ALfA: Wann bin ich Mensch
Claudia Kaminski - Vatikanstadt
Radio Vatikan sprach darüber mit der Bundesvorsitzenden der ALfA, Cornelia Kaminski. Der Verband ist (nach eigenen Angaben) mit ca. 11.000 Mitgliedern Deutschlands größte Organisation für Lebensschutz.
Radio Vatikan: Die ALfA hat eine neue Kampagne gestartet - worum geht es? Und wie ist sie angelaufen - auch interaktiv in sozialen Medien wie Facebook und Instagram?
Cornelia Kaminski: Unsere Kampagne "WannbinicheinMensch" ist richtig gut angelaufen. Wir haben Mitte September pünktlich zu den Märschen für das Leben die ersten Großflächenmotive in Berlin, Köln, Frankfurt und München plakatiert und haben dafür schon viel positive Resonanz bekommen.
Die Kampagne verurteilt in keiner Weise oder greift an, sondern klärt einfach nur auf. Da so unterschiedliche Menschen abgebildet sind, fühlen sich auch ganz unterschiedliche Menschen angesprochen und sagen: Ja, ich bin Mensch, und das war ich schon immer. Auch ganz zu Beginn meiner Existenz. Ich war nie etwas anderes als ein Mensch. Wir merken jetzt sehr viel Zuspruch in den sozialen Medien, unsere Posts werden sehr oft geteilt und geliket – aber da ist natürlich auch noch Luft nach oben. Das gleiche gilt für die Postkartenaktion, die Mitte Oktober als zweite Welle der Kampagne angelaufen ist.
Radio Vatikan: Wie und bis wann kann man sich daran beteiligen?
Cornelia Kaminski: Wer in den sozialen Medien unterwegs ist, der sollte unsere Posts möglichst alle teilen und liken, und gerne auch Kommentare hinterlassen oder sich an unseren Umfragen beteiligen. Jetzt, im November gibt es zudem auch eine Mitmachaktion. Und dann läuft ja auch noch bis Mitte Dezember die Postkartenaktion : Wir schreiben politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger mit der Botschaft an 'Du bist Mensch von Anfang an – mit Lebensrecht von Anfang an'. Die Postkarten gibt es z.B. im Shop auf unserer Homepage www.alfa-ev.de.
Radio Vatikan: Was soll denn mit dieser Kampagne erreicht werden?
Cornelia Kaminski: Wir wollen zwei Dinge erreichen: Zum einen sollen möglichst viele Politiker und einflussreiche Personen diese Karte in den Händen halten und erkennen: Auch ein ganz kleiner Mensch ist ein Mensch mit Recht auf Leben. Wer das Recht auf Selbstbestimmung als Menschenrecht definiert, muss anerkennen, dass es auch dafür Grenzen gibt. Es kann kein Menschenrecht geben, das ein Menschenleben beendet. Wir hoffen hier vor allem auf die Abgeordneten, die in Regierungsverantwortung stehen, denen aber die radikalen Pläne mancher Grünen und Linken zu weit gehen.
Radio Vatikan: Wie schwer macht Ihnen die Ampel-Regierung in Deutschland das Leben?
Cornelia Kaminski: Im Moment noch ziemlich schwer... In Berlin scheint man zu befürchten, dass die Koalition nicht mehr lange hält. Und daher kommt unsere Sorge, dass noch schnell ein neues Abtreibungsgesetz durchs Parlament gepeitscht werden soll. Der Entwurf liegt vor; er stellt Abtreibungen bis zur 24. Woche straffrei und bürdet die Kosten hierfür den Krankenkassen auf. Außerdem beendet er die Beratungspflicht. Das ungeborene Kind wird also vollständig entrechtet und damit auch entmenschlicht.
Radio Vatikan: Angesichst dieser Dramatik stellt sich die Frage: Wo stehen die Kirchen?
Cornelia Kaminski: Der Pressesprecher der deutschen Bischofskonferenz hat den Gesetzentwurf in deutlichen Worten abgelehnt und betont, dass die katholischen Bischöfe nichts von einem abgestuften Menschenwürdekonzept halten, welches dem ungeborenen Kind das Recht auf Leben und damit jede Würde nimmt. Das ist ein sehr gutes Statement und steht damit in einer Linie mit anderen Stellungnahmen der katholischen Bischöfe, wie etwa zum Kommissionsbericht zur reproduktiven Selbstbestimmung. Caritas, Sozialdienst katholischer Frauen, auch Donum Vitae – sie alle lehnen den Gesetzentwurf ab. Hierfür sind wir als Lebensrechtsbewegung sehr dankbar. Auf der evangelischen Seite sieht es anders aus. Die EKD hat schon im letzten Herbst eine Liberalisierung der Abtreibungsregeln vorgeschlagen, und den jetzt vorgelegten Entwurf, der Abtreibungen bis zum sechsten Monat erlauben will, unterstützen die evangelischen Frauen Deutschlands.
Radio Vatikan: Bisher war es so, dass viele Trends aus den USA nach Europa geschwappt sind. Was erwarten Sie vom Ausgang der US-Wahlen?
Cornelia Kaminski: Die Wahlen in den USA werden vor allem auf Seiten der Demokraten ganz massiv als ein Wahlkampf geführt, in dem es um ein Recht auf Abtreibung geht. Sie malen ein Zerrbild an die Wand, nach dem bei einem Wahlsieg von Donald Trump Frauen überhaupt keinen Zugang zu Abtreibungen mehr hätten. Ich befürchte, dass mit einem Wahlsieg von Trump in Europa und Deutschland radikale Abtreibungsgesetze forciert werden, womöglich sogar in Verfassungsrang, um nicht „amerikanische Verhältnisse“ entstehen zu lassen. Die es zwar so gar nicht gibt – siehe Minnesota, wo noch nach der Geburt abgetrieben werden kann –, die sich aber als Drohkulisse hervorragend eignen, um hierzulande ideologische Politik zu machen. Wir müssen daher nach den Wahlen sehr auf der Hut sein. Wird es Harris, werden unsere Politiker ihre radikale Abtreibungspolitik zum Vorbild nehmen; wird es Trump, werden sie ihn als abschreckendes Beispiel nutzen. Das heißt für uns: unsere Anstrengungen im Rahmen unserer Kampagne noch einmal verdoppeln.
Radio Vatikan: Wo genau steht denn Kamala Harris in ihren Vorstellungen?
Cornelia Kaminski: Kamala Harris ist sich in dem einen Punkt stets treu geblieben: Abtreibung muss ein Recht sein, das ohne jede Einschränkungen - also auch ohne zeitliche Fristen - gilt. Ihr Running Mate, Tim Walz, der Kandidat für die Vizepräsidentschaft, ist Gouverneur von Minnesota. Er hat dort sogar erlaubt, dass die Versorgung von Kindern, die eine Abtreibung überlebt haben, unterbleiben darf. Das ist dann Tötung durch Unterlassung auch noch nach der Geburt. Die Demokraten scheinen sehr davon überzeugt zu sein, dass ein weit gefasstes Recht auf Abtreibung für die meisten Amerikaner der entscheidende Punkt bei diesen Wahlen ist. Dafür stehen sie – nicht aber die Republikaner. Das bedeutet aber auch: Jede Wahlentscheidung zuungunsten der Demokraten ist damit eine ganz deutliche Absage an deren radikale Abtreibungsagenda.
Dass Entscheidungen in den USA einen Einfluss auf Europa haben, konnte man beim Fall des Grundsatzurteils Roe v. Wade sehen. Nachdem damit Abtreibung kein Verfassungsrecht mehr in den USA war, gab es sofort Bestrebungen, ein Recht auf Abtreibung in die europäische Charta für Menschenrechte aufzunehmen, Frankreich hat es in die Verfassung aufgenommen. Das alles auf Grund der unwahren Behauptung, in den USA sei das Recht auf Wahlfreiheit bei Abtreibungen ausgehebelt worden, und das dürfe hierzulande auf keinen Fall passieren.
Das stimmte überhaupt nicht. Die Abtreibungsregelung wurde stattdessen von der Bundesebene wieder zurück gehoben auf die Ebene der einzelnen Bundesstaaten, die jetzt entscheiden können. Deswegen haben wir ja in Minnesota ein sehr liberales Abtreibungs(un)recht, ebenso wie beispielsweise in Kalifornien und in anderen Staaten eben nicht.
(vatican news)
Hinweis der Redaktion: Cornelia Kaminski ist die Schwester von Claudia Kaminski; die ktv-Redakteurin ist auch Mitarbeiterin von Radio Vatikan und betreut für uns u.a. das Format „Unser Sonntag“.
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