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Jesus unterrichtet seine Jünger Jesus unterrichtet seine Jünger 

Unser Sonntag: Alle gehören dazu

Die ganze Menschheitsfamilie gehört zusammen, erläutert Prof. Häner in seiner Betrachtung. Die ganze Schöpfungsgemeinschaft, alles Lebendige auf der Erde ist eins. Durch die Sünde und ihre Folgen – Gewalt, Hass, Ausgrenzung, Ausbeutung, Diskriminierung – ist diese Einheit arg beschädigt. Die Sendung Jesu Christi zielt darauf, die zerbrochene Einheit wiederherzustellen - dabei ist kein Beitrag zu klein.

Prof. Dr. Tobias Häner

Mk 9,38–43.45.47–48


„Denn wer nicht gegen uns ist, der ist für uns.“ (Mk 12,40)
Die Ausgangssituation des heutigen Evangeliums können wir uns in etwa so vorstellen: Jemand tritt als Wundertäter auf. Unter Anrufung des Namens Jesu treibt er Dämonen aus, und zwar offenbar mit Erfolg.

Hier zum Nachhören

Johannes, und mit ihm offenbar noch andere Jünger Jesu, beobachten dies und versuchen die Sache zu unterbinden. Jesus hat ja die Zwölf ausgesandt, genau das zu tun – in seinem Namen Dämonen auszutreiben (vgl. Mk 6,7-13). Offenbar hat sich nun jemand daran gemacht, sie darin nachzuahmen, obwohl er dazu von Jesus keine Vollmacht und keinen Auftrag erhalten hat.

Das gab es schon im Buch Numeri

Die Szene erinnert an eine Episode im Buch Numeri. Dort geht es darum, dass siebzig Älteste dazu beauftragt werden sollen, Mose in der Leitung des Volkes während des langen Aufenthalts in der Wüste zu unterstützen. Zwei von den siebzig – Eldad und Medad – bleiben allerdings im Lager zurück und befinden sich nicht beim Offenbarungszelt außerhalb des Lagers, als der Geist Gottes auf die anderen 68 herabkommt. Trotzdem werden auch diese beiden vom Hl. Geist erfasst und geraten in prophetische Verzückung. Josua beobachtet dies und sagt zu Mose:
„Mose, mein Herr, hindere sie daran“ (Num 11,28)

„„Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde.“ (Num 11,29)“

Ähnlich wie Jesus im heutigen Evangelium lehnt aber auch Mose dieses Begehren ab:
„Wenn nur das ganze Volk des Herrn zu Propheten würde.“ (Num 11,29)
„Das ganze Volk“, darum geht es Mose, und darum geht es auch Jesus. Auch der fremde Wundertäter, der nicht zu Jesu Jüngern gehört, dient dem Volk, dient dem Reich Gottes, wenn er Menschen von bösen Dämonen vertreibt.
Die Aussage, die hier greifbar wird, lässt sich leicht in unsere Zeit übertragen.

An alle Menschen guten Willens

Die päpstlichen Enzykliken richten sich gewöhnlich nicht nur an Katholiken und auch nicht nur an Christen, sondern an „alle Menschen guten Willens“. Mit Angehörigen anderer Religionen, aber auch mit Menschen ohne religiöses Bekenntnis teilen wir Christen grundlegende Werte und verbindende Anliegen. Nur gemeinsam, über alle religiösen Differenzen und unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen hinweg können wir den großen Herausforderungen unserer Zeit begegnen: Armut und Hunger, Krieg und Gewalt, die Not von Flüchtlingen, die globale ökologische Krise – hier gilt immer: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“. Wer sich – aus welchen Gründen auch immer – mit engagiert, trägt zu den gemeinsamen Anstrengungen bei.

Widersprüchliche Aussagen?

Nun finden wir bei den anderen beiden Synoptikern – Matthäus und Lukas – auch die gegenteilige Aussage:
„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich“ (Mt 12,30 / Lk 11,23)
Wie ist der Widerspruch zwischen den beiden Äußerungen zu erklären? Der unmittelbare Kontext gibt uns einen wichtigen Hinweis. Jesus fährt in Matthäus und Lukas nämlich fort:
„Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“

Wer gehört dazu, wer nicht?

„Wer nicht mir sammelt…“ Die Ausgangsfrage lautet: Wer gehört dazu – und wer nicht? Bei Markus erscheint die Zugehörigkeit weiter gefasst: Alle gehören dazu, die nicht „gegen uns“ sind, sich also nicht direkt gegen die Jüngergemeinschaft Jesu stellen. Bei Matthäus und Lukas scheint dagegen der Kreis enger gefasst: Nur wer sich zu Jesus bekennt und sich ihm anschließt, gehört dazu.

„Alle gehören dazu. Die ganze Menschheitsfamilie gehört zusammen“

Die den Evangelien zugrundeliegende Sichtweise lautet hingegen: Alle gehören dazu. Die ganze Menschheitsfamilie gehört zusammen, ist eine Einheit. Ja, mit Blick auf das Bild der Arche können wir den Kreis noch weiter ziehen: Die ganze Schöpfungsgemeinschaft, alles Lebendige auf der Erde ist eins. Durch die Sünde und ihre Folgen – Gewalt, Hass, Ausgrenzung, Ausbeutung, Diskriminierung – ist diese Einheit arg beschädigt. Die Sendung Jesu Christi in diese Welt – die Missio Dei – zielt darauf, die zerbrochen Einheit wiederherzustellen. Wer oder was sich dieser Mission entgegenstellt, der gefährdet diese. Jesus ist daher im heutigen Evangelium sehr unnachgiebig:
„Wer einem von diesen Kleinen, die an mich glauben, Ärgernis gibt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen würde.

Chiara Lubich: Die Welt strebt der Einheit zu

Wenn dir deine Hand Ärgernis gibt, dann hau sie ab…“ usw. (Mk 9,42)
In diesem Kontext ist auch die Aussage bei Matthäus und Lukas zu verstehen:
„Wer nicht mit mir ist, der ist gegen mich. Wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut.“
„Die Welt strebt der Einheit zu“, so sagte Chiara Lubich, die Gründerin der Fokolar-Bewegung. Die gegenwärtige Weltlage scheint in mancher Hinsicht diese Aussage zu widerlegen. Doch das Wort Chiara Lubichs ist von der Zuversicht getragen, dass Gott daran ist, seine Heilsabsicht wahr zu machen. Und zu dieser Heilsabsicht gehört die Einheit der Menschheitsfamilie, der ganzen Schöpfung.

Kein Beitrag ist zu klein!

Und dazu können wir und sollen wir alle beitragen. Kein Beitrag ist zu klein:
„Wer euch auch nur einen Becher Wasser zu trinken gibt, weil ihr zu Christus gehört – (…) Er wird gewiss nicht um seinen Lohn kommen.“ (Mk 9,41), verheißt Jesus im heutigen Evangelium. Unser erster und wichtigster Beitrag besteht darin, daran zu glauben. Zu glauben, dass ich und der andere, dessen Ansichten ich ablehne – dass wir zusammengehören. Dass ich und jene andere Person, die ich als politische Gegnerin wahrnehme – dass wir dazu bestimmt sind, in Gott zur Einheit zu finden. An die Einheit also zu glauben – und darum zu bitten, indem wir uns die Bitte Jesu zu eigen machen:
„Alle sollen eins sein: Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt, dass du mich gesandt hast.“ (Joh 17,21)

(radio vatikan - redaktion claudia kaminski)

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28. September 2024, 11:30