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...und das Wort ist Fleisch geworden. ...und das Wort ist Fleisch geworden. 

Unser Sonntag: Alle Jahre wieder

In dieser ersten Betrachtung von Pfarrer Ulrich Filler geht es um eine neue Weise der Gegenwart Gottes - jetzt können die Worte des Johannesprologs in einem ganz anderen Klangraum widerhallen.

Pfarrvikar Ulrich Filler

 2. Sonntag nach Weihnachten, Joh 1, 1–5.9–14 Lesejahr C

Alle Jahre wieder kommt das Christuskind. Alle Jahre wieder feiern wir Weihnachten. Und alle Jahre wieder arten die Feiertage an allen Fronten in puren Stress und verzweifelte Familienfreude aus, vom Adventsfenster bis zur Gänsekeule, von der Krippenspielprobe bis zum Neujahrsbrunch.

Hier zum Nachhören

Wir sind gestresst – aber wie haben eigentlich Maria und Josef, Elisabeth und Zacharias, die Hirten von Betlehem oder die Schriftgelehrten aus Jerusalem das erste Weihnachtsfest gefeiert? Was bedeutet für sie die Geburt des Messias? Anders gefragt: Was hat sich durch Weihnachten verändert im Glauben der Freunde und Jünger Jesu, wie war das für Johannes, Andreas und Petrus? Gottes Sohn wird Mensch, Jesus von Nazaret ist das göttliche Wort, das unser Fleisch angenommen hat – was hieß das konkret für Maria Magdalena, Susanna, Salome, Lazarus und Johanna?

In diesen Tagen kehrt Ruhe ein

Wenn in diesen Tagen für uns wieder etwas Ruhe einkehrt, gibt uns die Kirche am zweiten Sonntag nach Weihnachten die Gelegenheit, im Übergang von der weihnachtlichen Festfolge in die Zeit des Jahreskreises eine Antwort auf diese Frage zu finden. Sie kreist um das weihnachtliche Geheimnis, das sich im Fest der Erscheinung des Herrn und bei seiner Taufe im Jordan entfaltet und sich dann in neuen Anfängen fortsetzt, beim ersten Wunder bei der Hochzeit zu Kana und bei der ersten öffentlichen Predigt Jesu in der Synagoge von Nazaret.

„Gott, der Herr und Schöpfer, der Allgewaltige, Allheilige, der unfassbare Urgrund allen Seins – ....lebendige und gewaltige Gott Israels, hat sich seinem auserwählten Volk offenbart als Immanuel, als Nobiscum-Deus, als Gott-mit-uns.“

Wenn wir eines wissen von den Freunden und Jüngern Jesu, von seinen Eltern, von den Aposteln und Johannes dem Täufer, wenn wir eines wissen über diese frommen Juden, die den Glauben ernst genommen und praktiziert haben, denen bloße Lippenbekenntnisse fremd waren, dann ist es ihre gemeinsame Überzeugung, die sie mit ganz Israel teilen: Gott, der Herr und Schöpfer, der Allgewaltige, Allheilige, der unfassbare Urgrund allen Seins – Gott, der Allmächtige, der ganz anders ist als all die lächerlichen und menschengemachten, selbstausgedachten Götter und Götzen der Heiden, dieser lebendige und gewaltige Gott Israels, hat sich seinem auserwählten Volk offenbart als Immanuel, als Nobiscum-Deus, als Gott-mit-uns.

Israels Gott geht mit

Israels Gott geht mit. Seine Gegenwart ist machtvoll und weithin sichtbar: In grauer Vorzeit, als das Volk aus den zwölf Stämmen langsam zusammenwuchs zu einer Nation, als Mose die Israeliten aus der ägyptischen Sklaverei hinausführte in die große Freiheit des Bundes, da war dieser Gott der Freiheit gegenwärtig in einer mächtigen Rauch- und Feuersäule, Wegzeichen und Wegbegleiter zugleich, Schutz und Schirm. Als Mose auf dem Berg Horeb vor das Angesicht Gottes treten durfte, verbarg die Wolke die Herrlichkeit des Herrn. Und als Mose aus der Wolke wieder heraustrat, trug er die beiden Steintafeln mit den Zehn Worten, den Zehn Geboten, die Lebensquell und Grundlage des Bundes sind, den Gott mit seinem auserwählten Volk schließt.

Gott ist der Immanuel, der Nobiscum-Deus

Gott ist der Immanuel, der Nobiscum-Deus, der Gott-mit-uns. Seine Gegenwart wird sichtbar – aber nicht in einem Bild oder einer Figur, wie bei den anderen Völkern. Nein, ein solches Götzenbild wird ausdrücklich verboten, der gewaltige Gott ist nicht gegenwärtig in seinem Bild, sondern in seinem Wort. Das göttliche Wort, die Schrift ist das Medium der Gegenwart des Gottes, der mitgeht. Die Tafeln mit den Zehn Worten werden als Unterpfand des Bundes in der Bundeslade mitgetragen, die in den Jahrzehnten der Wüstenzeit in einem mobilen Heiligtum, der Stiftshütte, aufgestellt wird.

„Gottes-Dienst dient nicht der Unterhaltung, auch nicht der Belehrung, er ist Liturgie und Kult, Dienst am höchsten Gott“

Die Anfertigung der Bundeslade und des Heiligtums wird genau und detailreich festgelegt und offenbart: der Kult, der Gottesdienst, die Feier der Gegenwart Gottes, seine Anbetung und Verehrung unterliegen nicht menschlich-modischem Alltagsgeschmack. Gottes-Dienst dient nicht der Unterhaltung, auch nicht der Belehrung, er ist Liturgie und Kult, Dienst am höchsten Gott. So wird Gemeinschaft möglich, auf diese Weise können sich Himmel und Erde berühren, hier öffnet sich die Quelle des Lebens und des Heils, aus der alle schöpfen dürfen.

Hier berührt der Himmel die Erde

Hier zeigt sich das Angesicht des Schöpfers, das Leben überhaupt möglich macht, vor dem man Auf- und Durchatmen und wachsen und sich entfalten kann im Freiheitsraum seiner Liebe. Es zeigt sich nicht in einem gemalten Bild, nicht in einer Figur aus Stein oder Metall. Auf der Bundeslade liegt oben eine goldene Platte mit der Darstellung zweier Engel, der Kerubim. Sie bildet den Thron Jahwes, den Schemel seiner Füße. Hier berührt der Himmel wirklich die Erde. Hier geht der gewaltige Gott tatsächlich mit, voll Heil und Erbarmen, voll leidenschaftlicher Liebe, mit der er unermüdlich und einfallsreich in jeder Generation von neuem um die Liebe des Menschen wirbt, um sein Ja, um seine Antwort im Glauben.

Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch

Dieser Gottesdienst Israels feiert die Gegenwart des Immanuel, ermöglicht Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch – in den Tagen der Wüstenwanderung genauso wie im Tempel von Jerusalem, den Salomo schließlich erbaut. Dort ist die Anordnung genauso wie früher im Bundeszelt und der Tempel bildet nun den Mittelpunkt allen Heils und aller Heiligkeit. Im innersten Innern, im Allerheiligsten, steht die Bundeslade, der leere Thron für den unsichtbaren, im Wort und seinem Namen anwesenden Gott. Nur der Hohepriester darf einmal im Jahr diesen allerheiligsten Ort betreten, um den Namen Gottes laut auszusprechen.

Göttliche Gegenwart...

Von dieser Quelle der höchsten Konzentration der göttlichen Gegenwart ergießt sich die Heiligkeit Gottes wie ein Strom in konzentrischen Kreisen aus: Vor dem Allerheiligsten liegt der Raum des Heiligsten mit dem siebenarmigen Leuchter, dem Tisch mit den Schaubroten und dem Räucheraltar. Vor dem Tempelinnern erstreckt sich der Vorhof der Priester, davor der Vorhof der Männer, dann der Vorhof der Frauen und schließlich der große Vorhof der Heiden. Der heilige Tempelbezirk ist umgeben von der heiligen Stadt Jerusalem, sie liegt im heiligen, gelobten Land, das umgeben, ja umzingelt ist von den unheiligen, unreinen Ländern der Heiden.

...im gold-glänzenden Tempel von Jerusalem 

Maria und Josef, Johannes und Petrus, Maria und Martha – sie alle wussten: Gott ist gegenwärtig. Der Himmel berührt die Erde. Aber nicht überall und nirgends, irgendwie geistig, allgegenwärtig und letztlich egal, sondern an einem bestimmten Punkt, an einem konkreten Ort: im machtvollen Zeichen der Gegenwart Gottes im beeindruckenden, weithin sichtbaren, gold-glänzend strahlenden Tempel von Jerusalem. Um ihn kreist das Leben der frommen Juden, auch Maria und Josef unternehmen die Wallfahrten, bringen die Opfer dar, haben so teil am ununterbrochenen Gottesdienst Israels.

Zerstörung im Jahr 70 n. Chr.

Führen wir uns dieses Panorama des Glaubens im Alten Bund vor Augen, dann können wir ermessen, was für ein furchtbares und unerhörtes Sakrileg die Entweihung des Tempels darstellt. Als König Antiochus IV. Jerusalem gewaltsam in eine hellenistische Stadt verwandeln wollte, brach ein Volksaufstand los, von dem die beiden Makkabäerbücher im Alten Testament berichten. Endgültig bedeutet die Zerstörung und Schleifung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 ein furchtbares Trauma, ein nie verheilende Wunde.
Kein Wunder, dass die Verheissungen Jesu die Menschen elektrisiert haben: »Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.« (Joh 2, 19) Und der Evangelist Johannes notiert auch: »Er aber meinte den Tempel seines Leibes.« (Joh 2, 21)

„Jetzt können die Worte des Johannesprologs in einem ganz anderen Klangraum widerhallen, wenn es um eine neue Weise der Gegenwart Gottes geht“

Dieses prophetische Jesuswort über den Tempel zielt genau in das Geheimnis von Weihnachten. Jetzt können die Worte des Johannesprologs in einem ganz anderen Klangraum widerhallen, wenn es um eine neue Weise der Gegenwart Gottes geht, die nicht länger an den Tempel aus Stein gebunden ist. Ja, Gott ist gegenwärtig in seinem Wort: »Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne es wurde nichts, was geworden ist.« (Joh 1, 1–3) Und dieses Wort ist das Licht, das in der Finsternis leuchtet. Das bedeutet Weihnachten für die Apostel, wenn Jesus sagt: »Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis umhergehen, sondern wird das Licht des Lebens haben.« (Joh 8, 12) Sie verstehen diesen Zusammenhang, diesen Anspruch, und müssen überlegen, ob sie zustimmen können, ob sie mitgehen können mit dem Gott, der mitgeht.

Die Zeit des Tempels geht zu Ende

Denn die alte Zeit, die Zeit des Tempels, geht nun zu Ende. Aber nicht, um aufzuhören, sondern um sich endgültig zu entfalten und zu vollenden. Denn dieser Gott, der im Wort und nicht im Bild diese Erde berührt, er wird nun Mensch und kommt in sein Eigentum. Die Mitte der Heiligkeit, die Konzentration allen Lebens ist nicht länger im Allerheiligsten des Tempels, sondern im Menschen Jesus von Nazaret, dem göttlichen Wort, das Fleisch geworden ist und in dem wir die Herrlichkeit Gottes schauen, voll Gnade und Wahrheit.

Die Bedeutung von Weihnachten

Das bedeutet Weihnachten für Maria und Josef, Elisabeth und Zacharias, die Hirten von Betlehem oder die Schriftgelehrten aus Jerusalem. Das hat sich durch Weihnachten verändert im Glauben der Freunde und Jünger Jesu, im Glauben von Johannes, Andreas und Petrus: Weihnachten heißt für sie konkret: Der Mittelpunkt unseres Glaubens, des Glaubens unserer Väter, wird neu verortet. Der Immanuel, der Nobiscum-Deus, der Gott-mit-uns ist neu und konkret gegenwärtig in Jesus, dem Christus.
Noch Fragen? Nur eine: Glaube ich daran? Glaube ich an seinen Namen? Nehme ich ihn auf in mein Leben, diesen Gott-mit-uns?
Amen.

(Radio Vatikan - Redaktion Claudia Kaminski) 


 

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04. Januar 2025, 10:45