Franziskus: „Todesstrafe überall abschaffen”
Er sei sich bewusst, dass ein solcher Entschluss „komplexe politische Prozesse“ zu durchlaufen habe. Die Verantwortlichen in den betreffenden Staaten müssten aber wenigstens bestimmte Mindestziele umsetzen und beispielsweise Minderjährige, Schwangere und Straftäter mit geistiger Behinderung von der Todesstrafe ausnehmen. Der Papst äußerte sich vor Angehörigen der Internationalen Kommission gegen die Todesstrafe, die er am Montag in Audienz empfing.
Philippinen haben Wiedereinführung der Todesstrafe beschlossen
Unter den Staaten, die die Todesstrafe verhängen und durchführen, sind nicht nur China, Saudi-Arabien und der Iran, sondern auch die christlich geprägten Vereinigten Staaten von Amerika. Die überwiegend katholischen Philippinen hatten vergangenes Jahr sogar die Wiedereinführung der Todesstrafe beschlossen.
Ausdrücklich kritisierte Franziskus in seiner Rede außergerichtliche Hinrichtungen, die „in Ländern mit oder ohne gesetzliche Todesstrafe leider immer wieder vorkommen“; der Papst nannte keinen Staat namentlich, doch hat das Phänomen in den vergangenen Jahren besonders auf den Philippinen zugenommen, wo Präsident Rodrigo Duterte mit äußerster Brutalität gegen mutmaßliche Drogenkriminelle vorgeht. Franziskus beanstandete, dass diese „vorsätzlichen Tötungen durch staatliche Akteure“ oft als „unbeabsichtigte Folgen der vernünftigen, notwendigen und verhältnismäßigen Anwendung von Gewalt zum Schutz der Bürger dargestellt“ würden.
Anders verhält es sich nach Darstellung des Papstes mit Notwehr. Diese sei „kein Recht, sondern eine Pflicht für denjenigen, der für das Leben eines anderen verantwortlich ist“, wie es im Kirchenrecht heißt. Allerdings müssten alle legitimen Abwehrmaßnahmen „notwendig und angemessen sein“.
Es braucht eine Ethik der Fürsorge
Ein längerer Abschnitt der Papstrede galt einem bisher wenig beachteten Punkt der Justiz und der Rechtsphilosophie. Viel sei nachgedacht worden über Straftäter, die die Rechte anderer verletzen, aber wenig über unterlassene Hilfsleistung; „das ist eine Reflexion, die nicht mehr warten kann“, schärfte der Papst seinen Zuhörern ein. Es brauche, so Franziskus, eine „Ethik der Fürsorge“. Diese müsse an die Seite der traditionellen Gerechtigkeitsprinzipien treten, die auf der „Idee der Achtung der individuellen Rechte und deren Schutz vor Einmischung durch andere“ beruhen.
Diese noch zu entwickelnde „Ethik der Fürsorge“ bedeute auf dem Feld der Strafjustiz „ein besseres Verständnis der Ursachen des Verhaltens, seines sozialen Kontextes, der Anfälligkeit der Täter für das Gesetz und des Leidens der Opfer“. Diese Art der Argumentation „sollte uns dazu veranlassen, jeden konkreten Fall in seiner Besonderheit zu betrachten und nicht mit abstrakten Zahlen von Opfern und Tätern umzugehen“, fuhr der Papst fort. Auf diese Weise sei es möglich, die ethischen und moralischen Probleme anzugehen, die sich aus sozialer Ungerechtigkeit ergeben, das Leiden der betroffenen konkreten Menschen zu verstehen und zu anderen Arten von Lösungen zu gelangen.
Franziskus goss diese Vorstellung in ein starkes Bild: „Wir brauchen eine Gerechtigkeit, die nicht nur Vater, sondern auch Mutter ist“, sagte das Kirchenoberhaupt. Gesten gegenseitiger Fürsorge seien Ausdruck einer Liebe, die auch zivil und politisch ist. Umgekehrt sei die Liebe zur Gesellschaft und das Engagement für das Gemeinwohl eine ausgezeichnete Form der Nächstenliebe.
Änderung der Lehre in Sachen Todesstrafe
Der Papst ging neuerlich auf die von ihm bestimmte Fortentwicklung der katholischen Lehre zur Todesstrafe ein, die nun in allen Fällen unzulässig ist. Franziskus hatte eine entsprechende Änderung im Katechismus verfügt. In vergangenen Jahrhunderten, als es an Instrumenten zum Schutz der Gesellschaft vor Straftätern mangelte und der Begriff Menschenrechte noch nicht entwickelt war, konnte der Rückgriff auf die Todesstrafe als „logische und gerechte Folge“ auf Verbrechen erscheinen, sagte der Papst. Sogar im Kirchenstaat habe man seinerzeit – bis 1868 - „auf diese unmenschliche Art der Bestrafung“ zurückgegriffen und dabei „den Vorrang der Barmherzigkeit vor der Gerechtigkeit“ ignoriert.
Der neue Wortlaut des Katechismus verdeutliche, „dass wir unsere Verantwortung für die Vergangenheit übernehmen und erkennen, dass die Anwendung dieser Form der Strafe einer damals herrschenden Mentalität folgte“, sagte der Papst. Diese Mentalität sei „eher gesetzestreu als christlich“ gewesen und habe Gesetzen, denen es an Menschlichkeit und Barmherzigkeit fehlte, einen sakralen Charakter verliehen. Die Neufassung des Katechismus zur Todesstrafe stehe „nicht im Widerspruch zur Lehre der Vergangenheit, da die Kirche immer die Würde des menschlichen Lebens verteidigt hat“, bekräftigte Franziskus neuerlich.
Berufen zum Einsatz gegen die Todesstrafe seien „alle Männer und Frauen guten Willens“, sagte der Papst abschließend, und dieser Einsatz sei sogar „eine Pflicht für diejenigen von uns, die die christliche Berufung zur Taufe teilen“.
(vatican news - gs)
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