. Aber Christen und Kirchen sollten versuchen, überhaupt wieder Raum für Gespräche zu ermöglichen. „Derzeit gibt es keinen Dialog, weil auf beiden Seiten der Hass zu groß ist. Ein erster Schritt wäre, jeweils das Leid der anderen Seiten wahrzunehmen."
Kurz vor dem Jahrestag des Hamas-Massakers am 7. Oktober, häufen sich die Friedensappelle der Politik. Die katholische Kirche im Heiligen Land wähle einen andere Form des Gedenkens, wie Pizzaballa ankündigte: „Ich rufe alle Christen zum Innehalten auf, zu einem Tag des Fastens und des Gebets."
Religiöse Führer gefragt
In seinem Manuskript forderte er angesichts der zunehmenden Entmenschlichung des Konfliktes, dass sich religiöse Führer zunehmend zu Wort melden sollten: „Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben wir in den letzten Monaten keine Reden, Überlegungen oder Gebete von religiösen Führern gehört, die sich von denen anderer politischer oder gesellschaftlicher Führer unterscheiden", so Pizzaballa. Er habe den Eindruck, jeder von ihnen spreche nur aus der Perspektive seiner eigenen Gemeinschaft, die oft gegen die jeweils andere Seite gerichtet sei. Der Kardinal zeigte sich außerdem skeptisch hinsichtlich der Verhandlungen für eine Freilassung von Geiseln, die die Terrororganisation Hamas beim Angriff auf Israel genommen hatte: „Die Anzeichen für eine erfolgreiche Beendigung der Verhandlungen sind sehr schwach. Deshalb glauben wir - und wir hoffen, dass wir uns irren -, dass das Ende des Konflikts noch nicht bevorsteht und dass wir mit dieser schrecklichen Situation noch lange umgehen müssen“, heißt es in dem Dokument weiter.
Dort rief der gebürtige Italiener Pizzaballa auch zu einer sorgfältigeren Sprache auf: „Eine mit Gewalt, Aggressionen, Hass und Verachtung, Ablehnung und Ausschließung beladene Sprache spielt in diesem Krieg keine Nebenrolle, sondern ist eines der Hauptwerkzeuge in diesem und allzu vielen anderen Kriegen.“ Auch in sozialen Medien werde vielfach Hass geschürt. Formulierungen, die die Menschlichkeit der Mitmenschen verneinten, seien eine Form der Gewalt, die andere Gewalt ermögliche. „Dabei handelt es sich um Formulierungen, die möglicherweise noch mehr verletzen als Massaker und Bomben“, so der Lateinische Patriarch.
Humanitäre Situation katastrophal
Auch der Vorsitzende der Arbeitsgruppe Naher und Mittlerer Osten, der Paderborner Erzbischof Markus Bentz, zeigte sich angesichts der dramatischen Entwicklungen im Heiligen Land äußerst besorgt.
Besonders drastisch stelle sich die humanitäre Lage im Gazastreifen dar: „Hunderttausende Palästinenser sind mit akuter Nahrungsmittelknappheit konfrontiert; mehr als 85 Prozent der dortigen Bevölkerung sind Binnenvertriebene. Die Bedingungen sind katastrophal. Es fehlt vor allem an Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten“, so Bentz.
Die bisher eingeführten Hilfsgüter reichten bei Weitem nicht aus, um den immer größer werdenden Bedarf zu decken, Hilfeleistungen seien kompliziert. Die humanitären Helfer müssten deshalb stärker unterstützt werden, betonte er. „Der Druck auf die israelische Regierung muss erhöht werden, damit die Bevölkerung im Gazastreifen vollen Zugang zu Hilfsgütern und medizinischer Versorgung erhält.“
Auch die gegenseitige Gewalt habe deutlich zugenommen, gab er zu bedenken: „So sehr ich davon überzeugt bin, dass das Eintreten für die Sicherheit Israels auch den Palästinensern dient, so sehr bin ich auch davon überzeugt, dass umgekehrt das Eintreten für die Rechte der Palästinenser der Sicherheit Israels dient. Auch wenn ein Ende des Krieges noch lange keinen Frieden bedeutet, ist es das Gebot der Stunde, die Waffen niederzulegen und Deeskalation, Verhandlung und Dialog Raum zu geben.“
Die Aufgabe der Kirche sei es, Dialog zu ermöglichen und für die Würde aller Menschen einzustehen, seien Israelis oder Palästinenser.
(pm dbk/kna - cs)
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