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Papst Johannes Paul II. nach seiner Wahl auf der Loggia des Petersdoms Papst Johannes Paul II. nach seiner Wahl auf der Loggia des Petersdoms 

Drei-Päpste-Jahr 1978: „August-Konklave war die Hölle"

Drei Päpste in einem Jahr: Vor 40 Jahren ist dieser seltene Fall eingetreten. In seine heiße Phase trat das Drei-Päpste-Jahr mit dem Tod von Papst Paul VI. am 6. August 1978. Wir sprachen darüber mit dem Historiker und Vatikanjournalisten Ulrich Nersinger.

Gudrun Sailer - Vatikanstadt

Vatican News: Ulrich Nersinger, wie waren die Umstände des Todes von Papst Paul VI.?

Ulrich Nersinger: „Der Sommer 1978 war ein bedrückender Monat. Ich selber war in diesem Monat in Rom und bei der letzten Generalaudienz dabei, die der Papst in der Audienzhalle hielt. Damals waren die Umstände schon sehr bedrückend und sehr traurig. Es war höchstens ein Viertel der Audienzhalle gefüllt. Dort erlebten wir einen Papst der sehr niedergeschlagen, sehr niedergedrückt war. Er fand zwar sehr schöne Worte, aber man merkte ihm an, dass es eigentlich das Ende des Pontifikats war."

Hier unser Interview zum Hören:

Vatican News: Erfahrene in Rom stationierte Journalisten erinnern sich an das Jahr 1978 auch deshalb als besonders dicht, weil im Mai 1978 der Politiker Aldo Moro ermordet wurde, mit dem Papst Paul VI. befreundet war. Wie sehr nahm das den Papst mit?

Nersinger: „Natürlich hat der Tod von Aldo Moro den Papst sehr niedergedrückt und sehr traurig gemacht. Das war ihm bei der Messe anzusehen, der der Papst beiwohnte, die er gar nicht mehr selbst zelebrieren konnte. Aber es waren die ganzen Umstände des Jahres 1978, die dem Papst sehr stark zu schaffen gemacht haben. Es war das Jahr der „Roten Brigaden“, das Jahr der Entführungen, der Anschläge. Das hat den Papst sehr mitgenommen. Aldo Moro, der ja auch ein enger Freund des Papstes war – man kann fast sagen, ein Weggefährte des Papstes – wurde insbesondere von Paul VI. sehr unterstützt, genauso wie seine Linie innerhalb der Partei ‚Democrazia Cristiana'. Er hat sich sogar als Geisel angeboten und das war durchaus ernst gemeint."

Vatican News: Paul VI. gilt heute gemeinhin als intellektueller und vom Volk wenig verehrter Papst. Wie reagierten die Menschen auf seinen Tod?


Nersinger: „Sie reagierten betroffen. Ich hatte manchmal den Eindruck, dass manche Leute ihn fast vergessen hatten und er mit seinem Tod wieder in ihre Erinnerung kam – auch positiv. Denn er war ja der Papst, der das Zweite Vatikanische Konzil glücklich zu Ende geführt hat. Und der doch viele Anstöße gegeben hat – sowohl durch sein soziales Engagement, durch sein Friedensengagement, durch seine Erneuerung der Liturgie. Das wurde bei seinem Tod vielen Leuten wieder in Erinnerung gerufen."

Vatican News: Das erste Konklave von 1978 war für die teilnehmenden Kardinäle besonders schwierig, was sich der extremen Hitze zuschreiben lässt. Was drang von der Atmosphäre bei dieser Papstwahl nach außen?


Nersinger: „So seltsam das klingt: Für die meisten Kardinäle war es die Hölle. Es herrschten nicht diese klimatisch doch sehr guten Bedingungen wie heute. Alle Kardinäle waren im apostolischen Palast untergebracht, und der ist nicht gerade bekannt dafür, dass er ein sehr kühler Ort ist. Alles, wirklich alles wurde verplombt, jedes Fenster. Das war für die Kardinäle so schlimm, dass sie sich selbst halfen: Sie haben die Tische und Stühle an die Fenster geschoben und mit allem möglichen Werkzeug versucht, die Plomben zu lösen. Ich war damals in einem Pilgerheim untergebracht, in dem auch Kardinal Silvio Oddi wohnte. Den habe ich damals gefragt, wie er denn das Konklave erlebt hatte. Er hat dafür einen Ausdruck verwendet, der eigentlich für einen Kardinal unüblich ist – er verwendete das Wort ‚crepare‘, also krepieren. Er sagte: ‚Wir wären fast krepiert‘."

Vatican News: Gewählt wurde Johannes Paul I., dessen Pontifikat nur 33 Tage dauern sollte. Welchen Eindruck gewann die Öffentlichkeit von diesem wohl letzten italienischen Papst für eine Weile?

Nersinger: „Gewaltig positiv. Das erste Auftreten war schon ein unglaubliches Ereignis. Man sah einen lächelnden, einen freundlichen Papst. Aber nicht nur dieses vielleicht oberflächliche Erscheinungsbild war wichtig, sondern die dann folgenden wenigen Katechesen bei den Generalaudienzen. Da merkte man: Dieser Papst war ein Geschenk für die Kirche. Ich habe danach keine Ansprachen mehr erlebt, die so lebendig waren, die den Leuten so nahegingen, aber trotzdem theologisch sehr inhaltsvoll waren. Ich kann jedem nur empfehlen, sich diese Ansprachen von Johannes Paul I. anzuschauen. Wir haben diesen Papst alle als unglaubliches Geschenk empfunden."

Vatican News: Nach seinem Tod entstand sofort der Eindruck, der Papst sei vergiftet worden. Was wissen wir heute über seine Todesumstände?

Nersinger: „Wir wussten eigentlich schon relativ früh, dass diese ganzen Hypothesen nicht wahr waren. Der Papst ist wirklich gestorben, weil er krank war. Sein Herz hat nicht mehr gut funktioniert. Es ist daraufhin leider zu einer sehr verfehlten und schlimmen Verschleierungspolitik des Vatikans gekommen, auch die Pressemitteilung war fatal. Der Papst war nämlich von einer Ordensschwester bei der Lektüre von Akten und diversen Dokumenten aufgefunden worden. So etwas konnte der Vatikan in der damaligen Zeit aber nicht verlautbaren lassen. Der Papst musste von seinem Privatsekretär gefunden werden, er durfte nicht beim Aktenstudium, sondern nur bei der Lektüre einer frommen Schrift der Nachfolge Christi aufgefunden werden."

Vatican News: Der Vatikan hat also tatsächlich gelogen?

Nersinger: „Man kann es so sehen, man sollte es auch so sagen. Es waren fatale Unwahrheiten und Lügen, denn sie haben ein Bild entworfen, das viele – vor allem Schriftsteller und Autoren - dazu verleitet, Verschwörungstheorien und Mordtheorien zu verbreiten, die bis heute nachwirken. Denken wir an die großen Romane von verschiedenen Autoren. Der dritte Teil von „Der Pate“ greift dieses Thema zum Beispiel auf. Das wirkt heute leider noch immer nach."

Vatican News: Das zweite Konklave von 1978 war nicht ganz so heiß, dafür sehr ungewöhnlich, weil zum ersten Mal seit mehr als 400 Jahren ein Nicht-Italiener gewählt wurde: der Pole Johannes Paul II. - wie kam es dazu?

Nersinger: „Die Wahl lässt sich durch verschiedene Umstände erklären. Zunächst gab es ein Intrigenspiel: Wir hatten zwei italienische Kardinäle, Kardinal Benelli und Kardinal Siri, die verschiedene Richtungen in der Kirche repräsentierten. Das führte dazu, dass die Lager, die diese beiden Kandidaten unterstützen, sich gegenseitig blockierten. Also suchte man einen Kompromisskandidaten, der jung war, der nicht wie Johannes Paul der I. doch ein gewisses Alter erreicht hatte. Auch den lieben Gott und den heiligen Geist würde ich nicht ganz vernachlässigen. Im Zusammenspiel all dieser Sachen wählte man dann Johannes Paul II., also Karol Józef Wojtyła. Das wiederum war natürlich ein Glücksfall."

Vatican News: Sie können sich bestimmt gut an den Pontifikatsbeginn von Johannes Paul II. erinnern. Was hat die Menschen daran besonders fasziniert?

Nersinger: „Auch da war es das Auftreten. Ich denke an das erste Auftreten auf dem Balkon des Petersdoms, wo er den Zeremonienmeister zurechtwies, der mehrfach ‚Basta‘ sagte und der Papst das aber ignorierte. Viel wichtiger aber war die Messe zum Amtsantritt, wo er rief: „Öffnet Christus eure Pforten! Öffnet Christus alle Pforten!“ Er hielt den Menschen daraufhin seinen Kreuzstab entgegen. Das war ein Zeichen für einen ganz neuen Aufbruch, den er wirklich eingeleitet hat."

(Vatican News)

 

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03. August 2018, 14:10