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Bei der Schlussmesse der Jugendsynode Bei der Schlussmesse der Jugendsynode 

Im Wortlaut: Papstpredigt zum Abschluss der Jugendsynode

Wir dokumentieren hier im Wortlaut die Predigt von Papst Franziskus bei der Heiligen Messe zum Abschluss der Jugendsynode im Vatikan.

Die Begebenheit, von der wir gehört haben, ist die letzte, die der Evangelist Markus vom Wirken Jesu auf seiner Wanderschaft erzählt. Kurz darauf zieht dieser in Jerusalem ein, wo er sterben und auferstehen wird. Bartimäus ist somit der letzte, der Jesus auf seinem Weg folgt: aus dem Bettler am Straßenrand in Jericho wird ein Jünger, der mit den anderen nach Jerusalem geht. Auch wir sind gemeinsam einen Weg gegangen, wir haben Synode gehalten, und nun unterstreicht dieses Evangelium drei grundlegende Schritte für den Weg des Glaubens.

Schauen wir zunächst auf Bartimäus: Sein Name bedeutet „Sohn des Timäus“. Und der Text betont dieses Detail: »Bartimäus, der Sohn des Timäus« (Mk 10,46). Aber mit dieser Hervorhebung im Evangelium wird ein Paradox sichtbar: Der Vater ist abwesend. Bartimäus liegt allein am Weg, außer Haus und ohne Vater: Er wird nicht geliebt, sondern ist verlassen. Er ist blind und hat niemanden, der ihn anhört; als er sprechen wollte, wollte man ihn zum Schweigen bringen. Jesus hört seinen Schrei. Und als er ihn trifft, lässt er ihn reden. Es war nicht schwer zu erraten, worum Bartimäus bitten würde: es ist klar, dass ein Blinder das Sehvermögen haben oder wiedererlangen möchte. Aber Jesus ist nicht voreilig, er nimmt sich Zeit zum Zuhören. Dies ist der erste Schritt, der auf dem Weg des Glaubens weiterhilft: hören. Es geht um ein Apostolat des Ohrs: zuhören, bevor man spricht.

„Es geht um ein Apostolat des Ohrs: zuhören, bevor man spricht.“

Dennoch ermahnten viele von denen, die bei Jesus waren, Bartimäus, er solle schweigen (vgl. V. 48). Für diese Jünger war der Bedürftige eine Störung auf dem Weg, etwas Unvorhergesehenes im vorher festgesetzten Programm. Sie zogen ihre eigene Gangart der des Meisters vor, ihre eigenen Worte denen anderer; sie folgten Jesus, aber sie hatten ihre eigenen Pläne im Sinn. Das ist eine Gefahr, auf das man immer achtgeben muss. Für Jesus hingegen ist der Ruf derer, die um Hilfe bitten, keine Störung, die den Weg behindert, sondern eine Lebensfrage. Wie wichtig ist es für uns, auf das Leben zu hören! Die Kinder des himmlischen Vaters schenken ihren Brüdern und Schwestern Gehör: nicht dem unnützen Geschwätz, sondern den Bedürfnissen ihres Nächsten. Mit Liebe zuhören, mit Geduld, wie Gott es bei uns macht, mit unseren oft sich wiederholenden Gebeten. Gott wird nie müde, er freut sich immer, wenn wir ihn suchen. Bitten auch wir um die Gnade eines Herzens, das bereitwillig zuhört. Ich möchte den jungen Menschen im Namen von uns Erwachsenen sagen: Entschuldigt uns, wenn wir euch oft kein Gehör geschenkt haben; wenn wir, anstatt euer Herz zu öffnen, eure Ohren vollgeredet haben. Als Kirche Jesu wollen wir euch mit Liebe zuhören, in der zweifachen Gewissheit, dass euer Leben für Gott kostbar ist, weil Gott jung ist und junge Menschen liebt; und dass euer Leben auch für uns kostbar ist, ja notwendig, um voranzugehen.

Nach dem Hören kommt ein zweiter Schritt, um den Weg des Glaubens zu begleiten: sich zum Nächsten machen. Schauen wir auf Jesus, der niemanden aus der »großen Menschenmenge«, die ihm folgte, zu Bartimäus schickt, nein, er trifft ihn persönlich. Er sagt zu ihm: »Was willst du, dass ich dir tue?« (V. 51). Was willst du: Jesus versetzt sich in Bartimäus hinein, er ignoriert seine Erwartungen nicht; dass ich tue: handeln, nicht nur reden; dir: nicht nach Vorstellungen, die auf jedermann passen, sondern für dich, in deiner Situation. So macht es Gott und lässt sich persönlich auf eine Beziehung voll Liebe zu jedem Einzelnen ein. In seiner Art zu handeln scheint bereits seine Botschaft auf: So keimt der Glaube im Leben auf.

„Der Glaube geht durch das Leben. Wenn sich der Glaube ausschließlich auf lehrmäßige Formulierungen konzentriert, läuft er Gefahr, nur den Kopf anzusprechen, ohne das Herz zu berühren.“

Der Glaube geht durch das Leben. Wenn sich der Glaube ausschließlich auf lehrmäßige Formulierungen konzentriert, läuft er Gefahr, nur den Kopf anzusprechen, ohne das Herz zu berühren. Und wenn er sich nur auf das Tun konzentriert, läuft er Gefahr, moralistisch zu werden und sich auf die soziale Ebene zu reduzieren. Der Glaube hingegen ist Leben: er besteht darin, die Liebe Gottes zu leben, die unser Leben verändert hat. Wir dürfen weder doktrinär noch aktivistisch sein; wir sind berufen, Gottes Werk auf Gottes Art fortzuführen, nämlich in Nähe: ganz nah bei ihm, in Gemeinschaft miteinander, nahe bei unseren Brüdern und Schwestern. Nähe: das ist das Geheimnis, um den Kern des Glaubens weiterzugeben, nicht irgendeinen sekundären Aspekt.

Sich zum Nächsten zu machen bedeutet, die Neuheit Gottes in das Leben des Bruders und der Schwester zu tragen, und darin besteht auch das Gegenmittel gegen die Versuchung fertiger Rezepte. Fragen wir uns, ob wir Christen sind, die fähig sind, zu Nächsten zu werden, die eigenen Kreise zu verlassen, um diejenigen zu umarmen, die „nicht zu uns gehören“ und die Gott leidenschaftlich sucht. Es gibt immer diese Versuchung, die in der Heiligen Schrift oft wiederkehrt: die Hände in Unschuld zu waschen. Das tut die Menge im heutigen Evangelium, das hat Kain mit Abel getan, das wird Pilatus mit Jesus tun: die Hände in Unschuld waschen. Wir hingegen wollen Jesus nachahmen, und wie er wollen wir uns die Hände schmutzig machen. Er, der Weg (vgl. Joh 14,6), blieb wegen Bartimäus auf dem Weg stehen; er, das Licht der Welt (vgl. Joh 9,5), beugte sich herab zu einem Blinden. Wir erkennen, dass der Herr sich seine Hände für einen jeden von uns schmutzig gemacht hat, und, wenn wir auf das Kreuz schauen und von diesem ausgehen, erinnern wir uns daran, dass Gott sich in Sünde und Tod zu meinem Nächsten gemacht hat. Er hat sich zu meinem Nächsten gemacht: alles beginnt hier. Und wenn auch wir um seiner Liebe willen zu Nächsten werden, werden wir Träger eines neuen Lebens: nicht Lehrer aller und auch nicht Experten für das Heilige, sondern Zeugen der Liebe, die rettet.

„Er hat sich zu meinem Nächsten gemacht: alles beginnt hier. Und wenn auch wir um seiner Liebe willen zu Nächsten werden, werden wir Träger eines neuen Lebens: nicht Lehrer aller und auch nicht Experten für das Heilige, sondern Zeugen der Liebe, die rettet.“

Zeugnis geben ist der dritte Schritt. Schauen wir auf die Jünger, die Bartimäus rufen: sie gehen nicht mit einer kleinen beruhigenden Münze zu ihm, der da bettelte, oder um ihm Ratschläge geben; sie gehen im Namen Jesu. Tatsächlich sagen sie ihm nur drei Worte, die alle von Jesus stammen: »Hab nur Mut, steh auf, er ruft dich« (V. 49). Im Evangelium sagt sonst nur Jesus Hab Mut!, denn nur er lässt das Herz wieder aufleben. Nur Jesus sagt im Evangelium Steh auf!, um den Geist und den Körper zu heilen. Nur Jesus beruft, um das Leben derer zu verändern, die ihm folgen, indem er denen auf die Beine hilft, die am Boden sind und Gottes Licht in die Dunkelheit des Lebens bringt. Viele Söhne und Töchter, viele junge Menschen sind wie Bartimäus auf der Suche nach einem Licht im Leben. Sie sind auf der Suche nach wahrer Liebe. Und wie Bartimäus trotz der vielen Leute nur Jesus anruft, so rufen auch die jungen Menschen nach Leben, finden aber oft nur leere Versprechungen und wenige, die sich wirklich für sie interessieren.

Es ist nicht christlich, darauf zu warten, dass die Brüder und Schwestern, die auf der Suche sind, an unsere Türen klopfen; wir sollen zu ihnen gehen und dabei nicht uns selbst, sondern Jesus bringen. Er sendet uns wie diese Jünger, damit wir in seinem Namen andere ermutigen und ihnen aufhelfen. Er schickt uns, damit wir allen sagen: „Gott bittet dich darum, dich von ihm lieben zu lassen.“ Wie oft haben wir statt dieser befreienden Botschaft des Heils uns selbst, unsere „Rezepte“, unsere kirchlichen „Etiketten“ gebracht! Wie oft haben wir, anstatt uns die Worte des Herrn zu eigen zu machen, unsere eigenen Ideen als sein Wort ausgegeben! Wie oft spüren die Menschen mehr die Last unserer Institutionen als die freundschaftliche Gegenwart Jesu! Dann jedoch werden wir zu einer NGO, zu einer halbstaatlichen Organisation, und nicht zur Gemeinschaft der Erlösten, die die Freude des Herrn leben.

„Der Glaube ist eine Frage der Begegnung, nicht der Theorie. Jesus kommt durch die Begegnung und in der Begegnung schlägt das Herz der Kirche.“

Zuhören, sich zum Nächsten machen, Zeugnis geben. Der Weg des Glaubens endet im Evangelium auf schöne und überraschende Weise mit dem Wort Jesu: »Geh! Dein Glaube hat dich gerettet« (V. 52). Dabei hatte Bartimäus gar kein Glaubensbekenntnis abgelegt und auch sonst nichts Besonderes getan; er hatte nur um Erbarmen gebeten. Zu spüren, der Erlösung zu bedürfen, ist der Beginn des Glaubens, ist der direkte Weg zur Begegnung mit Jesus. Der Glaube, der Bartimäus rettete, bestand nicht in seinen klaren Vorstellungen von Gott, sondern in der Suche nach ihm, im Wunsch, ihm zu begegnen. Der Glaube ist eine Frage der Begegnung, nicht der Theorie. Jesus kommt durch die Begegnung und in der Begegnung schlägt das Herz der Kirche. Also werden nicht unsere Predigten, sondern das Zeugnis unseres Lebens wirksam sein.

Und euch allen, die ihr an diesem „gemeinsamen Unterwegssein“ teilgenommen habt, danke ich für euer Zeugnis. Wir haben gemeinschaftlich und freimütig gearbeitet im Wunsch, Gott und seinem Volk zu dienen. Der Herr segne unsere Schritte, damit wir fähig werden, den jungen Menschen zuzuhören, ihnen zu Nächsten zu werden und ihnen von der Freude unseres Lebens Zeugnis zu geben: Jesus.

(vatican news)

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28. Oktober 2018, 12:20