Vatikan: Erfurter Kirchenrechtlerin berät Papst zum Thema Kinderschutz
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Vorsitzender der Kommission ist weiterhin der US-amerikanische Kardinal Seán Patrick O'Malley, den Franziskus im Amt bestätigte. Auch der in Rom stationierte deutsche Jesuit Hans Zollner, einer der berufensten Fachleute zum Thema Kinderschutz, bleibt Mitglied. Insgesamt gehören der Kommission nun 16 Mitglieder an, acht Frauen und acht Männer.
Unter den neun neuen Angehörigen der Kommission sind auch solche, die selbst als Minderjährige Missbrauch durch Kleriker erlitten, wie es in einer Mitteilung der päpstlichen Kinderschutzkommission weiter heißt. Sie hätten allerdings entschieden, das nicht öffentlich zu machen, sondern diese Erfahrung ausschließlich in der Kommission einzubringen. Die Kinderschutzkommission unterstütze das Recht jedes Opfers, sich öffentlich über den Missbrauch zu äußern. Schon in ihrer ersten Besetzung hatten dem Gremium zwei Opfer angehört; beide legten allerdings vorzeitig ihr Amt nieder, aus Protest über die aus ihrer Sicht zu langsamen Fortschritte.
Die neuen Mitglieder der päpstlichen Kinderschutzkommission stammen aus allen Kontinenten. Aus Europa sind neben der aus den Niederlanden stammenden Universitätsprofessorin die britische Ordensfrau Jane Bertelsen und der italienische Kinderpsychiater Ernesto Caffo vertreten. Bertelsen ist Vizepräsidentin der nationalen Kinderschutzkommission im Vereinigten Königreich, Caffo gründete die Kinderschutz-Hotline „Telefono Azzurro". Der Australier Neville John Owen, ein früherer Richter, leitet den nationalen Kinderschutz-Rat für Wahrheit, Gerechtigkeit und Heilung. Die indische Ordensfrau Arina Gonsalves und die aus Tonga stammende katholische Pädagogin Sinalelea Fe'ao vertreten Asien. Aus Amerika in die Kommission berufen sind die US-Expertin Teresa Kettelkamp und der brasilianische Mitgründer der Drogenheilanstalt „Facenda da Esperanza“, Nelson Giovanelli Rosendo dos Santos. Der Äthiopier Benyam Dawit Mezmur leitet der Kinderrechts-Komitee der UN.
Die nächste Vollversammlung der Kinderschutzkommission wird im April stattfinden und mit einem Treffen mit Missbrauchsopfern beginnen, wie es in der Ausssendung heißt. In Planung ist überdies eine internationale Beratergruppe, die aus Überlebenden von Missbrauch in der Kirche aus allen Teilen der Welt besteht.
Aufgaben der Päpstlichen Kinderschutzkommission
Franziskus hatte die Päpstliche Kommission für den Schutz von Minderjährigen im März 2014 ins Leben gerufen. Die Einrichtung war die erste Konsequenz aus den Empfehlungen der Kardinalsgruppe („K9“), die den Papst bei der Kurienreform berät. Die Kommission ist eine vatikanische Zentralstelle für den Kampf gegen Missbrauch von Minderjährigen durch Kleriker oder im Rahmen der Kirche. Sie erarbeitet Leitlinien zur Prävention des Missbrauchs von Kindern, Heranwachsenden und schutzbedürftigen Erwachsenen.
Was Franziskus tat
Die beratende Arbeit der Kommission zeigte sich auch in verschiedenen Initiativen des Papstes. So empfing Franziskus wenige Monate nach der Gründung der Kommission sechs Missbrauchsopfer, darunter zwei Deutsche, in seiner Residenz Santa Marta, hörte jedem einzeln eine halbe Stunde zu und feierte mit ihnen die Messe; in der Predigt bekannte er vor den Opfern: „Es gibt keinen Platz in einem kirchlichen Dienstamt für jene, die diesen Missbrauch begehen.“ Im Jahr darauf entzog Franziskus dem schottischen Kardinal Keith Patrick O’Brien, der sich Seminaristen unsittlich genähert hatte, die Kardinalsvorrechte, eine äußerst seltene Kirchenstrafe. Mit dem Erlass „Wie eine liebende Mutter“ regelte der Papst im Juni 2016 die Absetzung von Bischöfen und Ordensoberen, die Missbrauch vertuschen oder sonst ungeeignet darauf reagieren. Bei seiner jüngsten Ansprache vor den Angehörigen der Kommission vom 21. September 2017 wiederholte Franziskus, sexueller Missbrauch sei „eine schreckliche Sünde, die dem, was Christus und die Kirche uns lehren, vollkommen entgegensteht und widerspricht“.
Wie sehr sich die Glaubwürdigkeit sogar des Papstes heute am Umgang mit Missbrauchsfällen bemisst, war Im Zug seiner Reise nach Chile Anfang 2018 zu spüren. Am Rand des Besuchs in dem südamerikanischen Land verteidigte Franziskus zunächst einen von ihm eingesetzten Bischof, dem Kritiker vorwerfen, er habe Missbrauch durch einen Priester gedeckt. Gegen den Bischof lägen keine Beweise vor, sagte der Papst. Auch der Leiter der päpstlichen Kinderschutzkommission, Kardinal O´Malley, kritisierte die Aussage als zwiespältig für Opfer. Daraufhin lenkte Franziskus ein und beschloss, seinen erfahrensten Untersuchungsrichter in Missbrauchsfällen nach Chile zu entsenden. Erzbischof Charles Scicluna wollte an diesem Samstag in Philadelphia mit einem mutmaßlichen Opfer des chilenischen Priesters sprechen, den Bischof Barros – seinen Kritikern zufolge - gedeckt haben soll.
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