Zweifel, Säkularisierung, Missbrauch: Franziskus im O-Ton
Stefan von Kempis – Vatikanstadt
Einmal mehr brach der Papst aus Lateinamerika in diesem Gespräch eine Lanze für das Zweifeln. „Ich traue Leuten nicht, die niemals Zweifel haben“, so der Papst. „Zweifel stürzt uns in die Krise, er bringt uns dazu, uns zu fragen, ob etwas in Ordnung ist oder nicht. Der Zweifel ist ein Reichtum. Ich spreche von normalem Zweifel, nicht von Leuten, die über alles Zweifel haben und skrupulös werden… Normaler Zweifel ist ein Reichtum, weil er mich fragen lässt: Kommt dieser Gedanke von Gott oder nicht? Ist das etwas Gutes oder nicht?“
„Der Zweifel als Einladung, um die Wahrheit zu suchen“
Er habe den Eindruck, „dass der Menschheit heute ein bisschen die Fähigkeit fehlt, gut zu zweifeln“, fuhr Franziskus fort. Wenn man sich zum Thema Krieg oder Migration nicht den Kopf zerbreche und Zweifel zulasse, „dann wird das Problem je nach dem Interesse einer Nation oder Gesellschaft gelöst“: „Dann ist das Fehlen von Zweifel etwas Hässliches, weil es uns immer mehr in Sicherheit wiegt, ohne dass wir uns dem Problem stellen.“
Das „Kreuz des Zweifels“ nähere uns Christus an. Der Papst riet seinen Zuhörern dazu, das Gespräch mit Weggefährten und Vorgesetzten zu suchen. „Aber ein offenes, ehrliches Gespräch, konkrete Dinge. Und vor allem mit dem Herrn: Herr, was willst du mir sagen mit dem, was du mich da fühlen lässt, mit dieser Bestürzung, mit diesem Zweifel? – Nehmt den Zweifel als eine Einladung, um die Wahrheit zu suchen, um die Begegnung mit Jesus Christus zu suchen; das ist der richtige Zweifel!“
Schlagt nach in der Apostelgeschichte, da steht es – es ist dasselbe
Bei dem Gespräch ging Franziskus auch auf den für ihn kennzeichnenden Ruf nach einer „Kirche im Aufbruch“, „im Rausgehen“ ein. Dabei formulierte er, man solle nicht allzuviel über die „immer stärker säkularisierte Welt“ jammern. „Welche Welt war denn säkularisierter, unsere oder die Welt Jesu? Welche Welt war korrupter, unsere oder die Welt Jesu? Doch wohl beide gleichermaßen… Die Säkularisierung zur Zeit Jesu und zu unserer Zeit ist mehr oder weniger die gleiche.“
Darum könne man auch heute mit demselben Elan evangelisieren wie weiland die Apostel. „Wie baut man denn die Kirche auf? Schlagt nach in der Apostelgeschichte, da steht es – es ist dasselbe! Es gibt keine fundamental andere Methode; natürlich, das eine oder andere hat sich geändert, aber das Wesentliche ist das, was schon Jesus getan hat.“
Missbrauch? Sofort zum Bischof gehen!
Auch auf Skandale kam der Papst bei dem Dialog zu sprechen. Skandale habe es „von Anfang an in der Kirche gegeben“, sagte er zunächst, landete dann aber ziemlich schnell beim Thema Missbrauch. „Ihr kennt die Statistiken: Zwei Prozent der Missbräuche werden von Priestern verübt. – Oh, das ist ja wenig… - Nein, ist es nicht! Das ist monströs – auch wenn es nur ein einziger Priester wäre! Suchen wir nicht nach Rechtfertigungen, auch wenn wir nur bei zwei Prozent liegen… Es ist ein Skandal – ein weltweiter Skandal...“
Franziskus riet eindringlich von Schweigen und Vertuschen ab. „In diesem Fall braucht es Klartext: Wenn ihr so eine Sache seht, sofort zum Bischof! Um diesem Bruder-Täter zu helfen – sofort zum Bischof!“
(vatican news)
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