Bischof Krämer: „Den Menschen nahe sein“
Besonders interessiert beobachtet er den verstärkten Fokus auf Synodalität, der in der jüngsten Synode in Rom mündete und nun auf weltkirchlicher Ebene umgesetzt werden soll. Das ziele auf eine Art von Kirche, wie sie in seiner Diözese schon seit 50 Jahren gelebt werde, meint er.
Radio Vatikan: Herr Bischof, bei der Vorstellung des neuen Bischofs, die wir ja auch im Livestream hier in Rom verfolgt haben, hatte man wirklich das Gefühl, dass die Leute sich gefreut haben, als Ihr Name genannt worden ist. Wie haben Sie sich denn in dem Moment gefühlt?
Bischof Klaus Krämer: „Ja, ich war zunächst mal ganz überrascht, dass der Dom wirklich prall gefüllt war, als ich reinkam... und es stimmt: Als mein Name fiel, da kam Beifall auf und alle haben sich auch sofort erhoben. Das hat mich in der Tat sehr bewegt. Mit so einer starken, spontanen Reaktion hätte ich gar nicht gerechnet.“
Radio Vatikan: Was ist Ihnen denn durch den Kopf gegangen, als Ihr Name als Kandidat genannt worden ist? Die Wahl ist ja für die Öffentlichkeit auch sehr gut geheim gehalten worden...
Bischof Krämer: „Bei uns ist es ja so, dass das Domkapitel den Bischof aus der Dreierliste wählt, die aus dem Vatikan kommt. Ich war natürlich als Mitglied des Domkapitels in dem Moment auch dabei, als die Liste geöffnet wurde und die Namen verlesen wurden. Und wenn dann der eigene Name fällt, ist das schon ein ganz besonderer Moment, das muss ich wirklich sagen. Da denkt man schon, jetzt wird es ernst, und schickt schnell ein Stoßgebet in den Himmel.“
Radio Vatikan: Jetzt gerade, am vergangenen Sonntag, sind Sie im Dom auch zum Bischof geweiht und im Amt eingeführt worden. Wie haben Sie sich dabei gefühlt, was hat das mit Ihnen gemacht?
Bischof Krämer: „Die Bischofsweihe ist eine sehr, sehr bewegende Liturgie, mit vielen intensiven und starken Zeichen, die auch sehr gut vorbereitet ist. Ich glaube, ich war noch nie in einem Gottesdienst, der so gut vorbereitet war. Und es ist dann schon sehr bewegend, vor allem, wenn die ganze versammelte Gemeinde für einen betet. Der Moment, in dem man dann vor dem Altar liegt und wirklich die Fürbitte der Gemeinde und alle Heiligen um ihren Beistand angerufen werden, das ist ein sehr intensives und bewegendes Erlebnis.“
Radio Vatikan: Und jetzt geht es natürlich sofort mit der Arbeit los. Was sind denn die wichtigsten Projekte, die Sie angehen möchten?
Bischof Krämer: „Es ist eine ganze Menge, was ansteht - und auch eine hohe Erwartung, dass viele Dinge angegangen werden. Wir stehen ja mitten in einem großen Transformationsprozess, wo wir noch mal die pastoralen Strukturen, unsere Gemeinden und die ganzen Organisationsformen anschauen müssen. Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Aber es ist natürlich auch die Herausforderung, dass wir wieder geistliches Leben in unserer Kirche bekommen und spirituelle Impulse setzen. Das ist eigentlich das noch Wichtigere. Dem möchte ich mich als Bischof natürlich widmen.“
Hohe Erwartungen
Radio Vatikan: Nun fand ja gerade in Rom die letzte Sitzung des synodalen Prozesses auf Weltebene statt, in Deutschland gibt es den Synodalen Weg. Wo sehen Sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede, und wo würden Sie sagen, da möchten Sie vielleicht auch vermittelnd tätig werden?
Bischof Krämer: Ja, das ist eine ganz spannende Sache! Ich glaube wirklich, dass die Frage der Synodalität eines der großen Zukunftsthemen unserer Kirche ist, dem ich natürlich auch deswegen schon große Aufmerksamkeit widme, weil wir als Diözese Rottenburg-Stuttgart ja auch große Erfahrung mit Synodalität haben. Wir haben seit über fünfzig Jahren ein Modell des synodalen Zusammenwirkens in unserer Diözese, mit dem Diözesanrat und Räten auf allen Ebenen - und das nimmt eigentlich schon vieles von dem auf, was der Synodale Weg gefordert hat. Ich bin froh, dass das nun auch auf weltkirchlicher Ebene ein Thema ist, weil wir auch keinen deutschen Sonderweg gehen können. Als jemand, der jahrzehntelang in der weltkirchlichen Arbeit intensiv unterwegs war, ist mir klar, dass wir da in ganz engem Kontakt auch mit den anderen Ortskirchen gehen müssen. Und ich bin Papst Franziskus sehr dankbar, dass er dieses Thema auf die Agenda der Weltkirche gesetzt hat.“
Radio Vatikan: Aus der Weltsynode kam unter anderem die Forderung, Laien bei der Auswahl eines neuen Bischofs stärker zu beteiligen. Sie haben es angesprochen, Sie haben ja schon Beratungsstrukturen, wie sie an anderen Orten erst entwickelt werden müssen oder gefordert werden. Aber halten Sie diese Forderung für gerechtfertigt, Laien jetzt noch stärker einzubeziehen? Und wie könnte das auf weltkirchlicher Ebene aussehen?
Bischof Krämer: „Wir haben das in gewisser Weise auch schon getan bei unserer Bischofswahl. Vor der Aufstellung der Liste des Domkapitels, die nach dem Konkordat gefordert ist (und aus der der Nuntius Namen für die endgültige Dreierliste übernehmen kann, aber nicht muss, Anm.), haben wir eine intensive Konsultation mit dem Diözesanrat, der Dekanen-Konferenz und dem Priesterrat gehabt, und dort konnten Namen von geeigneten Persönlichkeiten genannt werden. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Ansatzpunkt. Da ist auch sicher noch manches ausbaufähig. Wir haben natürlich in Deutschland auch das Modell der Wahl durch das Domkapitel. Das ist gesamtkirchlich gesehen sicher ein interessantes Modell. Ich denke, man wird sich da Gedanken machen müssen, wie das auch in der Gesamtkirche noch mal in eine neue Form kommen kann, weil die Auswahl der Bischöfe sicher noch optimiert werden kann.“
Radio Vatikan: Ein großes Thema beim Synodalen Prozess war auch die Frauenfrage, besonders auch hier bei den Beratungen in Rom. Sind Sie persönlich denn zufrieden damit, wie das jetzt gelöst oder, anders gesagt, etwas in der Schwebe gelassen wurde?
Bischof Krämer: „Ja, ich weiß, dass viele ein bisschen enttäuscht waren, dass da nicht konkretere Aussagen kamen. Aber ich selber bin eigentlich ganz zuversichtlich, weil die Tür nicht geschlossen wurde in dieser Diskussion, sondern - so habe ich es wahrgenommen - eher wieder etwas geöffnet und der Diskussionsprozess weitergehen kann. Und das ist, glaube ich, auch die richtige Herangehensweise. Ich weiß, dass die Einstellungen dazu in den verschiedenen Teilen der Weltkirche sehr unterschiedlich sind und dass es da wirklich auch eines Diskurses bedarf - aber der soll auch geführt werden! Dann werden wir in der Frage auch zu Fortschritten kommen. Das kann man nicht heute oder morgen erwarten. Aber ich denke, wir sind da auf einem Weg, der auch zu Ergebnissen führen wird.“
Radio Vatikan: Ein anderes großes Thema, welches auch Sie direkt betrifft, war bei der Synode natürlich die Rechenschafts- und Transparenzpflicht für Diözesanbischöfe. Empfinden Sie das in irgendeiner Form als Beschränkung für das bischöfliche Wirken?
Bischof Krämer: „Also bei uns ist das Praxis, Deswegen bin ich damit eigentlich, seit ich pastoral tätig bin, ganz selbstverständlich umgegangen. Bei uns hat der Diözesanrat das Haushaltsrecht und diskutiert auch in allen pastoralen Fragen mit. Der Bischof hat natürlich das letzte Wort, aber er wird eine intensive Beratung nicht einfach ignorieren. Von daher haben wir schon Formen, wie Rechenschaft abgelegt werden kann, und haben damit in unserer Diözese durchweg eigentlich sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht. Also sehe ich das nicht als Beschränkung des Bischofs, sondern eher als eine Unterstützung in der Wahrnehmung seiner Aufgabe.“
Radio Vatikan: Sie müssen und wollen jetzt - wie Sie gerade angesprochen haben - Reformen angehen, auch angesichts zurückgehender Zahlen der Katholiken im Bistum. In welche Richtung soll das dann gehen?
Bischof Krämer: „Da werden wir intensiv beraten. Auch als Bischof werde ich jetzt nicht einfach einen Masterplan vorgeben, sondern ich werde schon sehr bald mit dem Diözesanrat überlegen, was unsere Ziele sind als Kirche hier in unserer Diözese und wie wir die pastoralen Strukturen so ausrichten, dass wir wirklich gut arbeiten können in den Gemeinden und den Menschen dort nahe bleiben. Das ist, glaube ich, das Allerwichtigste. Man darf das nicht nur unter verwaltungstechnischen Gesichtspunkten sehen, sondern es ist vor allem eine pastorale Entscheidung und eine Entscheidung, die tatsächlich auch synodal fallen soll. Weil ich auch möchte, dass am Schluss alle mitmachen bei der Struktur, für die wir uns entscheiden.“
Radio Vatikan: In der Diözese wird Sie jetzt wahrscheinlich auch die Missbrauchsaufarbeitung intensiver beschäftigen. Es war ja bereits in einem Zwischenbericht der Unabhängigen Kommission für die Zeit bis in die 90er Jahre formuliert, dass „Missbrauchsvertuschung Dauerzustand“ in Rottenburg-Stuttgart gewesen sei. Und während des fraglichen Zeitraumes waren Sie selbst ja auch als Sekretär des damaligen Bischofs Walter Kasper im Amt. Sehen Sie denn hier einen Konflikt für sich selbst, für die lückenlose Aufklärung?
Bischof Krämer: „Nein, überhaupt nicht. Wir haben die unabhängige Aufarbeitungskommission, die ja gründlich alle Akten und Informationen, die sie dazu bekommen kann, aufarbeitet. Wir hatten bislang auch nur einen Zwischenbericht von dieser Kommission; wir müssen wirklich abwarten, bis dann der endgültige Bericht vorliegt, der dann auch eine eigene qualifizierte Stellungnahme dazu erfordert. Ich selbst habe der Kommission auch schon ein intensives Interview über meine Zeit als Sekretär von Bischof Kasper gegeben. Ich bin zuversichtlich, dass wir eine sehr solide Aufarbeitung bekommen und dass die uns dann auch wirklich helfen wird, gut in die Zukunft zu gehen.“
Missbrauchsaufarbeitung Chefsache
Radio Vatikan: Wollen Sie uns denn ein Beispiel für konkrete Wege nennen, die Sie im Bistum schon eingeschlagen haben, um Missbrauch einen Riegel vorzuschieben und auch die Aufarbeitung kontinuierlich fortzuführen?
Bischof Krämer: „Ja, ich habe ein sehr schönes und treffendes Beispiel, weil mein Vorgänger, Bischof Fürst, schon sehr früh eine Kommission gegen sexuellen Missbrauch eingerichtet hat, die KSM. Das war bereits 2002, nachdem die ersten großen Missbrauchsfälle in der deutschen Kirche bekannt wurden. Seitdem wird jeder Verdachtsfall direkt an diese Kommission gegeben, so dass irgendwelche Vertuschungen und ähnliches auch strukturell gar nicht mehr möglich sind. Damit haben wir sehr, sehr gute Erfahrungen gemacht; und wir haben auch das Präventionssystem sehr gut ausgebaut, damit dann wirklich alle pastoralen und ehrenamtlichen Mitarbeiter so vorbereitet sind, dass sexuellem Missbrauch, so gut wir das eben tun können, vorgebeugt wird.“
Radio Vatikan: Ein anderes Thema - Sie haben jetzt als Bischof natürlich auch einen Wahlspruch gewählt. „Du hast Worte des ewigen Lebens“ haben Sie sich ausgesucht. Was verbinden Sie denn damit?
Bischof Krämer: „Das ist aus einer Stelle des Johannesevangeliums, die mir tatsächlich in letzter Zeit sehr wichtig geworden ist, weil sie, denke ich, die Situation, in der wir als Kirche stehen, sehr gut auf den Punkt bringt. Das ist die Situation, wo die Menschen beginnen, sich von Jesus abzuwenden und er dann seine Jünger fragt: ,Wollt auch ihr weggehen?‘ Und dann kommt eben dieses Wort des Petrus: ,Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens‘ (Joh 6,68). Das trifft meiner Ansicht nach tatsächlich den Kern, dass wir uns auf Jesus Christus konzentrieren müssen und dass wir uns an ihm orientieren müssen. Das ist der Grund, warum wir in der Kirche sind. Und das ist auch der Weg, den wir gehen müssen, um in der Zukunft als Kirche wirklich Zeugen und Zeuginnen der Frohen Botschaft sein zu können.“
Radio Vatikan: Nehmen wir mal einen Zeitraum, sagen wir bis 2030... Was für einen Traum haben Sie denn da für Ihre Amtszeit? Was möchten Sie bewahrt oder was möchten Sie umgesetzt wissen?
Bischof Krämer: „Es ist natürlich eine relativ kurze Zeit, wenn man die Prozesse in einer Diözese ansieht. Ich würde mich freuen, wenn wir bei den strukturellen Fragen doch ein gutes Stück vorangekommen sind und wenn wir auch wieder neue Ideen haben, wie wir das geistliche Leben in unserer Diözese neu beleben können. Das ist, glaube ich, unterm Strich das Wichtigste. Und ich hoffe, dass wir da in fünf bis sechs Jahren auch schon erste Ideen haben und dann mutig nach vorne gehen.“
Radio Vatikan: Vielen Dank, Bischof Krämer, und viel Glück, Erfolg und Kraft für Ihr Amt!
Bischof Krämer: „Vielen Dank!“
Das Interview mit Bischof Krämer führte Christine Seuss.
(vatican news)
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