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Papst Franziskus spricht zu Jugendlichen Papst Franziskus spricht zu Jugendlichen 

Franziskus an Jugendliche: „Die großen Träume beziehen andere ein“

Papst Franziskus hat Jugendliche dazu ermutigt, große statt egoistische Träume für ihr Leben zu haben und keine Kompromisse in der Liebe einzugehen. Bei der Begegnung mit Zehntausenden italienischen Jugendlichen in Rom warnte der Papst auch vor der Versuchung des Klerikalismus, der versuche, Jesus „einzusperren“ und durchaus auch Laien betreffe.

Kleine, egoistische Träume vom eigenen Leben sind solche, die „dich im Leben sterben lassen“, sagte der Papst den jungen Leuten. Das seien „Träume der Bequemlichkeit, Träume der bloßen Wellness“. Es gelte im Gegenteil, groß zu träumen, und große Träume beträfen das „Wir“. Papst Franziskus sprach vor über 70.000 Jugendlichen in Rom im Circus Maximus, das Abendgebet gehörte zum abschließenden Teil einer Stern-Wallfahrt, Jugendliche aus ganz Italien waren in den vergangenen Wochen Richtung Rom gewandert, unter anderem auch in Vorbereitung auf die Bischofssynode zum Thema Jugend im Oktober diesen Jahres.

Hier zum Hören:

„Mir hat einmal ein Priester eine Frage gestellt“, erzählte Franziskus, „die Frage: was ist das Gegenteil von ich? Und ich bin naiv in die Falle getappt und habe gesagt: ,Das Gegenteil von ich ist du.´ – ,Nein, Pater, das ist der Same des Kriegs. Das Gegenteil von ich ist wir.´ Die echten Träume sind die Träume des Wir!", sagte der Papst, „die großen Träume sind inklusiv, sie beziehen die anderen mit ein, sie richten sich nach außen, sie teilen, sie bringen neues Leben hervor.“

Damit die Träume aber groß blieben, so fuhr der Papst fort, bräuchten sie eine Quelle der Hoffnung, und die sei Gott, sonst werde es gefährlich: „Du könntest in Allmachtsphantasien verfallen. Aber mit Gott hab keine Angst: geh voran. Träum groß.“

„Kein Pessimismus. Riskieren, träumen – und vorwärts“

Erwachsene hätten wiederum oft Angst vor den Träumen Jugendlicher, verriet Franziskus. „Vielleicht, weil die Erwachsenen aufgehört haben zu träumen, weil sie aufgehört haben, etwas zu riskieren, weil sie es sich gut eingerichtet haben.“ Zuvor hatte eine junge Frau erzählt, wir der von ihr bewunderte Kunstlehrer ihr geraten habe, auf keinen Fall selber Kunst zu studieren, sondern Wirtschaft. „Das ist eine Falle“, urteilte der Papst, „die Falle des ,Habens´, des Sich- Einrichtens im Wohlstand, damit wir nicht mehr Pilger sind auf der Straße unserer Träume.“

Und mit einem Zitat von Papst Johannes XXIII. warnte Franziskus vor Pessimismus. Johannes habe einmal gesagt: „Ich habe nie einen Pessimisten getroffen, der etwas Gutes zu Ende gebracht hätte.“ Diese Lehre helfe im Leben, so Franziskus: „Kein Pessimismus. Riskieren, träumen – und vorwärts.“

 

Wer träumt, muss riskieren

 

Im selben Tenor beantwortete der Papst die Frage einer anderen jungen Frau nach dem rechten Zeitpunkt für die Liebe und für die Gründung einer Familie. Er riet dazu, Vorläufigkeiten zu vermeiden. „Wählen und selber über uns entscheiden zu können, scheint der höchste Ausdruck der Freiheit. Und auf gewisse Weise stimmt das. Aber die Idee der Wahlfreiheit ist eine Idee der Freiheit ohne Bindungen, ohne Verpflichtungen, und immer mit einem Fluchtweg. Dieses ,Ich wähle, aber’ - das lässt uns nicht träumen und nimmt uns die Freiheit“.

„Die Liebe toleriert kein halbes Maß: ganz oder gar nicht. Die Liebe muss ehrlich sein, offen, mutig“

Die größte Freiheit sei aber die der Liebe. „Warum muss ich meinen Uni-Abschluss machen, ehe ich an die Liebe denke?”, fragte der Papst. „Die Liebe kommt, wann sie will – die wahre Liebe“, und Jugendliche seien sehr wohl dazu in der Lage, die wahre Liebe von einer „als Liebe geschminkten Begeisterung“ zu unterscheiden.

Franziskus bat in diesem Punkt die Eltern, ihren jugendlichen Kindern beim Reifen einer Liebesbeziehung zu helfen, statt sie einfach zu vertagen und etwa eine Ehe in jungen Jahren zu verbieten. „Nein, denn wenn du jetzt heiratest, dann kommen Kinder, und du kannst nicht fertig studieren, wir haben doch so viele Opfer für dich gebracht“, paraphrasierte der Papst den Einwand besorgter Eltern. Die Liebe müsse an erster Stelle stehen, sie zu verschieben bringe sie zum Verschwinden.

 

Die Liebe verschieben bedeutet, sie verschwinden zu lassen

 

„Die Liebe erträgt kein halbes Maß: ganz oder gar nicht. Die Liebe muss ehrlich sein, offen, mutig”, sagte der Papst. „In der Liebe musst du das ganze Fleisch aufs Feuer stellen, so sagen wir in Argentinien.“ Und er verwies auf das biblische Beispiel des Mannes, der seinen gesamten Besitz verkaufte, um diese eine kostbare Perle zu erwerben.

Zuletzt stellte ein junger Mann, der in seinem Beruf Sterbende in einem Hospiz begleitet, ein Bündel von Fragen. Unter anderem wollte er vom Papst wissen, wieso ein guter Gott auch große Ungerechtigkeiten zulasse, und er sagte, Jugendliche ertrügen heute gerade angesichts der Skandale in der Kirche und ihrer äußeren Pracht keine Bevormundung mehr.

„Befehle von oben genügen nicht mehr“

Da gab der Papst ihm recht: „Befehle von oben genügen nicht mehr“, stattdessen sei heute vonseiten der Kirche und ihrer Gläubigen Zeugnis gefragt, also das Handeln im Glauben. „Wenn ich als Christ, ob das ein Laie ist, Mann oder Frau, oder ein Priester, eine Schwester, ein Bischof – wenn wir Christen nicht lernen, die Leiden anzuhören, die Probleme anzuhören, in Stille zu verharren und den anderen sprechen lassen, dann werden wir nie dazu in der Lage sein, eine positive Antwort zu geben. Und so oft kann man die positiven Antworten nicht mit Wörtern geben. Sie müssen gegeben werden, indem man sich selbst im Zeugnis riskiert. Wo es kein Zeugnis gibt, ist kein Heiliger Geist.“

„Oft halten wir Jesus, ohne ihn zu bezeugen, als Gefangenen unserer Formalitäten, unserer Egoismen, unserer klerikalen Lebensart“

„Der Skandal einer formalen und nicht bezeugenden Kirche, der Skandal einer Kirche, die nicht hinausgeht“, fuhr Franziskus fort und verwies auf eine Stelle im biblischen Buch der Offenbarung des Johannes, wo Jesus sagte: Ich klopfe an die Tür, wenn ihr mir antwortet, trete ich ein und esse mit euch. „Jesus will bei uns eintreten. Ich denke oft daran, wie Jesus klopft, aber von innen, damit wir ihn rauslassen. Denn oft halten wir ihn, ohne ihn zu bezeugen, als Gefangenen unserer Formalitäten, unserer Egoismen, unserer klerikalen Lebensart. Klerikalismus, der nicht nur zu den Klerikern gehört, ist eine Haltung, die uns alle angeht: Klerikalismus ist eine Entstellung der Kirche. Jesus zeigt uns den Weg, aus uns selbst hinauszugehen, den Weg des Zeugnisses.“

Der junge Fragensteller sei einer, der jeden Tag aus sich hinausgehe, weil er in jeder Verfassung, ob zufrieden oder traurig, auf kranke Menschen zugehe, „jenseits der Grenzen, die Sicherheit geben“. Die Botschaft Jesu und der Kirche, so der Papst abschließend, „ist ohne Zeugnis nur Rauch“.

(Vatican News – gs)

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12. August 2018, 12:37