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Der Papst in Rangun Der Papst in Rangun 

Papstreise nach Myanmar: ein Kollegengespräch

Franziskus ist in Myanmar angekommen – eine eher heikle Reise aus vatikanischer Sicht. Zunächst ein Blick auf die katholische Kirche in dem Land: Das ist eine kleine Minderheit von wenig mehr als einem Prozent, warum reist der Papst eigentlich da hin? Ein Kollegengespräch mit Anne Preckel.

Myanmars katholische Kirche ist mit um die 750.000 Katholiken in der Tat überschaubar, doch sehr dynamisch und glaubensstark. Sie speist sich vor allem aus ethnischen Minderheiten und ist heute aktiv im Gesundheitswesen und in der Bildungsarbeit, ihre Schulen haben einen sehr guten Ruf. Mit Kardinal Charles Maung Bo, dem Erzbischof von Rangun, hat Papst Franziskus 2015 für das Land den ersten Pupurträger ernannt - ein Hoffnungszeichen für Myanmars Kirche, die aufgrund der Militärdiktatur jahrzehntelang isoliert war und erst seit ein paar Jahren wieder sozial arbeiten und Priester weihen kann. Der Kardinal kennt die verschiedenen Minderheiten gut und setzt sich für Frieden in den Krisen-Bundesstaaten Kachin und Rakhine ein. Er steht für eine Kirche, der der Dialog der verschiedenen Religionen und Ethnien am Herzen liegt.

Schon am ersten Tag stand ein Treffen mit dem Militärchef auf dem Programm. Das Militär hat das Land über ein halbes Jahrhundert regiert und hat de facto noch sehr viel Macht. Welche Bedeutung hat da dieses Treffen - und warum ist es als privat deklariert?

Ja, der Papst ist gerade angekommen und stößt schon ins Herzstück der Krise vor, sozusagen. Dabei war diese Begegnung doch nachträglich und ganz kurzfristig ins Reiseprogramm eingeschoben worden; Kardinal Bo von Rangun hatte darauf gedrängt. Die beiden trafen sich mittags, inhaltlich wurde wenig bekannt, allerdings kann die Bedeutung des Treffens gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Min Aung Hlaing, Myanmars mächtigem Militärchef, ist der Mann, durch dessen Hände ganz viele Fäden in Myanmar laufen – etwa was die nationale Sicherheit und die Grenzsicherung, was Wirtschaftsfragen und was den Umgang mit den verschiedenen Volksgruppen betrifft. Auch die Staatsrätin und De facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi kann an ihm nicht vorbei, wenn sie Reformen im Land umsetzen und die Nation einen will. 

Offiziell hieß es, der Papst und der General hätten sich ausgetauscht über die große Verantwortung der Autoritäten in Myanmar in diesem Moment des Übergangs. Was könnte das denn im Einzelnen heißen?

Der Papst dürfte mit dem General über die Rückführung der Rohingya gesprochen haben, die das Militär bis zuletzt abgelehnt hat. Das Militär hat zusammen mit fanatischen Buddhisten die muslimische Minderheit brutal aus Rakhine vertrieben. Wenn der Papst sich tatsächlich für mehr Rechte der Rohingya einsetzen will, muss er das dem General schmackhaft machen. Ein schwieriges Unterfangen, eine harte Nuss, aber es ist schon allein positiv, dass dieses Treffen zustande kommt.

Am Dienstag findet dann die mit Spannung erwartete Zusammenkunft statt zwischen dem Papst und der mittlerweile umstrittenen Staatsrätin und Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi. Die beiden kennen sich ja schon...

In der Tat. Suu Kyi war zuletzt im Mai im Vatikan, als beide Länder einen Botschafteraustausch vereinbarten. Die Papstreise nach Myanmar stärkt diesen Kontakt weiter, der Vatikan hat großes Interesse, das Land auf seinem Weg in die Demokratie zu unterstützen. Und natürlich unterstützt Franziskus mit dem Papstbesuch, überhaupt der erste in Myanmar, Aung San Suu Kyis Reformbemühungen und ihr Programm der nationalen Versöhnung und Einheit. Diese Unterstützung kann sie gebrauchen, sie will mehr Mitsprache und Rechte für die Minderheiten verwirklichen, was Nationalisten und Militärs ein Dorn im Auge ist. Die wollen nämlich etwa den wirtschaftlichen Verdienst aus Geschäften mit dem großen Nachbarn China nicht teilen. Und sie wollen im Grunde ein rein buddhistisches Land ohne störende und revoltierende Minderheiten.

Umstritten war die Staatsrätin aus Sicht von Menschenrechtlern wegen ihres verzögerten Einsatzes für die Rohingya, da hat man in der Tat einige Zeit drauf warten müssen. Auch Myanmars Kirche, die Aung im Großen und Ganzen unterstützt, hatte das zuletzt kritisiert, wie Kardinal Bo in einem Interview durchblicken ließ. Der Kardinal machte da allerdings auch deutlich, dass die Friedensnobelpreisträgerin so manches Opfer bringt, um im postmilitärischen Myanmar überhaupt so etwas wie eine Demokratisierung voranzutreiben. Sie sei zu einer „ewigen Gratwanderung“ gezwungen, sagte der Kardinal.

Die Frage ist natürlich: Wird Franziskus die Gewalt gegen die Rohingya direkt ansprechen - und in welcher Form genau? Die katholische Ortskirche hatte ihn nämlich vor Reisebeginn gebeten, das Wort „Rohingya" gar nicht erst in den Mund zu nehmen. Warum?

Die Bischöfe Myanmars haben einfach Angst, dass sich dann erneut Hass radikaler Kräfte gegen die Rohingya entlädt. Nachdem die UNO Empfehlungen zu den Rohingya abgegeben hatte, kam es erneut zu Übergriffen auf die muslimische Minderheit – manche Beobachter sahen hier einen direkten Zusammenhang. Die Schlagzeilen zum Rohingya-Drama sind ja regelrecht hochgekocht, die internationale Gemeinschaft rührt sich in der Krise, was die Fundamentalisten im Land als Einmischung ablehnen.  Außerdem gibt es in Myanmar auch andere Minderheiten, die einerseits Hilfe brauchen, die aber auch Unruhe stiften, Aung hat hier wirklich alle Hände voll zu tun. Die Kirche wünscht sich hier, dass der Papst alle in Bedacht zieht. Und man denkt sicherlich auch strategisch: Denn wenn die Rohingya jetzt tatsächlich zurück nach Myanmar gebracht werden sollen, muss man sehen, dass man das möglichst diplomatisch und ohne viel Aufhebens tut.

Franziskus hat bei früheren Gelegenheit schon von „Rohingya“ gesprochen - gibt es für den Papst überhaupt einen gangbaren Weg, die Menschenrechtsverletzungen anzusprechen, ohne sich einen weiteren Dialog mit den Machthabern zu verbauen?

Naja, Franziskus ist kein Politiker, sondern der Papst. Das heißt, er folgt dem Evangelium, nicht weltlichen Interessen. Er tritt für die Würde und die Rechte eines jeden Menschen ein, immer und unabhängig von religiöser oder ethnischer Zugehörigkeit. Insofern ist er für den demokratischen Prozess, sofern dieser für diese Rechte eintritt. Mit dieser Grundsatzbotschaft wird er auch in Myanmar auftreten, und er wird sich dabei kaum nur an eine Gruppe wenden. Man muss auch bedenken, dass diese Botschaft in Asien nicht so selbstverständlich ist. Da gibt es hinsichtlich der Menschenrechte so viele Schieflagen: Sklavenarbeit und Menschenhandel, systematische Abtreibungen und Staatsgebilde wie etwa in China, die sich über den Menschen stellen.

Und nochmal zu den Rohingya: Es stimmt, Franziskus hat sich wiederholt dazu geäußert, zum Beispiel sprach er bei einem Angelus-Gebet – das war im August diesen Jahres – ganz klar von „Verfolgungen“ der Rohingya und er verlangte „volle Rechte“ für sie. Insofern hat er hier schon Klartext gesprochen, seine Position ist klar. In Myanmar hieße „volle Rechte“ für die Rohingya etwa die Staatsbürgerschaft: Das haben auch die Vereinten Nationen verlangt und Staatsrätin Aung San Suu Kyi hat Schritte in diese Richtung signalisiert. Hier liegt die eigentliche Sprengkraft – denn die nationalistischen Kräfte in Myanmar, auf Seiten des Militärs und der radikalen Buddhisten, sehen das nicht gern.

Andererseits muss man sagen, dass es auch unter den Rohingya in Rakhine radikale Kräfte gibt bzw. gab, die möglicherweise Kontakte zum IS oder zu Al Kaida pflegen. Hier gilt es also zu unterscheiden, auch mit Blick auf eine Staatsbürgerschaft…. Dazu hat auch der Papst bislang nichts gesagt, in Myanmar wird er aber sicher jedweder Form von Extremismus eine Absage erteilen.

Franziskus selbst hatte sich bei seiner Abreise bedeckt gehalten, nur gesagt, er wünsche sich eine "fruchtbare Reise" - wie könnte eine "fruchtbare Reise" aussehen?

Zwei Begegnungen sind in Myanmar von größter Bedeutung: die Begegnung des Papstes mit dem Oberbefehlshaber der Armee General Min Aung Hlaing an diesem Montag, auf den ich schon eingegangen bin, und zweitens sein Besuch beim obersten buddhistischen Rat der Sangha am Mittwoch, der von seiner Autorität her eine Art „Vatikan“ in dem buddhistischen Land darstellt. Diese offizielle religiöse Stelle ist gegen fundamentalistische Kräfte, hat etwa auch die Verfolgung der Rohingya verurteilt. Der Papst sucht hier den Schulterschluss und wird damit Dialog und ein friedliches Miteinander der Religionen vorantreiben. Hier muss man bedenken, dass es ein regelrechtes Netzwerk buddhistischer Klöster im Land gibt, die Bildungszentren sind und großen Einfluss haben. Hier lässt sich also viel bewirken, wenn es um die Eindämmung radikaler Tendenzen gehen soll.

(vatican news)

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27. November 2017, 15:09