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Petra Reski: „Auch Deutschland braucht Anti-Mafia-Organisationen“

Die Mafia verdient in Italien viel Geld mit illegalen Glücksspielen. Der Papst empfängt an diesem Samstag Opfer dieser üblen Machenschaften in Privataudienz. Ein Gespräch mit der deutschen Mafia-Expertin Petra Reski.

Mario Galgano - Vatikanstadt

Die Glücksspiel-Mafia hat Italien im Griff. Hunderte illegale Automaten bringen ihr Millionengewinne. Ganze Familien sind daran schon zugrunde gegangen; die üblen Machenschaften gehen auf Kosten von Menschen, die in die Spirale der Spielsucht geraten. Wir sprachen über die Macht der Mafia mit der in Venedig lebenden Expertin für organisierte Kriminalität, der deutschen Journalistin Petra Reski.

VN: Weshalb ist die Mafia so stark im Bereich der Glücksspiele involviert? Was interessiert die Mafia daran?

Reski: Bei den Glückspielen geht es vor allen Dingen darum, dass da eben Bargeld eingesetzt wird. Überall, wo Bargeld eingesetzt wird, kann sie damit Geldwäsche betreiben. Die Glückspiel-Automaten sind dazu für sie sehr nützlich, denn damit kann die Mafia ihre Investitionen anders deklarieren und es ist für sie einfacher, dies auszudrücken. Deswegen sind fast alle Glücksspiel-Automaten in Italien in Hand vor allem der sogenannten Ndrangheta, aber natürlich auch anderer Mafia-Organisationen.

VN: Was unternimmt der italienische Staat dagegen?

Reski: Er versucht irgendwie Gesetze dagegen zu erlassen, aber das war bisher noch nicht ganz effektiv. Das ist ein Bereich, der nach wie vor schwierig ist. Zwar wurde in der letzten Legislaturperiode ein neues Gesetz zur besseren Kontrolle der Glücksspiel-Automaten versucht durchzusetzen, aber was immer noch nicht erreicht wird, ist die Bekämpfung der Geldwäsche mit diesem Mittel und der Beteiligung der Mafia an der Glücksspiel-Industrie. Das ist ein Thema, das zumindest im italienischen Parlament angesprochen wurde. Ich glaube, das war die Fünf-Sterne-Bewegung, die das tat.

 

„Das hat damit zu tun, dass die italienischen Banken aufgrund der seit 16 Jahren dauernden Wirtschaftskrise in Italien kaum Kredite geben“

 

VN: Ein weiteres Betätigungsfeld der Mafia ist die Wucherei. Was hat es damit auf sich?

Reski: Das hat damit zu tun, dass die italienischen Banken aufgrund der seit 16 Jahren dauernden Wirtschaftskrise in Italien kaum Kredite geben. Deswegen wenden sich viele Unternehmer in ihrer Not der Mafia zu, die sich als solche nicht zu erkennen gibt. Ein Mafia-Boss bietet dann an, dass er dem Unternehmen Geld ausleihen kann. Das kann manchmal sogar wie offiziell aussehen. Es gab beispielsweise einmal eine Geschichte, bei der es um eine Art Leasing ging. Man kann nur etwas leasen, was man dann wieder zurückgibt. Wenn man aber beispielsweise für Bodenbelage oder für Renovierungsarbeiten Leasing vergibt, dann ist das meistens eine Geschichte, bei der es letztlich um Geldwäsche geht.

Bei der Wucherei werden Unternehmer von der Mafia fast stranguliert unter den hohen Wucherzinsen. Sie können dann nichts mehr machen, als ihr gesamtes Unternehmen der Mafia zu überlassen, und so ist die Mafia an ganz viele Unternehmen gekommen. Am Anfang war das nur in Süditalien so, doch wegen der Wirtschaftskrise ist das auch in Norditalien geschehen. Gerade in Norditalien, wo es so viele kleine Familienunternehmen gibt, war ganz oft die Mafia mit Wuchergeschäften drin. Da hat man von Unternehmern gehört, die sich erhängt haben, weil fast immer dahinter die Mafia stand. Sie haben diese Unternehmen in Not gebracht, weil sie ihre Kredite nicht abbezahlen konnten.

VN: Es gibt ja kirchliche, aber auch nicht-kirchliche Hilfsorganisationen, die diesen Mafia-Opfern beistehen. Welche Rolle spielen sie in Italien, und was halten die Italiener davon?

Reski: Es gibt sehr viele Organisationen in jeder Hinsicht zur Schutzgeld-Erpressung, auch was Wucherei betrifft. Diese Hilfsorganisationen sind extrem wichtig. Sie werden von den Italienern wahrgenommen; das sind Organisationen, die die wichtigsten Ansprechpartner für Opfer sind. Deswegen werden sie auch vom italienischen Staat unterstützt - aber eigentlich nicht hinreichend, wenn man bedenkt, dass bei ihrer Arbeit sehr viele ehrenamtlich tätig sind. Es ist aber für die Opfer in schwierigen Momenten die einzige Möglichkeit. Im Übrigen wäre es auch sehr notwendig, wenn es auch in Deutschland solche Anti-Mafia-Organisationen gäbe, denn viele Italiener in Deutschland werden im Gastronomiebereich genauso erpresst wie ihre Kollegen in Italien, und deswegen wäre es sinnvoll, wenn wir solche Hilfsorganisationen hätten.

Hier das ganze Gespräch zum Nachhören

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02. Februar 2018, 15:56