Angelus: Pseudo-Mitleid ist auch eine Art der Ausgrenzung
Christine Seuss - Vatikanstadt
In seinen Überlegungen ging der Papst wie gewohnt vom Tagesevangelium (Mk 7, 31-37) aus. Der Evangelist Markus berichtet darin von der Wunderheilung eines Taubstummen durch Jesus. Die Menschen hätten ihm einen Kranken vorgeführt und darum gebeten, dass er ihm die Hand auflege. Doch Jesus habe mit dieser Heilung „mehrere Gesten“ vollzogen, betonte der Papst:
„Er führte ihn zur Seite, weg von der Menge. Bei dieser Gelegenheit, wie auch bei anderen, handelt Jesus immer mit Diskretion. Er will die Menschen nicht beeindrucken, er sucht nicht nach Popularität oder Erfolg, sondern er will nur den Menschen Gutes tun. Mit dieser Haltung lehrt Er uns, dass das Gute ohne Aufsehen und Prahlerei getan werden muss.“
In einiger Entfernung von den anderen habe der Gottessohn dann den Finger in die Ohren des Taubstummen gesteckt und mit seinem Speichel dessen Zunge benetzt, fuhr Franziskus weiter fort. Diese Geste verweise gleichzeitig auf die Menschwerdung Jesu: denn dank seiner eigenen Menschlichkeit könne er „den schmerzlichen Zustand eines anderen Menschen verstehen“ und „mit einer Geste eingreifen, in der seine gesamte Menschlichkeit eingebunden ist,“ so die Überlegungen des Papstes. Gleichzeitig wolle Jesus jedoch deutlich machen, dass „das Wunder durch seine Einheit mit dem Vater geschieht“:
„Aus diesem Grund blickte er zum Himmel auf. Dann seufzte er und sprach das Wort ,Effatà´, was ,öffne dich´ bedeutet. Und sofort wurde der Mann geheilt: Seine Ohren öffneten sich und seine Zunge löste sich. Heilung bedeutete für ihn eine ,Öffnung´ gegenüber den anderen und der Welt“.
Diese Erzählung unterstreiche die Notwendigkeit einer zweifachen Heilung, erläuterte der Papst. Dies sei einerseits die körperliche Heiligung, auch wenn diese „im irdischen Horizont trotz der Bemühungen von Wissenschaft und Medizin nicht vollständig erreichbar“ sei, betonte Franziskus. Doch es gebe eine zweite Heilung, die vielleicht schwieriger sei:
„Und das ist die Heilung von der Angst, von unserer Angst, die uns dazu treibt, die Kranken, die Leidenden, die Behinderten an den Rand zu drängen. Und es gibt viele Wege, um auszugrenzen, auch mit Pseudo-Mitleid oder mit dem Wegschieben des Problems; man bleibt taub und stumm angesichts der Schmerzen der Menschen, die unter Krankheit, Qual und Schwierigkeiten leiden. Zu oft werden die Kranken und Leidenden zu einem Problem, während sie vielmehr als Gelegenheit wahrgenommen sein sollten, die Sorge und Solidarität einer Gesellschaft gegenüber den Schwächsten zu zeigen.“
Auch wir selbst könnten zu Protagonisten dieses „Effatà“ werden, ermunterte Franziskus seine Zuhörer vom Fenster des Apostolischen Palastes aus. Es gehe letztlich dabei darum, „sich für die Bedürfnisse unserer leidenden und hilfsbedürftigen Brüder und Schwestern zu öffnen“, sowie Egoismus und das Verschließen unserer Herzen zu vermeiden.
„Und es ist gerade das Herz, das heißt, der tiefste Kern des Menschen, den Jesus ,öffnen´ will, befreien, um uns fähig zu machen, unsere Beziehung zu Gott und zu anderen voll und ganz zu leben. Er wurde Mensch, damit der Mensch, der durch die Sünde innerlich taub und stumm gemacht wurde, auf die Stimme Gottes hören kann, die Stimme der Liebe, die zu seinem Herzen spricht, und so selbst lernt, die Sprache der Liebe zu sprechen, indem er sie in Gesten der Großzügigkeit und Selbsthingabe übersetzt,“ so der Papst, der im Anschluss die Fürsprache der Gottesmutter Maria, die „sich gegenüber der Liebe Gottes vollständig geöffnet hat“, dafür erbat, dass „wir täglich, im Glauben, das Wunder des „Effatà“ erleben mögen, um in „Gemeinschaft mit Gott und den Geschwistern“ zu leben.
(vatican news)
Danke, dass Sie diesen Artikel gelesen haben. Wenn Sie auf dem Laufenden bleiben wollen, können Sie hier unseren Newsletter bestellen.