Unser Sonntag: Dankbar auf die Wiederkunft Christi warten!
Sr. M. Anna Schenck CJ
33. Sonntag im Jahreskreis (B) (Mk 13, 24–32)
Das klingt ja fast etwas bedrohlich, liebe Schwestern und Brüder, was Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern heute im Evangelium ankündigt.
Nach allem, was Sie gerade gehört haben, von der sich verfinsternden Sonne und der Erschütterung der Grundfeste des Himmels, überrascht Sie das vielleicht, wenn ich das nicht als Drohung empfinde: Für mich ist das heutige Evangelium wirklich eine gute Nachricht, eine frohe Botschaft.
Gerne gebe ich zu, dass ich einen ziemlich langen inneren Weg zu gehen hatte, bis sich dies für mich geklärt hatte, bis am Ende für mich klar war: Ich bin dankbar, dass ich auf die Wiederkunft Christi warten darf. Dass Christus auf mich zukommt, diese Perspektive stimmt mich froh. Dieser Weg begann mit der Auseinandersetzung mit Aussagen von Mitchristen, die den Glauben an die Wiederkunft Christi sinngemäß für Quatsch hielten, für einen Punkt, in dem sich Jesus eben selbst getäuscht habe. Damals bin ich vor allem in die Diskussion eingestiegen in dem Versuch, diese Glaubenswahrheit zu verteidigen oder zumindest eine Gegenposition in der scheinbaren Einmütigkeit einzunehmen, einen Anstoß zum Nachdenken zu geben.
Dieser Glaube schenkt Perspektive
Denn dieses Wegwischen des Glaubens, dass wir die Wiederkunft Christi erwarten dürfen, war mir einfach zu platt. Im Nachgang führte dieses Streitgespräch bei mir zu einer tieferen Auseinandersetzung mit diesem Glaubensinhalt. Heute kann ich sagen, dass mir die Hoffnung auf, ja der Glaube an die Wiederkunft des Herrn und den letzten Tag sehr wichtig ist und ich ihn nicht missen möchte, weil er meinem Leben eine Perspektive schenkt.
Dabei gibt es natürlich auch Verwirrendes im heutigen Evangelium. Die zentrale Botschaft für mich ist aber: Der Herr wird kommen und mit ihm werden Engel kommen, die die Menschen, die gerettet werden, zusammenführen werden. Es gibt eine Perspektive, eine Perspektive, die über den immer gleichen Lebensrhythmus, das alltägliche Durchwurschteln hinausgeht.
Ich darf auf etwas warten, ja, ich darf jemanden erwarten: Jesus Christus in seiner Herrlichkeit. Und dann, so Gottes Zusage, wird alles gut sein. Drei Aspekte, die mir hinsichtlich des Glaubens an die Wiederkunft Christ wichtig geworden sind, möchte ich heute mit Ihnen teilen: die Frage nach dem Warten, die Hoffnung auf Vollendung und der Trost.
Zunächst zum Warten: Natürlich warte ich ständig: an der Supermarktkasse, auf den Bus, im Stau, auf ein zugesagtes Päckchen. Aber diese Form des Wartens meine ich hier nicht. Ich stelle mir die Frage: Worauf warte ich eigentlich? Worauf hoffe ich, was gibt meinem Leben Perspektive? Das Ende meiner Amtszeit in Rom oder zumindest die nächste Sommerpause, das nächste Telefonat mit meiner Freundin oder einfach nur das Wochenende?
Auf was warten wir?
Sie mögen anderes anfügen: auf den nächsten Urlaub oder den Besuch eines Angehörigen, vielleicht auch auf das Ergebnis der letzten Untersuchung beim Arzt, auf die Antwort auf eine Bewerbung, vielleicht auch auf die Rente. Es gibt gute Gründe, auf diese Dinge zu warten. Aber reicht dieser Horizont meines Wartens zum Erfüllen meiner tiefsten Wünsche und Sehnsüchte denn aus? Ich kann zumindest für mich festhalten, dass mich diese innerweltliche Perspektive im Innersten nicht erfüllt. Wenn ich sage, dass ich auf die Wiederkunft Christi warte, dann gibt dieser Glaube meinem Leben einen tieferen Sinn.
Hoffen auf etwas, das größer ist, als alle irdischen Dinge
Denn ich hoffe auf etwas, das größer ist, als alle irdischen Dinge sein können. Dieses hoffende Warten weist über das Hier und Jetzt hinaus. Und bestenfalls lebe ich auch intensiver, weil ich nicht weiß, wann dieses Warten ein Ende hat, weil das Leben auch heute oder morgen vorbei sein kann. Die Gebete der Kirche erinnern mich immer wieder daran, dass wir auf die Wiederkunft Christi warten. Ich habe mir es mir bei Planungen für die Zukunft zur Gewohnheit gemacht, mir auch immer bewusst zu machen, dass der Herr vorher kommen könnte.
Der zweite Aspekt, der für mich untrennbar mit dem Glauben an die Wiederkunft Christi verbunden ist, ist die Hoffnung, dass alles sein Ziel findet, was auf dieser Erde und in unserem eignen Leben unvollendet bleibt. Es liegt mir fern, einer Vertröstung auf das Jenseits das Wort zu reden. Meine Hoffnung auf Vollendung hat mit Vertröstung nichts zu tun, sie nimmt nichts von meinem Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit im Hier und Heute.
...erleichtert den Umgang mit Misserfolgen
Ganz im Gegenteil: Der Glaube, dass ich nicht alles auf dieser Welt erreichen muss, macht mir auch den Umgang mit Rückschlägen und Misserfolgen leichter. Wenn nur die Perfektion genug ist, führt dies leicht in die Frustration. Wie leicht lasse ich mich frustrieren und fange dann erst gar nicht mit dem an, was mir heute möglich ist, auch wenn es noch so wenig erscheint! Ich möchte tun, was dazu beträgt, dass ein Leben in Fülle für möglichst viele Menschen auf dieser Erde möglich ist – und hoffe da auf viele Mitstreiter.
Vieles wird auf dieser Erde nicht mehr heil
Und doch gibt es Aspekte in meinem Leben, von denen ich realistisch annehmen muss, dass sie auf dieser Erde nicht mehr gut, nicht mehr heil werden: Wunden, die mir Menschen zugefügt haben, die zwar vernarbt sind, aber immer noch schmerzen und leider oft genug auch mein Verhalten prägen, oder die Aussöhnung mit Menschen, die mir sehr wichtig waren und die bereits verstorben sind, dies möchte ich hier als Beispiele nennen. Ich weiß von vielen anderen Menschen, dass sie hier anderes nennen würden, was auch auf ganz unterschiedlichen Ebenen liegen kann: eine körperliche Einschränkung durch einen Unfall oder eine schwere Erkrankung, eine zerbrochene Beziehung, in der sich keine Brücke mehr zueinander finden lässt, ein Trauma, das zwar bearbeitet werden kann, dessen Folgen jedoch nie ganz verschwinden, Folgen von Flucht und Vertreibung, von verfestigter Armut, innere Dunkelheit, Schmerzen, die ich vor anderen verborgen halte, oder ähnliches.
...das ist Jesu Rede von der Drangsal
Ich verbinde diese schmerzhaften und dunklen Aspekte im Leben von Menschen mit Jesu Rede von der „Drangsal“ im heutigen Evangelium: Dinge, die das Herz bedrängen, die schwer auf der Seele lasten, die mir nachts den Schlaf rauben; von denen ich lieber nichts bei der Arbeit erzählen oder von denen ich schon so häufig erzählt habe, dass andere nichts mehr davon hören möchten – und es trotzdem nicht gut ist. Es sind sicher ganz persönliche Erfahrungen, oft Biographisches, die Familiengeschichte, Erfahrungen in Beziehungen, die hier zum Klingen kommen. Menschen haben Lebenswunden, Wunden, die das Leben ihnen geschlagen hat – und von denen sie realistisch sagen, dass sie auf dieser Erde nicht mehr ganz heil werden. Wenn Ihnen, liebe Schwestern und Brüder, hier nichts aus Ihrem persönlichen Leben einfällt, sind Sie sicherlich ein glücklicher Mensch. Vielen fällt aber vermutlich etwas ein, das sie mit der Hoffnung auf Vollendung und Heilung in der anderen Welt verbinden.
Brauche ich dafür den Glauben, dass Jesus Christus wiederkommt? Reicht für all das nicht der Gedanke daran, dass ich einmal sterben werde? Der Moment, in dem jeder und jede Einzelne durch den Tod in ein neues Leben gerufen wird? – Ja und Nein ist da meine Antwort. Mir persönlich ist im Lauf meines Glaubenslebens bewusstgeworden, dass für diejenigen, die wirklich auf der Schattenseite des Lebens leben, für die die persönliche oder strukturelle Not eine tagtägliche Realität ist, diese Hoffnung auf das eigene Lebensende oder den „ganz persönlichen letzten Tag“, wie ich auch schon gehört habe, nicht ausreicht. Jedenfalls kann ich bekennen, dass mir persönlich das nicht genug ist. Der Glaube, dass der Herr jederzeit wiederkommen und die Verhältnisse umstürzen kann, kann Kraft schenken, um das Leben unter schwierigen Bedingungen anzunehmen und zu gestalten.
Zusammenführung der Auserwählten
Als dritter Punkt nach dem Warten und der Hoffnung auf Vollendung schließlich der Trost. Es ist zweifelsohne tröstlich, daran zu glauben, dass wir Christen einen guten Grund haben, darauf zu hoffen, dass der Herr kommt und all das Unvollendete vollendet. Mir geht es hier aber noch um einen anderen Aspekt – gerade auch in diesen Wochen des Jahres, in denen viele Menschen in besonderer Weise an die Verstorbenen denken: die Zusage, dass der Herr dann auch all die Auserwählten zusammenführen wird, nicht die Christen oder nur die Rechtgläubigen, sondern alle Menschen, die gerettet werden sollen. So haben Sie es im heutigen Evangelium gehört. Wer dies dann konkret sein wird – und wer nicht – kann ich getrost dem Herrn überlassen. Klar ist, dass diese Auserwählten von überall her kommen, von allen Himmelsrichtungen und noch viel weiter, „vom Ende der Erde bis zum Ende des Himmels“. Ich könnte auch zusammenfassen: Lebende und Tote. Darin sind also auch all diejenigen umfasst, die ich in meinem Leben vermisse, Menschen, um die Sie trauern. Der Herr wird sie bei seiner Wiederkunft zusammenführen.
Mir gefällt eine Schriftstelle im letzten Buch der Bibel, die mit dem Fest Allerheiligen verbunden ist, ein Bild, das dort gezeichnet wird: der Engel, der das Siegel des lebendigen Gottes all den Knechten und Mägden Gottes aufdrückt, bevor die Erde vernichtet wird. Und dann die große Schar derjenigen, die aus allen Stämmen, Völkern und Sprachen zusammengerufen werden und um den Altar stehen, unzählige Menschen. Später folgt die Erläuterung: „Dies sind jene, die aus der großen Bedrängnis kommen.“ Mich berührt dieses Bild der vielen Menschen, die so vieles erlitten haben und die nun bei Gott zusammengeführt und gerettet werden. Ist das nicht eine wundervolle, tröstenden Perspektive?
Kommt ER wirklich in Wolken?
Wo ich gerade bei Bildern bin: Wie genau ich mir die Wiederkunft des Herrn vorstellen kann, ob er wirklich „in Wolken“ kommt, das übersteigt mein persönliches Vorstellungsvermögen. Mit Kraft und Herrlichkeit, um dem Unrecht ein Ende zu setzen, die Mächtigen vom Thron zu stürzen und die dunklen Mächte zu entmachten, ja. Wichtiger als eine konkrete Vorstellung ist für mich jedoch die Haltung, die aus diesem Glauben und dieser Perspektive erwächst.
In diesen Tagen des Novembers, die von Dunkelheit, vom Rückgang in der Natur, von der Erinnerung an unsere Verstorbenen geprägt sind, lade ich Sie ein, in einem ruhigen Moment darauf zu schauen, wo in Ihrem Leben die innerweltliche Perspektive nicht ausreicht, wo Sie auf Trost und Vollendung im Herrn hoffen – und sich dahinein bewusst zusagen zu lassen, dass der Herr kommen wird. Und dass es dann keinen Kampf mehr braucht, auch kein Rennen um die besten Plätze. Vielmehr wird dann der Herr mit seinen Engeln für Sie sorgen und Sie in die Gemeinschaft der Getrösteten führen, heimführen in das Reich des Lichtes und des Lebens. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen trostreichen Sonntag.
(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.