Die Päpste und der Weltfrauentag
Stefan von Kempis und Gudrun Sailer – Vatikanstadt
Vatican News: Der Weltfrauentag hat keine christliche Vorgeschichte, inwiefern ist er trotzdem im Vatikan Thema?
Gudrun Sailer: Das ist richtig, der Weltfrauentag ist eine sozialistische Erfindung, rund 100 Jahre alt. Aber das Christentum war immer stark darin, von Anbeginn an, Festtage anderer Traditionen einzugemeinden, auch UNO-Gedenktage beispielsweise. Und so auch der Weltfrauentag. Soweit ich sehe, hat als erster Papst der heilige Johannes Paul II. öffentlich den Weltfrauentag genannt und gewürdigt: beim Angelusgebet am 8. März 1987, da stand die Berliner Mauer noch. Und seither haben sowohl Johannes Paul als auch Benedikt XVI. und Franziskus an jedem 8. März, der auf einen Sonntag fiel (1987, 1992, 1998, 2009 und 2015), die kleine Ansprache beim Angelusgebet genutzt, um über Frauenrechte und Frauenanliegen zu sprechen.
Vatikan News: Das ist ein überraschender Befund. Wie sah denn solch öffentliches Eintreten der Päpste für die Frauenrechte zum 8. März aus, und hat sich das inhaltlich im Lauf der Zeit verändert?
Gudrun Sailer: Zunächst war ja Johannes Paul II. durchaus mutig, den Weltfrauentag, zumal als Papst aus einem kommunistischen Land, das 1987 nach wie vor kommunistisch regiert war, überhaupt anzusprechen. Er hat es etwas verschämt getan, bei den Grüßen: Auf dem Petersplatz waren zum Weltfrauentag katholische Frauenverbände anwesend, die gerade in Rom eine Tagung über Demokratie und Frauen hatten. Da sagte Johannes Paul, die Kirche habe ein Interesse an der Präsenz der Frau in der Gesellschaft, vor allem, was ihre „Rolle im Bereich der Familie“ anlangt - darin darf man einen päpstlichen Reflex auf die erwünschte bis erzwungene weibliche Berufstätigkeit von Frauen in sozialistisch regierten Staaten sehen. Johannes Paul spricht aber auch schon bei diesem ersten Mal von der „berechtigen Anerkennung der sozialen und zivilen Rechte“ der Frauen. Beim nächsten Mal verweist er auf die Menschenrechte und beklagt, dass mancherorts immer noch jungen Frauen das Recht auf Bildung verwehrt werde. Und dieser Akzent, die Stärkung der Rechte der Frauen in der Gesellschaft, ihre Präsenz und ihre Rolle in der Öffentlichkeit, das wird von Mal zu Mal stärker bei diesen Angelusgebeten zum Weltfrauentag. 1988 schrieb Johannes Paul „Mulieris Dignitatem“, ein lehramtliches Dokument über die Würde der Frau, sowie 1995 seinen „Brief an die Frauen“ - er hat sich mit den Anliegen auf vielen Ebenen auseinandergesetzt.
Vatican News: Inwieweit geht es dabei auch um die Frau in der Kirche?
Gudrun Sailer: Es ist interessant, dass die Päpste zum 8. März fast immer über die Frau in der Gesellschaft sprechen und allenfalls am Rande über die Frau in der Kirche. Die Päpste verweisen, natürlich zu Recht, auf die großen Lücken im Gewebe der Frauenrechte, die, grob gerechnet, eineinhalb Jahrhunderte nach dem Einsetzen der Frauenbewegung auch in Europa immer noch bestehen. Bisher hat aber noch kein Papst zum 8. März darüber gesprochen, dass etwa die Frauen in der Kirche noch nicht an dem Platz wären, der ihnen zustünde.
Vatican News: Dabei wäre eine solche Aussage doch im Sinn von Papst Franziskus?
Gudrun Sailer: Durchaus. Franziskus hat ja erst kürzlich wieder aufhorchen lassen mit dem Satz: „Sogar in der Kirche wird die dienende Rolle, zu der jeder Christ gerufen ist, manchmal für Frauen eher zu einer Knechtschaft“, das hat er ähnlich, sogar noch stärker schon zu Beginn seines Pontifikats einer katholischen Frauengruppe im Vatikan gesagt (12.10.2013): Er leide, wenn er sehe, wie Frauen in der Kirche in eine dienende Rolle gedrängt werden. Er sieht also nicht nur in der Welt, sondern auch in der katholischen Kirche noch eine Menge Spielraum für Frauen, und zwar zum Segen vor allem der Kirche. Franziskus betrachtet Frauen als wirksames Gegenmittel zu Klerikalismus, überzogener Härte, Unbarmherzigkeit in der katholischen Kirche.
Vatican News: Dazu passt, dass Franziskus der Kirche soeben ein neues Marienfest geschenkt hat: Maria Mutter der Kirche, das Fest wird am Pfingstmontag gefeiert werden.
Gudrun Sailer: Und passenderweise kam das Dekret pünktlich vor dem Weltfrauentag! Franziskus hat 2014 einmal eine wundervolle Katechese bei der Generalaudienz über die Kirche als Mutter gehalten. Als Christen sind wir alle sind in der Kirche geboren, wir sind keine Waisen, wir haben eine liebende und couragierte Mutter: die Kirche, deren Mutter Maria ist. Zugleich sind wir alle zusammen die Kirche. Frauen und Männer, Priester und Getaufte müssen, sagt Franziskus, diese Mutterschaft der Kirche sichtbar machen. Mein Eindruck ist, in diesem neuen Marienfest liegt noch allerhand dogmatisches Potential.
Vatican News: Franziskus ist seit nahezu fünf Jahren Papst. Was hat er in diesen fünf Jahren für die Anliegen der Frau in der Kirche getan?
Gudrun Sailer: Einiges. Er hat eine Theologie der Frau angeregt, weil die aus seiner Sicht fehlt. Er hat Maria Magdalena liturgisch den zwölf Aposteln gleichgestellt. Er wäscht am Gründonnerstag auch Frauen die Füße und hat dekretiert, dass das alle Priester auf der Welt tun sollen. Er hat eine Kommission zum Studium des Frauendiakonats eingesetzt. Was seinen unmittelbaren Verwaltungsbereich anlangt: Am Heiligen Stuhl hat er an einem Tag die Zahl der weiblichen Untersekretäre verdoppelt. Von zwei auf vier - zugegeben, das ist noch immer wenig, aber es gibt eben jetzt zum ersten Mal am Heiligen Stuhl zwei weibliche Untersekretäre, die Familie und Kinder haben, auch das ist eine Entwicklung. Franziskus hat eine Frau zur Direktorin der Vatikanischen Museen bestellt, eines der zehn größten Museen der Welt. Und er hat: geredet, geredet, geredet, über und mit Frauen, er hört ihnen zu, hört auch kritische Stimmen. Er hat selbst, meine ich, keine genaue Vorstellung vom Ort der Frau in der Kirche, aber er lädt Frauen ein, ihre Vorstellungen zu formulieren. Diese Konstellation ist für einen Papst heute schon ziemlich gewagt. Ich meine, Franziskus hat für die Frau in der Kirche Räume geöffnet, die vorher verschlossen aussahen.
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