Österreich: Schönborns letzte Silvesteransprache
Die Probleme seien groß - selten sei ein Jahreswechsel „mit so viel Unsicherheit verbunden, wie in diesem Jahr“. Das sagte der Wiener Erzbischof in seiner traditionellen ORF-Silvesteransprache.
„Wie wird es in der Ukraine weitergehen? Wird es endlich einen gerechten, haltbaren Frieden geben? Wird es im Nahen Osten zu einer Friedenslösung kommen? Wird es in Österreich gelingen, den Schuldenberg gemeinsam abzubauen? Werden wir eine stabile Bundesregierung bekommen? Und dazu kommen natürlich die vielen persönlichen Ungewissheiten und Sorgen. Der Jahresübergang kann in ein gutes Jahr führen oder auch in ein schlimmes bis hin zu einem Atomkrieg. Deshalb geht auch so viel Angst in der Welt um.“
„Trotzdem Ja zum Leben sagen“
Angesichts dieser bedrückenden Stimmung erinnerte Schönborn an den Arzt, Psychotherapeuten und KZ-Überlebenden Viktor Frankl (1905-1997) und dessen Leitwort „Trotzdem Ja zum Leben sagen“.
„Diese Haltung des Vertrauens bemüht sich vor allem darum, in allen Dingen immer auch das Gute zu finden. Und das ist möglich. Dazu hat Viktor Frankl ein ganz wichtiges Wort gesagt: Im Leben einen Sinn finden heißt, auch im Leiden einen Sinn finden. Dazu braucht es eine ganz bestimmte positive Haltung. Viktor Frankl war überzeugt, dass es eine Fähigkeit des Menschen gibt, die ihn vertrauensfähig und vertrauensstark macht. Leiden gehört zum Leben. Es gibt kein Leben ohne Leiden. Aber wir alle haben die Fähigkeit des Mitleidens, des Mitgefühls.“
Vertrauen sei keine selbstverständliche Haltung, so der Erzbischof von Wien. Sie sei „sozusagen gegen den Strom, gegen den Pessimismus“.
„Aber: Das Vertrauen können wir pflegen durch das Mitgefühl. Wer Mitgefühl hat, kann sich hineindenken in die Situation anderer Menschen. Er kann ihnen nachfühlen, wie es ihnen geht. Und aus diesem Mitgefühl und Nachfühlen-Können entsteht eine solidarische Gemeinschaft. Wir können uns bewusst entscheiden dafür, Mitgefühl zu leben und zu praktizieren. Und wir können uns dafür entscheiden - ganz bewusst: Ich will ein Brückenbauer des Friedens sein.“
Es war die letzte ORF-Silvesteransprache von Kardinal Schönborn als Erzbischof von Wien. Am 22. Januar wird Schönborn 80. Am 18. Januar feiert der Kardinal seinen Abschied als Erzbischof von Wien mit einem Dankgottesdienst im Stephansdom und einem anschließenden Fest am Stephansplatz. Ein Nachfolger wurde bislang noch nicht ernannt.
(kap/orf – sk)
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