Generalaudienz: Papst resümiert seine Reise ins Baltikum
Gudrun Sailer - Vatikanstadt
Am Mittwoch ließ der Papst bei der Generalaudienz auf dem Petersplatz seinen Besuch im Baltikum Revue passieren. Auch auf dem Rückflug von Tallinn nach Rom am Dienstagabend sprach Franziskus über seine Eindrücke von der Reise, ehe er auch Fragen nach dem Abkommen zwischen Heiligem Stuhl und China sowie über Missbrauch in der Kirche zuließ.
„Mein Besuch fand in einem Kontext statt, der sich in Bezug auf das, was dem Heiligen Johannes Paul II. begegnet war, sehr verändert hatte“, sagte Franziskus mit Blick auf die erste Visite überhaupt eines Papstes im Baltikum, 1993, als die drei Länder seit gerade zwei Jahren die Unabhängigkeit von der Sowjetunion erlangt hatten. „Deshalb war es meine Mission, diesen Völkern noch einmal die Freude am Evangelium und an der Revolution der Barmherzigkeit, der Zärtlichkeit zu verkünden“. Freiheit allein nämlich reiche nicht aus, um dem Leben „Sinn und Fülle zu geben“, es brauche auch „die Liebe, die von Gott kommt“. In Zeiten der Prüfung gebe das Evangelium Kraft, in Zeiten der Freiheit könne es den Weg des Einzelnen, der Familie und der Gesellschaft erleuchten.
Ökumene im Baltikum: ein singuläres Phänomen
In Litauen sind die Katholiken die Mehrheit, während in Lettland und Estland Lutheraner und Orthodoxe vorherrschen, aber viele haben sich vom religiösen Leben entfernt, resümierte der Papst. Die Herausforderung in Lettland und Estland bestehe also darin, die Gemeinschaft unter allen Christen zu stärken, die bereits in der harten Zeit der Verfolgung entstanden sei. Bei der „fliegenden Pressekonferenz“ würdigte der Papst die Ökumene, die er im Baltikum erlebt hatte, als „singuläres Phänomen“: „Da ist echte Ökumene: Ökumene zwischen Lutheranern, Baptisten, Anglikanern und auch Orthodoxen.“ In der Kathedrale von Riga, Lettland, sei das besonders spürbar gewesen: „Freunde und Nachbarn. In einer einzigen Kirche: Nachbarn.“
Alle drei baltischen Länder habe er dazu aufgefordert, ihre junge politische Freiheit „immer mit Solidarität und Gastfreundschaft zu verbinden“, wie es auch zur Tradition dieser Länder gehöre. In der Frage der Immigration habe es ihn „sehr berührt", in den Ländern eine „vorsichtige und wohlüberlegte Öffnung" zu sehen, sagte Franziskus. Ausdrücklich würdigte er die drei Länder dafür, dass sie mit Blick auf Immigration keine Neigung zum Populismus zeigten.
Keine Neigung zum Populismus in der Frage der Migration
In Vilnius besuchte der Papst zwei Gedenkstätten hintereinander, was ihn eigenen Worten zufolge sehr mitnahm. Er gedachte der Opfer des nationalsozialistischen Völkermords an den Juden in Litauen, genau 75 Jahre nach der Schließung des Großen Ghettos. Danach besuchte er das Museum für Besatzungen und Freiheitskämpfe, in dem erst die Nationalsozialisten, dann die Sowjets Regimegegner gefoltert und ermordet hatten. „Sie töteten etwa 40 von ihnen pro Nacht“, sagte der Papst. „Es ist erschütternd zu sehen, wie weit die menschliche Grausamkeit gehen kann. Bedenken wir das.“
Bei der „fliegenden Pressekonferenz“ sprach Franziskus Estland, Lettland und Litauen sein Verständnis dafür aus, dass sie sich militärisch von Russland bedroht fühlten. „Ich bin mit dessen bewusst, dass die Lage der drei baltischen Länder immer in Gefahr ist. Die Gefahr der Invasion… und die Geschichte erinnert euch daran“, sagte der Papst. Diese Situation sei nicht einfach, „aber es ist eine Partie, die jeden Tag gespielt wird, Schritt für Schritt, mit Kultur, mit Dialog“.
Eine vernünftige und nicht aggressive Armee zur Verteidigung
Um ein Land zu verwalten, brauche es „eine vernünftige und nicht aggressive Armee zur Verteidigung“, fuhr Franziskus fort. Eine solche Armee zur Grenzverteidigung zu haben, sei ebenso „rechtmäßig und vernünftig“ wie den Schlüssel zur eigenen Haustür zu haben. Der Papst gab aber auch seine grundsätzlichen Bedenken gegen Aufrüstung zu verstehen. „Mir wurde gesagt, die Rüstungsausgaben in einem Monat würden ausreichen, um die Hungernden auf der Welt ein Jahr lang satt zu machen. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber es ist schrecklich“, sagte Franziskus. Es sei „ein Skandal, dass die Rüstungsindustrie heute einer hungrigen Welt gegenübersteht“.
Botschaft an die Katholiken in China
Zudem kündigte der Papst bei der Generalaudienz eine Botschaft an die Katholiken in China und in der ganzen Weltkirche an, die der Vatikan kurz darauf veröffentlichte. Am Samstag hatte der Vatikan bekanntgegeben, dass der Heilige Stuhl und China eine – bisher nicht im Wortlaut bekannt gewordene – Vereinbarung über das Leben der katholischen Kirche in China geschlossen haben. Dieses Abkommen sei aus einem „langen und wohlüberlegten Weg des Dialogs“ hervorgegangen, wiederholte der Papst bei der Generalaudienz, es ziele auf eine „positive Zusammenarbeit“ zugunsten der katholischen Gemeinde in China „und der Harmonie der ganzen Gesellschaft“ im Reich der Mitte.
„Ich hoffe, dass sich damit in China eine neue Phase eröffnen lässt, die hilft, die Wunden der Vergangenheit zu heilen“ sowie „die volle Einheit aller chinesischen Katholiken wiederherzustellen und zu erhalten“, sagte Franziskus. Die gläubigen der Weltkirche rief er dazu auf, ihre Brüder und Schwestern in China mit innigem Gebet zu begleiten.
(vatican news)
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