Papst: Mut und Ehrlichkeit gegen Menschenhandel
Mario Galgano – Vatikanstadt
Fünf Fragen, fünf Antworten: Es war ein offenes Gespräch des Papstes, der mit den Teilnehmern, die aus verschiedenen Ländern stammten, über die Gründe des Menschenhandels in der heutigen Zeit nachdachte. Bereits die erste Frage eines afrikanischen Flüchtlings, der in Italien mit Vorurteilen zu kämpfen hat, brachte das Hauptproblem ans Tageslicht: Voreingenommenheit und Wegschauen. Es brauche Mut und Ehrlichkeit, um gegen Menschenhandel vorzugehen.
„Sicherlich gibt es zum Thema Menschenhandel viel Unwissenheit. Doch manchmal scheint es, dass auch der Wille fehlt, dieses Problem überhaupt verstehen zu wollen. Weshalb? Weil es unser Gewissen ganz nahe berührt, weil es eklig ist, weil wir uns dann schämen“, so die Erläuterung des Papstes.
Papst sieht Zusammenhang zwischen Menschenhandel und Billig-Kultur
Hinzu komme, dass die meisten Menschen auch durchaus von Menschenhandel profitieren - sei es direkt als „Menschenhändler“, sei es indirekt als „Kunde von billigen Produkten und Dienstleistungen“.
„Die Arbeit der Sensibilisierung muss zuhause beginnen, und zwar bei uns selber, weil es nur dann gelingen kann, die ganze Gemeinschaft darauf aufmerksam zu machen. Es ist wichtig, sich gegenseitig darin zu bestärken und aufzufordern, dem Menschenhandel ein Ende zu bereiten“, fügte Franziskus an.
Jugendliche hätten es vielleicht einfacher, weil sie oft weniger Vorurteile hätten und enthusiastischer zu solchen Aktionen seien, doch dies dürfe für niemanden eine Ausrede sein. „Was mich betrifft, so habt ihr bestimmt festgestellt, dass ich immer wieder offen gegen den Menschenhandel gesprochen habe“, so der Papst weiter. Jeder trage eine Verantwortung, und jeder könne auch einen wichtigen Beitrag leisten.
Die zweite Frage kam von einer italienischen Schülerin. Sie wollte vom Papst wissen, wie die Kirche und die Jugend konkret gegen Menschenhandel vorgehen könnten. Ihrer Meinung nach sollten die „social media“ eine Schlüsselrolle einnehmen.
Auch Facebook kann nützlich sein
„Geht in eure Pfarreien, zu euren Vereinen, trefft Menschen und hört ihnen zu“, so der Ratschlag des Papstes. Das Risiko bestehe darin, dass Menschenhandel zu einem abstrakten Thema verkomme, das man nur noch „auf dem Papier“ betrachte und behandle. „Wir müssen stattdessen eine Kultur der Begegnung fördern, die in sich viel Reichtum und große Überraschungen birgt. Der heilige Paulus dient uns als Beispiel: Dank Christus wurde der Sklave Onesimus befreit und wurde zu mehr als einem Sklaven, nämlich zu einem hochgeschätzten Bruder.“
Konkrete Schritte wären beispielsweise die Öffnung der Pfarreien für Bedürftige, so Franziskus. Auch Facebook & Co. könnten nützlich sein, sagte er weiter. Man müsse aber achtgeben, dass man diese neuen Technologien auch wirklich positiv nutze, sonst riskiere man genau das Gegenteil: die Isolierung der Menschen. Auch diesmal wieder gab es konkrete Ratschläge: „Benützt also das Internet, um positive Begebenheiten eurer Erlebnisse bei Begegnungen zu verbreiten. Teilt die guten Dienste und die erfolgreichen Erfahrungen!“
Die dritte Frage kam wiederum von einem Flüchtling aus Afrika. Das Mädchen wollte vom Papst wissen, wie man die Bedürftigen und Hoffnungslosen in den armen Ländern vor den Gefahren des Menschenhandels warnen könne.
Der Papst erinnerte daran, dass auch in der Bibel Geschichten von Menschenhandel beschrieben werden. „Denkt an die älteren Brüder des jungen Josef, die ihn als Sklaven verkauft hatten, und so kam er als Sklave nach Ägypten“, erinnerte der Papst. Oft seien es Familienangehörige, Bekannte und Freunde, die in diesem Bereich zu Tätern würden. Hintergrund sei eine perverse Einstellung, bei der man Mitmenschen „wie Abfall betrachtet“.
Ein gutes Gegenmittel sei die Erziehung und die Bildung, so der Papst. Eine „gute Schule“ oder eine „gesunde Pfarrei“ könnten schon viel dazu beitragen, jungen Menschen in den betroffenen Ländern die Augen zu öffnen. Gerade junge Menschen seien auf der Suche nach Bezugspersonen, und da sei es wichtig, dass sie lernten, ihre eigene Identität zu stärken und sich nicht von anderen Menschen täuschen zu lassen.
Arbeitsplätze und Schulen sind wichtig gegen Wegwerf-Kultur
Es folgte die vierte Frage von einem römischen Schüler, der das Thema als „offene Herausforderung“ betrachtete, weil es nicht einfach und selbstverständlich sei, eine fremde Kultur aufzunehmen. Außerdem stelle er fest, dass der offene Umgang mit dem Thema Menschenhandel für viele ein Problem sei, weil sie lieber in einer Kultur der Korruption und des Ausbeutens leben würden, solange ihnen das persönlich Vorteile bringe.
„Wenn Länder in absoluter Armut, Gewalt und Korruption leben, dann sind auch die Wirtschaft, die Gesetze und die grundlegenden Infrastrukturen nicht garantiert. Da können die Täter auch ungestraft vorgehen“, stellte Franziskus fest. Das sei jene Lebenswelt, in der die organisierte Kriminalität agieren könne. Wo hingegen die Menschen sich weiterentwickeln können, da hätten die „Menschenhändler“ keine Chance. Deshalb seien Arbeitsplätze und zuvor gute Schulen wichtig, um das ganze Übel der „Wegwerf-Kultur“ vorzubeugen.
Der Papst kritisierte – ohne sie jedoch namentlich zu nennen – alle Staaten, die den Menschenhandel „mit rüpelhaften Methoden“ bekämpfen. Denn sie gingen zwar gegen das Übel an, ließen aber die eigentlichen Ursachen des Problems unberührt. „Ich hoffe sehr, dass ihr den Politikern und Regierungen sowie den Führern der Wirtschaft und Gesellschaft dies weitergeben könnt, dass nur der Zugang zu Bildung und gerechte Arbeitsplätze wirksam gegen Menschenhandel sind“, so der Papst. Jeder müsse in diesem Bereich mit anpacken und helfen:
Hauptgrund für Menschenhandel ist Egoismus
„Lasst es mich klar sagen: Wenn es so viele Mädchen auf den Straßen unserer Städte gibt, sind jene Männer schuld – junge und ältere –, die bereit sind, zu bezahlen, um ihre eigene Gelüste zu stillen. Da frage ich mich, sind denn wirklich nur die Kriminellen des Menschenhandels die Schuldigen? Ich glaube, dass der Hauptgrund des Menschenhandels der skrupellose Egoismus vieler Menschen ist, die als Heuchler in unserer Welt leben.“
Die fünfte und letzte Frage an den Papst behandelte das Thema der Frauen als schwächste Glieder in vielen Gesellschaften und die Rolle der Jugend in der Kirche:
„Ich hoffe sehr, dass jene Jugendliche, die in den Peripherien dieser Welt leben, die Protagonisten der Jugendsynode sein werden“, antwortete Franziskus. Die Synode werden ihnen eine Bühne bieten, um den Mächtigen der Welt eine klare Botschaft vermitteln zu können.
„Die katholische Kirche will an der Seite der Schwächsten sein. Wir wollen sie davor behüten, in die Fänge von Kriminellen zu geraten, wir wollen sie befreien, falls sie gefangen werden, wir wollen bei ihnen sein, sobald sie wieder befreit werden. Oft ist es ja so, dass befreite Opfer kein Vertrauen mehr in andere Menschen haben. Für sie ist dann die Kirche der letzte Hoffnungsanker“, schloss Franziskus seine Gedanken ab.
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