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Bischof Charles Morerod aus der Westschweiz auf einem Archivbild Bischof Charles Morerod aus der Westschweiz auf einem Archivbild 

Schweizer Bischof Morerod: Missbrauchsverfahren haben viele Facetten

Ein zivil- oder kirchenrechtliches Verfahren, das durch eine Missbrauchsanklage ausgelöst wird, weist zahlreiche Facetten auf. Darauf weist Bischof Charles Morerod von der Diözese Lausanne, Genf und Freiburg in einem aktuellen Artikel hin. Er äußerte sich ein Jahr nach der Veröffentlichung des Berichts der Universität Zürich über sexuellen Missbrauch im Umfeld der katholischen Kirche in der Schweiz.

Angesichts vieler Anfragen erscheine es ihm nützlich, einige Informationen über die „von der Weltkirche vorgesehenen Verfahren“ zu geben, die durch die weiteren Maßnahmen auf diözesaner und nationaler Ebene ergänzt würden, so Bischof Charles Morerod im Diözesanen Newsletter für den Monat September, aus dem die Agentur kath.ch zitiert.

Nach der 2021 erlassenen Konstitution von Papst Franziskus Pascite Gregem Dei, mit der das Buch VI des Codex des kanonischen Rechts zu Strafbestimmungen in der katholischen Kirche geändert wurde, habe ein Hirte die Pflicht, die Gemeinschaft „vor den Auswirkungen der Skandale zu schützen“, erläutert Bischof Morerod, der in seiner Diözese selbst mit der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, die auch seinen Vorgänger Bernard Genoud betreffen, beschäftigt ist.

Rechtsprechung der römischen Gerichte

Er habe Gelegenheit gehabt, die Verbindung dieser Gesetzgebung mit der Rechtsprechung der römischen Gerichte kennenzulernen, so Morerod, der darauf hinweist, dass die Handlungen „nicht nur die Beteiligten im Vordergrund“ beträfen. Ein Vademecum des Dikasteriums für die Glaubenslehre habe diese Gesetzgebung 2022 ergänzt:

„Im Falle eines Verdachts darf man nicht zu schnell davon ausgehen, dass die Anklage nicht glaubwürdig ist (§18-19), aber ich füge hinzu, dass man auch nicht die Schuld voraussetzen kann“, erläutert der Bischof, der in diesem Zusammenhang unterstreicht, dass dennoch „vorsorgliche Maßnahmen“ wie ein Amtsverbot getroffen werden müssten, wenn diese auch nicht als Strafe verstanden werden dürften.

Staatlichen Behörden Anzeige erstatten

Dieser „weltweite Standard“ decke sich auch mit der aktuell in der Schweiz geltenden Gesetzgebung: „Auch in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung soll die kirchliche Autorität bei den zuständigen staatlichen Behörden Anzeige erstatten, wenn sie es zum Schutz der geschädigten Person oder anderer Minderjähriger vor der Gefahr weiterer verbrecherischer Akte für unverzichtbar hält (§17)“, referiert Morerod aus dem Vademecum.

Dabei erinnere er sich an einen Ratschlag der Polizei im Jahr 2016, die davor warnte, vor einer Benachrichtigung der Justizbehörden eine interne Untersuchung anzustellen. Denn dies könne einem möglichen Täter einerseits die Gelegenheit geben, „Beweise zu vernichten (sich also zum Komplizen zu machen), und zum anderen, sich Kompetenzen (im Sinne von Rechten und Wissen) anzumassen, die man nicht hat“.

Nicht nur beteiligte Personen betrachten

Im Gespräch mit den Verantwortlichen für diese Kirchenrechtliche Entwicklung sei ihm besonders deutlich geworden, dass man nicht nur die „direkt beteiligten Personen betrachten“ dürfe, beträfen die Auswirkungen doch die „gesamte Gemeinschaft der Gläubigen“, auf die „mit dem Finger gezeigt wird“, so Morerod, der als Beispiel anführt, dass einige Eltern ihre Kinder wegen der Diskussionen aus dem Religionsunterricht nähmen.

Der Katechismus der Katholischen Kirche weise jedoch darauf hin, dass die Folgen unseres Handelns unser irdisches Leben überdauern und über uns selbst hinausgingen, zitiert Morerod den Katechismus zum Letzten Gericht, das „bis in die äußersten Folgen an den Tag bringen“ werde, „was jeder während seines Erdenlebens an Gutem getan oder nicht getan hat“ (KKK 1039).

Dies verweise „zutiefst auf uns selbst“ und bedeute, dass eine Abkoppelung des Privatlebens „von seinen öffentlichen Auswirkungen“ nicht möglich sei. Dies sei sowohl offensichtlich als auch dramatisch, so der Bischof weiter: „Neben dem Drama der Sünde wird auch die historische Auswirkung der Dummheit zu sehr unterschätzt: Beide tragen zum Skandal bei“.

Ein zivil- oder kirchenrechtliches Verfahren, das durch eine Missbrauchsanklage ausgelöst werde, weise „zahlreiche Facetten auf“, gibt der Bischof abschließend zu bedenken: „Wir haben die Verantwortung, mögliche Opfer zu schützen, die Gemeinschaft zu bewahren, aber auch die Rechte des Angeklagten zu gewährleisten. Wenn sich ein vermeintlicher Missbrauchstäter als unschuldig erweist, ist es unsere Pflicht, ihn vollständig zu rehabilitieren und ihm erneut unser volles Vertrauen zu schenken.“

(kath.ch/bistum lgf - cs)

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08. September 2024, 17:55