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1. Advent 1. Advent 

Unser Sonntag: Das ist ein Advent!

Dr. Ralf Rothenbusch erinnert uns in dieser ersten Betrachtung zum Advent daran, dass es auch um die Wiederkunft Jesu geht. Bei vielen von uns ruft das eher gemischte Gefühle hervor - aber die Erwartung eint die abrahamitischen Religionen.

Dr. Ralf Rothenbusch

1. Adventssonntag: Lk 21,25-28.34-36

Das ist ein Advent (!), von dem Lukas im Sonntags-Evangelium spricht:
Es werden Zeichen sichtbar werden an Sonne, Mond und Sternen
und auf der Erde werden die Völker bestürzt und ratlos sein
über das Toben und Donnern des Meeres. 
Die Menschen werden vor Angst vergehen in der Erwartung der Dinge,
die über den Erdkreis kommen;
denn die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden. 
Sonne und Mond verdunkeln sich (Jes 13,10) – so Markus an derselben Stelle in seinem Evangelium (Mk 13,24). Für Lukas ist das ein „Zeichen“, dass die Zeit an ihr Ende gekommen ist.

Hier zum Nachhören


Die Zeit anzuzeigen und zu messen, dafür hat Gott nach dem Schöpfungsbericht am Anfang der Bibel die „große“ und die „kleine Leuchte“, Sonne und Mond, am Firmament angebracht.
Unten, auf der Erde, tobt und donnert das Meer, die uralte biblische Chaosmacht, die den von Gott geschaffenen Kosmos schon immer bedroht hat. Die Schöpfung geht retour. Das Ende ist da.
Als Reaktion darauf beschreibt der Evangelist: Die Völker sind bestürzt und ratlos, die Menschen vergehen vor Angst.

Die Betrachtung zum Sonntagsevangelium im Video

Ausblick auf die Parusie

So stellen wir uns den Advent eigentlich nicht vor, diese beschauliche Zeit der Vorbereitung auf Weihnachten, mit all ihren Lichtern und ihrem schönen Brauchtum. Aber, der Advent erinnert nicht nur an das erste Kommen Jesu – in der Geschichte, sondern schaut auch auf die Wiederkunft Christi, die Parusie, voraus. Das ist uns zwar aus dem Glaubensbekenntnis vertraut; darin bekennen wir regelmäßig: „von dort“ (vom Himmel) „wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten“. Als persönliche Erwartung gehört das aber vermutlich für die wenigsten von uns zu ihrem aktiven Glaubensschatz – und wenn, dann sicher mit etwas gemischten Gefühlen.

 

Das Sonntags-Evangelium spricht davon in einer sehr biblischen und bildlichen Sprache. Es zitiert aus der Hl. Schrift des jüdischen Volkes, unserem Alten Testament, aus dem Buch Daniel. Dort wird dafür das Bild vom göttlichen Wolkenreiter verwendet, das noch älter ist als das Alte Testament selbst (Dan 7,13f.):


Dann wird man den Menschensohn in einer Wolke kommen sehen,
mit großer Kraft und Herrlichkeit. 


Vor voreiligen Schlüssen darauf aber, wann dieses Ende der Geschichte kommt, davor warnt Jesu in der Endzeitrede des Lukas selbst (Lk 21,5-36). Er sagt, kurz vor den Versen des Sonntags-Evangeliums: „Wenn ihr von Kriegen und Unruhen hört, lasst euch nicht erschrecken! Denn das muss als Erstes geschehen; aber das Ende kommt noch nicht sofort.“ (Lk 21,9)
Doch genau diese menschlichen Nöte sind es, zu der die Aussage vom kommenden Menschensohn den Gegensatz bildet. Jesus nennt das Grauen der Zerstörung Jerusalems und die erbarmungslose Tötung seiner Bewohner (V. 20-24): „Mit scharfem Schwert wird man sie erschlagen, als Gefangene wird man sie zu allen Völkern schleppen und Jerusalem wird von den Völkern zertreten werden …“ (V. 24). Er spricht auch über die Verfolgung von Christen, zum Teil durch ihre eigene Familie (V. 12-17).

Volk gegen Volk, Reich gegen Reich

Dabei macht Jesus aber keinen Unterschied zwischen guten und schlechten Opfern, nicht ein Leid wird gegen ein anderes ausgespielt, das eine mehr beklagt als das andere. Er redet gleichermaßen von der Not der Menschen aller Völker und sagt: „Volk wird sich gegen Volk und Reich gegen Reich erheben. Es wird gewaltige Erdbeben und an vielen Orten Seuchen und Hungersnöte geben; schreckliche Dinge werden geschehen“ (V. 10f.)“.

Unerträgliches Leid in Gaza, Nordisrael, Libanon

Wenn man, wie ich, in Jerusalem lebt – sicher nicht nur dann, hier ist es aber besonders nah –, muss man bei diesen Worten an das endlose und unerträgliche Leiden der Opfer in Gaza, im Norden Israels, im Libanon, der israelischen Geißeln denken, deren schreckliches Geschick so leicht ideologisch platt gemacht wird und das kein Ende hat, auch wenn die Waffen schweigen. Wir sehen dabei zu, sind mehr oder weniger entsetzt darüber. Nehmen es hin. Es ist zum Weinen.

Der Retter 

Auf diese Not der Menschen antwortet das biblische Bild vom kommenden Menschensohn. Das siebte Kapitel des Danielbuchs spricht von ihm als dem Retter, der am Ende der Zeit auf den Wolken des Himmels kommt und dem von Gott Herrschaft, Würde und Königtum gegeben wird (Dan 7,13f.). Seine, ihm von Gott verliehene Herrschaft steht dabei im Kontrast zur erbarmungslosen Gewalt vierer Weltreiche, die als apokalyptische Tiere aus dem aufgewühlten Meer aufsteigen, der Chaosmacht, die uns schon im Evangelium begegnet ist. Auch das ist eine bildliche und theologische Rede, nicht ein Weltuntergangsszenario.

Das Kommen des Menschensohns ändert alles

Was bedeutet dann dieser Machtwechsel? Dem Evangelium nach ändert sich mit dem Kommen des Menschensohns alles:
28 Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe.
Es ist ein Advent für die Geschundenen aller Völker, für die Gebeugten, die sich nun aufrichten können. Gott schafft ihnen schließlich Gerechtigkeit.
Das ist eine große Hoffnung! Oder ist es nur eine billige Vertröstung?

„Es ist ein Advent für die Geschundenen aller Völker“

Viele werden das angesichts des nicht enden wollenden menschlichen Leids, auch hier im Heiligen Land, so sehen. Die Bibel ist trotz all dieser Leidenserfahrungen überzeugt von der wirklichkeitsverändernden Kraft der Rettung Gottes. Es geht im Sonntags-Evangelium und bei Daniel aber nicht nur um eine Ansage über Zukünftiges. Sie sprechen in unser hier und jetzt. Wie die Vergangenheit nie ganz vergangen ist, wirkt auch die Zukunft, die wir erwarten, in unsere Gegenwart hinein.

Wacht und betet allezeit

Und für unsere Situation, in der das Reich Gottes nahe, aber noch nicht da ist, fordert Lukas deshalb ein angemessenes Verhalten:
"Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren und dass jener Tag euch nicht plötzlich überrascht wie eine Falle; denn er wird über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Wacht und betet allezeit, damit ihr allem, was geschehen wird, entrinnen und vor den Menschensohn hintreten könnt!"

„Keine moralin-saure Ermahnung lediglich zu einem bürgerlich-braven Leben“

Ich denke, das ist keine moralin-saure Ermahnung lediglich zu einem bürgerlich-braven Leben. Die Worte rütteln auf zu wachsamer Aktivität anstatt trunkener Lethargie mit schwerem Herzen. Wachet und betet allezeit, um bereit zu sein für das unerwartete Kommen des Herrn. Das meint angesichts der menschlichen Not und Verzweiflung, von der die Endzeitrede spricht, bevor der Menschensohn kommen wird, sicher nicht, dass jeder nur rechtzeitig sein eigenes Schäfchen ins Trockene bringen soll.

Die Erwartung eint die abrahamischen Religionen

Einen Gedanken möchte ich noch anfügen: Dem Evangelium nach wird der Tag, an dem der Menschensohn wiederkommt, über alle Bewohner der ganzen Erde hereinbrechen. Hier in Jerusalem denke ich besonders daran, dass diese Erwartung eines Kommens des Retters am Ende der Zeit alle drei abrahamischen Religionen, Judentum, Christentum und Islam miteinander verbindet. Wie unterschiedlich unsere religiösen und theologischen Vorstellungen und Formulierungen in der Gegenwart auch sein mögen, gemeinsam warten und hoffen wir auf dieses noch ausstehende Eingreifen Gottes, das schließlich Gerechtigkeit bringen wird.

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)

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30. November 2024, 11:00